Frau vor einem Zug der ÖBB
ORF.at/Lukas Krummholz
Streit über Bahn-KV

Hektische Verhandlungen vor Warnstreik

Auch unmittelbar vor dem für Mittag angekündigten Warnstreik im Bahnverkehr ist unklar, ob dieser stattfindet. Die letzten Versuche, um eine Einigung im KV-Streit zu erzielen, sind aber gescheitert. Es geht um einen KV-Abschluss für rund 40.000 Beschäftigte in mehr als 60 Unternehmen. Kommt es zu keiner Einigung, müssen Bahnreisende ab 12.00 Uhr mit zahlreichen Zugsausfällen rechnen.

Die ÖBB bereiten sich darauf vor, den Zugsverkehr in ganz Österreich ab 12.00 Uhr einzustellen. Diese Maßnahme diene der Sicherheit der Fahrgäste, teilten die ÖBB in einer Aussendung mit. Sollte der Streik nicht mehr abgewendet werden, werden im Zeitraum von 12.00 und 14.00 Uhr daher voraussichtlich keine Züge verkehren. Schon jetzt stehen einzelne Züge still.

Obwohl die Wirtschaftskammer der Gewerkschaft am Sonntag ein aus ihrer Sicht verbessertes Angebot vorgelegt habe, halte die Gewerkschaft am angekündigten Warnstreik für Montag fest, teilten die ÖBB mit. Die nun von den ÖBB beschlossene Maßnahme „dient der Sicherheit all unserer Fahrgäste und ist auf die fehlende Information seitens der Gewerkschaft zurückzuführen, welche lediglich einen flächendeckenden Warnstreik angekündigt hat“.

Auswirkungen für Fahrgäste

In Wien werden Tickets der ÖBB von den Wiener Linien anerkannt. In Vorarlberg wird der gesamte Personennahverkehr mit 30 Bussen im Schienenersatzverkehr geführt. Von Linz und Graz werden Flughafenbusse für Reisende mit Flugticket zur Verfügung gestellt. Neben den nicht betroffenen Vienna Airport Lines werden auch in Wien Busse als Schienenersatzverkehr für die Anbindung zum Flughafen Wien bereitgestellt.

An den Hauptverkehrspunkten sollen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Kundenlenkung und Kundeninformation an Ort und Stelle eingesetzt werden. Die ÖBB appellieren an die Fahrgäste, sich selbst über die Social-Media-Kanäle der ÖBB und die Website zu informieren. Da ÖBB-Kundenservice bzw. die Hotline würden während des Streiks nur eingeschränkt besetzt sein.

Züge von Westbahn und ÖBB
ORF.at/Christian Öser
Der Kollektivvertrag gilt für ÖBB und Westbahn

Beim Versuch, den Streik noch abzuwenden, setzen die Arbeitgeber alles auf eine Karte: Chefverhandler Thomas Scheiber kündigte am Sonntagabend ein „substanziell verbessertes Angebot“ an. Erklärtes Ziel sei es, „die Beeinträchtigung für unsere Kunden zu verhindern“, so Scheiber vor einem Vieraugengespräch mit seinem Gegenüber, vida-Chef Roman Hebenstreit. Züge, die aus Nachbarländern kommen oder in solche unterwegs sind, können ab 12.00 Uhr nicht mehr übernommen bzw. übergeben werden. Somit gibt es im Zeitraum des angekündigten Streiks keinen grenzüberschreitenden Bahnverkehr.

Hebenstreit und sein Team verließen allerdings die um 10.00 Uhr begonnene Verhandlung bereits eine Dreiviertelstunde später kommentarlos. Vida-Sprecherin Yvonne Heuber sagte zur APA, das „substanziell verbesserte Angebot“ der Arbeitgeberseite sei ein „umfangreicher Forderungskatalog“. Scheiber glaubt hingegen weiter an eine Lösung. Das Aufstehen der Gewerkschaft vom Verhandlungstisch bezeichnete er als „normale Dramaturgie“, wie er vor Medien in der Wirtschaftskammer-Zentrale in Wien, wo die Verhandlungsrunde stattfindet, sagte. Heuber sprach von einer „Beratungsrunde“.

Umfangreiche Verzögerungen erwartet

Wird am Montag gestreikt, müssen Bahnfahrer wohl mit umfangreichen Verzögerungen rechnen. Das betrifft auch die Zeit nach Beendigung der Arbeitsniederlegung. Die Ö3-Verkehrsredaktion verwies auf den großen organisatorischen Aufwand, um den Betrieb wieder zum Laufen zu bringen. Wahrscheinlich sei aus diesem Grund, dass es den ganzen restlichen Tag oder sogar bis Dienstagfrüh dauern könne, bis alles wieder normal fährt – und zwar egal, ob es sich um Nahverkehrs- oder Fernzüge handelt.

Auch der ÖBB-Rivale Westbahn schloss Einschränkungen im Betrieb nicht aus, nachdem auch der Westbahn-Betriebsrat angekündigt hatte, sich dem Warnstreik anschließen zu wollen. Ob wie von der Westbahn-Führung angekündigt im Streikfall dennoch Westbahn-Züge verkehren werden, bleibt laut Ö3-Verkehrsredaktion auch aus anderen Gründen fraglich – da das ÖBB-„Bodenpersonal“ ebenfalls streiken könnte.

Auch S-Bahn betroffen

Kommt es nicht in letzter Minute zu einer Einigung, und der Warnstreik wird noch abgeblasen, müssen sich auch S-Bahn-Fahrgäste am Montag auf Probleme einstellen – mehr dazu in wien.ORF.at. Nicht betroffen sind Busverbindungen, Straßenbahnen und U-Bahnen. Abzuwarten bleibt jedenfalls, ob es am Montag zu einem Verkehrschaos kommen wird. Die Staus im Pendlerverkehr könnten stärker sein, falls einige Bahnpendler sicherheitshalber zum Auto wechseln sollten.

ÖBB kritisierten Gewerkschaft

Im Ringen um den neuen Kollektivvertrag für die 40.000 Eisenbahner hatten sich alle Seiten unmittelbar vor den am Sonntag wieder geöffneten Gesprächskanälen nochmals in Position gebracht. Die ÖBB betonten, das Streikrecht keinesfalls infrage zu stellen, kritisierten aber, dass Mitarbeiter und Fahrgäste in die Auseinandersetzung hineingezogen würden.

„Darüber hinaus finden wir es unverantwortlich, dass wir nach wie vor keine konkreten Informationen erhalten und somit Tausende Fahrgäste nicht rechtzeitig im Detail über Zugsausfälle und Alternativen informieren können“, so ÖBB-Kommunikationschef Sven Pusswald. Gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen sei es wichtig zu wissen, wer sich am Streik beteiligt.

Vida schrieb am Wochenende indes einen offenen Brief an den Westbahn-Gesellschafter Hans-Peter Haselsteiner. Anlass ist eine Rundmail der Westbahn-Geschäftsführung mit der Aufforderung an die Mitarbeiter, dem Streikaufruf nicht Folge zu leisten. Vida-Chef Hebenstreit forderte Haselsteiner auf, dazu Stellung zu nehmen.

Acht Verhandlungsrunden

Bahngewerkschaft und Arbeitgeber haben inzwischen acht Verhandlungsrunden für einen neuen Kollektivvertrag ohne Einigung hinter sich gebracht. Die Arbeitgeber bieten nach eigener Berechnung drei Prozent mehr Lohn, die Arbeitnehmer sehen eine deutlich geringere Steigerung nur knapp über der Inflationsrate, unter anderem weil es seit dem Auslaufen des alten KV im Juni eine mehrmonatige Lücke gibt.

Hebenstreit nennt das Angebot der Arbeitgeber „unwürdig“. Konkrete eigene Forderungen nennt die Gewerkschaft nicht, die Arbeitgeber sagen aber, dass die Summe aller Forderungen zu einer Mehrbelastung von zehn Prozent führen würde.