Züge am Bahnsteig
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Warnstreik beendet

Erste Züge fahren wieder

Der von der Gewerkschaft vida initiierte Warnstreik im Bahnverkehr ist beendet. Zuvor haben die ÖBB von 12.00 bis 14.00 die Verbindungen im Bahnverkehr eingestellt. Diese Maßnahme habe der Sicherheit der Fahrgäste gedient, so die Arbeitgeberseite bei den ÖBB in einer Aussendung. Die Inbetriebnahme des Zugsverkehrs geschehe nun „sukzessive“, teilten die Bundesbahnen mit.

„Die Fernverkehrszüge setzen ihre Fahrt ab 14.00 Uhr fort, der Nahverkehr folgt direkt im Anschluss. Die Fahrgäste müssen mit Auswirkungen jedenfalls bis zum späten Nachmittag rechnen“, teilten die Bundesbahnen mit. Die ÖBB gehen davon aus, dass rund 100.000 Fahrgäste betroffen sind.

Alle Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite liegen derzeit auf Eis. Die Gewerkschaft lehnt das aus Sicht der Arbeitgeber verbesserte Angebot für rund 40.000 Beschäftigte in über 60 Unternehmen ab. In einer Aussendung sagte die Gewerkschaft: „Hier im Vorfeld von einem substanziell verbesserten Angebot zu sprechen, das spottet jeder Beschreibung und ist eine Frechheit.“ Vida kritisierte Einschüchterungsversuche und sieht das als Folge des Regierungswechsels. „Es ist mittlerweile wirklich viel möglich geworden in diesem Land“, ließ sich Hebenstreit in der vida-Pressemitteilung zitieren.

670 Züge standen still

Für eine zehnte Verhandlungsrunde gibt es derzeit keinen Termin. Beide Seiten sagten nach dem Verhandlungsabbruch, sie würden nun die internen Gremien für Beratungen einberufen. Aufseiten von vida werde das binnen 48 Stunden passieren, so Hebenstreit. Weitere Streikmaßnahmen schloss der Gewerkschaftschef nicht aus: „Die nächste Stufe nach dem Warnstreik ist der Streik, aber so weit sind wir noch nicht.“ Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber sagte, man werde nochmals ausloten, „welchen Verhandlungsspielraum wir haben“. „Wenn das geschehen ist, wird es zu weiteren Gesprächen kommen.“

Fahrgastinformatoin auf einem Bildschirm
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Auf den Anzeigetafeln der Bahnhöfe wurde eine Sonderinformation eingeblendet

Österreichweit standen laut ÖBB 670 Züge, davon 70 im Fernverkehr. Am größten Bahnhof Österreichs, dem Wiener Hauptbahnhof, waren vor allem Touristinnen und Touristen ob des Warnstreiks verwirrt. Auch die S-Bahnen in Wien standen still – mehr dazu in Warnstreik legte Hauptbahnhof lahm. In Niederösterreich waren vor allem Schüler und Schülerinnen betroffen – mehr dazu in Nach Warnstreik: Erste Züge fahren wieder.

Warnstreik für ÖBB

ÖBB-Chef Andreas Matthä kritisierte die gescheiterten Verhandlungen als „untragbarer Zustand, dass sich trotz der Angebote sowohl Wirtschaftskammer als auch Gewerkschaft offensichtlich nicht annähern können“. Und „ich kann nicht verstehen, dass man für dieses Angebot streikt“. Leidtragende seien die Fahrgäste. Daniela Holzinger, Sozialsprecherin von Jetzt (vormals LP), äußerte Verständnis für den Bahnstreik: „Lohnerhöhungen kommen nun einmal nicht von alleine, sie müssen erkämpft werden.“

Unterstützung kam auch von der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp). Vorsitzende Barbara Teiber: „Wir sprechen den streikenden Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern unsere volle Solidarität aus. Niemand streikt um des Streikes Willen. Die Beschäftigten haben sich eine faire und gute Lohnerhöhung verdient. Ein guter Abschluss ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, Branche für Branche für Gerechtigkeit zu sorgen.“

Hofer: Hebenstreit spielt Rugby auf Fußballfeld

Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) sagte, er verstehe nicht, warum es keine Einigung gegeben hat. Er würde gerne selber am Verhandlungstisch sitzen, sagte er, sei doch eine Einigung möglich. Das Angebot sei aus seiner Sicht sehr gut, für die beamteten Mitarbeiter höher als der Beamten-KV und für die anderen „in der Nähe des Abschlusses der Metaller“. Alleine die ÖBB würde dieser Abschluss 80 Mio. Euro kosten. „Der Einzige, der einen Grund zum Streiken hätte, ist der Finanzminister“, so Hofer. Er habe den Eindruck, dass Hebenstreit auf einem Fußballfeld stehe, aber Rugby spiele. Die Bahnkunden, auf deren Rücken der Streit ausgetragen werde, hätten damit wenig Freude.

Bahnstreik: „Die Fronten sind verhärtet“

Weitere Streiks könnten folgen. ORF-Reporter Johannes Schwitzer-Fürnsinn berichtete von der Wiener Wirtschaftskammer über verhärtete Fronten.

Auch FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker sah politische Motive hinter dem Streik: „Als letzter Defibrillator einer dahinsiechenden SPÖ“ müsse man wohl noch einmal zeigen, dass noch „Saft in den Batterien“ sei, hieß es in seiner Aussendung. „Gewerkschaftsbonze Hebenstreit“ wäre auf einer Donnerstagsdemo besser aufgehoben.

Kritik auch von ÖVP

Kritik gab es auch von ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger: „Hier wird am Rücken der Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer Politik gemacht“, schrieb er in einer Aussendung. „Die betroffenen Passagiere, darunter auch viele Schülerinnen und Schüler oder auch ältere Menschen, die sich im Alltag auf die Bahn verlassen, kommen nun unfreiwillig zum Handkuss.“ Zugleich warf er Hebenstreit politische Profilierung vor: „Die Spitze der Gewerkschaft sollte sich nun die Frage stellen, ob ihr Vertreter Hebenstreit seine Funktion zur persönlichen Profilierung missbraucht.“

Fahrgäste am Hauptbahnhof
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Großes Warten auf dem Wiener Hauptbahnhof. Rund zwei Stunden waren die meisten Bahnverbindungen blockiert

Matthä wollte sich nicht ausdrücklich dazu äußern, ob aus seiner Sicht Hebenstreit den Streik dazu nutze, sich zu profilieren. „Jeder Fahrgast kann sich davon heute ein eigenes Bild machen“, so der ÖBB-Chef. Auf die Frage, ob die Gewerkschaft mit dem Streik Oppositionspolitik betreibe: „Wenn man sich die ganze Geschichte dieser Verhandlungen ansieht, kann man sehr gut erkennen, worum es geht.“

Matthä wies auch den Vorwurf aus der Gewerkschaft, sein Unternehmen setze Mitarbeiter unter Druck, von sich. Die ÖBB müssten registrieren, wer streikt, selbst die Gewerkschaft empfehle allen Streikenden, sich zu registrieren. „Wir wollen nicht, dass die Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden. Das werden wir nicht tun, da sorge ich dafür … wir erwarten das aber auch von den Betriebsräten.“

Auch Westbahn war betroffen

Die Konkurrenz der ÖBB streikte nicht, konnte aber das Schienennetz auch nicht verwenden. Der ÖBB-Rivale Westbahn bestätigte Einschränkungen im Betrieb. Ein offener Brief, den vida am Wochenende an Westbahn-Gesellschafter Hans-Peter Haselsteiner geschrieben hatte, zeigte keine Wirkung. Anlass war eine Rundmail der Westbahn-Geschäftsführung mit der Aufforderung an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dem Streikaufruf nicht Folge zu leisten. Auf der Website bezog sich die Westbahn nur auf den Streik „durch die Verkehrsleitzentrale der ÖBB“. Auch Züge aus dem Ausland, etwa jene des privaten Zugsunternehmens Regio Jet mit Sitz in Tschechien, waren betroffen, denn der grenzüberschreitenden Bahnverkehr wurde eingestellt.

ÖBB Servicekraft am Hauptbahnhof
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informierten Fahrgäste auf den Bahnhöfen. Ansagen auf den Bahnsteigen sollten zusätzlich für Klarheit sorgen.

Bahngewerkschaft und Arbeitgeber hatten bisher neun Verhandlungsrunden für einen neuen Kollektivvertrag ohne Einigung hinter sich gebracht. Die Arbeitgeber bieten nach eigener Berechnung drei Prozent mehr Lohn, die Arbeitnehmer sehen eine deutlich geringere Steigerung nur knapp über der Inflationsrate, unter anderem weil es seit dem Auslaufen des alten KV im Juni eine mehrmonatige Lücke gibt. Konkrete eigene Forderungen nennt die Gewerkschaft nicht, die Arbeitgeber sagen aber, dass die Summe aller Forderungen zu einer Mehrbelastung von zehn Prozent führen würde.