Warnstreik

Kompletter Bahnverkehr gestoppt

Die ÖBB haben am Montag den kompletten Bahnverkehr eingestellt. Diese Maßnahme diene der Sicherheit der Fahrgäste, so die Arbeitgeberseite bei den ÖBB in einer Aussendung. Da der Warnstreik der Gewerkschaft nicht mehr abgewendet werden konnte, werden von 12.00 bis voraussichtlich 14.00 Uhr keine Züge verkehren. Die Verhandlungen wurden indes abgebrochen. Die Gewerkschaft lehnt das Angebot der Arbeitgeberseite ab.

In einer Aussendung legte die Gewerkschaft nach: „Hier im Vorfeld von einem substanziell verbesserten Angebot zu sprechen, das spottet jeder Beschreibung und ist eine Frechheit.“ Die Gewerkschaft kritisierte Einschüchterungsversuche und sieht das als Folge des Regierungswechsels. „Es ist mittlerweile wirklich viel möglich geworden in diesem Land“, ließ sich Hebenstreit in der vida-Pressemitteilung zitieren.

Für eine zehnte Verhandlungsrunde gibt es keinen Termin. Beide Seiten sagten nach dem Verhandlungsabbruch, sie würden nun die internen Gremien für Beratungen einberufen. Aufseiten der vida werde das binnen 48 Stunden passieren, so Hebenstreit. Weitere Streikmaßnahmen schloss der Gewerkschaftschef nicht aus: „Die nächste Stufe nach dem Warnstreik ist der Streik, aber so weit sind wir noch nicht.“ Scheiber sagte, man werde nochmals ausloten, „welchen Verhandlungsspielraum wir haben“. „Wenn das geschehen ist, wird es zu weiteren Gesprächen kommen.“

Streikmaßnahmen „haben wir zu akzeptieren“

„Ich muss mit Bedauern feststellen, dass die Streikmaßnahmen nicht mehr aufzuhalten sind“, so Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber kurz vor Streikbeginn vor Medien. „Es ist uns wider Erwarten nicht gelungen, noch rechtzeitig eine entsprechende Übereinkunft mit der Gewerkschaft abzuschließen“, sagte Scheiber. Die neunte Verhandlungsrunde hatte um 10.00 Uhr begonnen, nur zwei Stunden vor dem geplanten Streikbeginn. „Dass während aufrechter Vertragsverhandlungen Streikmaßnahmen gesetzt werden, haben wir zu akzeptieren“, so Scheiber.

670 Züge stehen still

Österreichweit stehen laut ÖBB 670 Züge, davon 70 im Fernverkehr. Beim Kundenservice der ÖBB haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kundenservice allerhand zu tun. Man bittet um Verständnis, nicht alle Anfragen sofort beantworten zu können.

Für ÖBB-Chef Andreas Matthä ist es „ein untragbarer Zustand, dass sich trotz der Angebote sowohl Wirtschaftskammer als auch Gewerkschaft offensichtlich nicht annähern können“ und „ich kann nicht verstehen, dass man für dieses Angebot streikt“. Leidtragende seien die Fahrgäste. Daniela Holzinger, Sozialsprecherin von Jetzt (vormals LP), äußerte Verständnis für den Bahnstreik: „Lohnerhöhungen kommen nun einmal nicht von alleine, sie müssen erkämpft werden.“

Unterstützung kam auch von der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp). Vorsitzende Barbara Teiber: „Wir sprechen den streikenden Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern unsere volle Solidarität aus. Niemand streikt um des Streikes Willen. Die Beschäftigten haben sich eine faire und gute Lohnerhöhung verdient. Ein guter Abschluss ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, Branche für Branche für Gerechtigkeit zu sorgen“.

ÖBB Servicekraft am Hauptbahnhof
ORF.at/Christian Öser
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren Fahrgäste auf den Bahnhöfen. Ansagen auf den Bahnsteigen sollen zusätzlich für Klarheit sorgen.

Hofer: Hebenstreit spielt Rugby auf Fußballfeld

Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) sagte, er verstehe nicht, warum es keine Einigung gegeben hat. Er würde gerne selber am Verhandlungstisch sitzen, sagte er, sei doch eine Einigung möglich. Das Angebot sei aus seiner Sicht sehr gut, für die beamteten Mitarbeiter höher als der Beamten-KV und für die anderen „in der Nähe des Abschlusses der Metaller“. Alleine die ÖBB würde dieser Abschluss 80 Mio. Euro kosten. „Der Einzige, der einen Grund zum Streiken hätte, ist der Finanzminister“, so Hofer. Er habe den Eindruck, dass Hebenstreit auf einem Fußballfeld stehe, aber Rugby spiele. Die Bahnkunden, auf deren Rücken der Streit ausgetragen werde, hätten damit wenig Freude.

Bahnstreik: „Die Fronten sind verhärtet“

Weitere Streiks könnten folgen. ORF-Reporter Johannes Schwitzer-Fürnsinn berichtet von der Wiener Wirtschaftskammer über verhärtete Fronten.

Auch FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker sieht politische Motive hinter dem Streik: „Als letzter Defibrillator einer dahinsiechenden SPÖ“ müsse man wohl noch einmal zeigen, dass noch „Saft in den Batterien“ sei, hieß es in seiner Aussendung. „Gewerkschaftsbonze Hebenstreit“ wäre auf einer Donnerstagsdemo besser aufgehoben.

Kritik auch von ÖVP

Kritik gab es auch von ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger: „Hier wird am Rücken der Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer Politik gemacht“, schrieb er in einer Aussendung. „Die betroffenen Passagiere, darunter auch viele Schülerinnen und Schüler oder auch ältere Menschen, die sich im Alltag auf die Bahn verlassen, kommen nun unfreiwillig zum Handkuss.“ Zugleich warf er Hebenstreit politische Profilierung vor: „Die Spitze der Gewerkschaft sollte sich nun die Frage stellen, ob ihr Vertreter Hebenstreit seine Funktion zur persönlichen Profilierung missbraucht.“

Fahrgäste am Hauptbahnhof
ORF.at/Christian Öser
Großes Warten auf dem Wiener Hauptbahnhof. Wann der Warnstreik vorbei sein wird, ist noch offen

Matthä wollte sich nicht ausdrücklich dazu äußern, ob aus seiner Sicht Hebenstreit den Streik dazu nutze, sich zu profilieren. „Jeder Fahrgast kann sich davon heute ein eigenes Bild machen“, so der ÖBB-Chef. Auf die Frage, ob die Gewerkschaft mit dem Streik Oppositionspolitik betreibe: „Wenn man sich die ganze Geschichte dieser Verhandlungen ansieht, kann man sehr gut erkennen, worum es geht.“

Matthä wies auch den Vorwurf aus der Gewerkschaft, sein Unternehmen setze Mitarbeiter unter Druck, von sich. Die ÖBB müssten registrieren, wer streikt, selbst die Gewerkschaft empfehle allen Streikenden, sich zu registrieren. „Wir wollen nicht, dass die Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden. Das werden wir nicht tun, da sorge ich dafür … wir erwarten das aber auch von den Betriebsräten.“

Auswirkungen auf Fahrgäste

In Wien werden Tickets der ÖBB von den Wiener Linien anerkannt. In Vorarlberg wird der gesamte Personennahverkehr mit 30 Bussen im Schienenersatzverkehr geführt. Von Linz und Graz werden Flughafenbusse für Reisende mit Flugticket zur Verfügung gestellt. Neben den nicht betroffenen Vienna Airport Lines werden auch in Wien Busse als Schienenersatzverkehr für die Anbindung zum Flughafen Wien bereitgestellt.

An den Hauptverkehrspunkten sollen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Kundenlenkung und Kundeninformation an Ort und Stelle eingesetzt werden. Die ÖBB appellierten an die Fahrgäste, sich über Social-Media-Kanäle der ÖBB und die Website Oebb.at zu informieren. Das ÖBB-Kundenservice bzw. die Hotline würden während des Streiks nur eingeschränkt besetzt sein.

Auch Westbahn betroffen

Die Konkurrenz der ÖBB streikt nicht, kann aber das Schienennetz auch nicht verwenden. Der ÖBB-Rivale Westbahn bestätigte Einschränkungen im Betrieb. Ein offener Brief, den vida am Wochenende an Westbahn-Gesellschafter Hans-Peter Haselsteiner geschrieben hatte, zeigte keine Wirkung. Anlass war eine Rundmail der Westbahn-Geschäftsführung mit der Aufforderung an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dem Streikaufruf nicht Folge zu leisten. Auf der Website bezog sich die Westbahn nur auf den Streik „durch die Verkehrsleitzentrale der ÖBB“. Auch Züge aus dem Ausland, etwa jene des privaten Zugsunternehmens Regio Jet mit Sitz in Tschechien, sind betroffen, denn der grenzüberschreitenden Bahnverkehr wurde eingestellt.

Züge von Westbahn und ÖBB
ORF.at/Christian Öser
Der Kollektivvertrag gilt für ÖBB und Westbahn

Bahngewerkschaft und Arbeitgeber haben insgesamt neun Verhandlungsrunden für einen neuen Kollektivvertrag ohne Einigung hinter sich gebracht. Es geht um einen KV-Abschluss für rund 40.000 Beschäftigte in mehr als 60 Unternehmen. Die Arbeitgeber bieten nach eigener Berechnung drei Prozent mehr Lohn, die Arbeitnehmer sehen eine deutlich geringere Steigerung nur knapp über der Inflationsrate, unter anderem weil es seit dem Auslaufen des alten KV im Juni eine mehrmonatige Lücke gibt. Konkrete eigene Forderungen nennt die Gewerkschaft nicht, die Arbeitgeber sagen aber, dass die Summe aller Forderungen zu einer Mehrbelastung von zehn Prozent führen würde.