Belästigung am Arbeitsplatz
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„#MeToo“ im Job

Jede zweite Frau klagt über Belästigung

Die „#MeToo“-Debatte hat das Bewusstsein für sexuelle Belästigung geschärft – auch am Arbeitsplatz. Das deutet eine aktuelle Auswertung des Arbeitsklima-Index 2018 durch die Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich an. Bereits mehr als jede zweite Frau berichtete dabei von sexueller Belästigung im Job. Laut AK bekommt im Zweifel aber oft der Belästiger die Rückendeckung.

Die aktuellen Zahlen, die die AK Oberösterreich gemeinsam mit den Sozialforschungsinstituten Institute for Social Research and Consulting (SORA) und Institut für empirische Sozialforschung (IFES) präsentierte, ergeben ein unschönes Bild: 56 Prozent der Frauen klagten über Erfahrungen von sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz. Knapp vier von zehn Frauen berichteten von abfälligen und anzüglichen Bemerkungen in ihrem Arbeitsumfeld – das ist ein leichter Anstieg gegenüber dem Vergleichswert von 2016. Insgesamt wurden die Daten von 1.800 Personen ausgewertet, die Hälfte davon Frauen.

Rund jede dritte Befragte berichtet von Erfahrungen mit „Anstarren“, „Mustern“ und „Lüsternen Blicken in den Ausschnitt“, sechs Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. Zwölf Prozent berichteten von körperlichen Übergriffen – um ein Drittel mehr gegenüber den neun Prozent zuvor. Fünf Prozent waren von sexistischen Nachrichten in Mails bzw. SMS betroffen, vier Prozent mit Nacktbildern etwa durch einschlägige Kalender im Betrieb.

Alle Branchen gleichermaßen betroffen

Die Berichte über Erfahrungen von sexueller Belästigung steigen, sagte Eva Zeglovits vom IFES am Dienstag in Wien. „Das kann auch heißen, dass Frauen Dinge heute eher als Belästigung erkennen können und einordnen“, so Zeglovits mit Verweis auf die „#MeToo“-Debatte. Dass offenbar mehr Frauen sich trauen, etwas zu sagen, sei eine positive Entwicklung, so AK-OÖ-Präsident Johann Kalliauer.

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Grafik: Säulengrafik zeigt die Häufigkeit der Angabe von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, 2016 und 2018 im Vergleich
Grafik: ORF.at, Quelle: AK
Grafik: Balkengrafik zeigt den Einsatz verschiedener Institutionen gegen sexuelle Belästigung Arbeitsplatz
Grafik: ORF.at, Quelle: AK

Eine Branche, wo sexuelle Belästigung besonders oft vorkomme, gebe es aber nicht, sagten Zeglovits und Kalliauer auf Nachfrage von ORF.at. Allerdings gebe es bei Branchen mit Kundenkontakt – wie etwa der Gastronomie – auch sexuelle Belästigung durch Dritte, so Kalliauer.

Hilfe im Krisenfall

Opfer sexueller Belästigung und Gewalt können telefonisch und im Internet Hilfe finden. Unter 0800 222 555 ist die Frauenhelpline gegen Gewalt erreichbar, die Männerberatung unter 01/603 28 28. Im beruflichen Umfeld berät und unterstützt die Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Kalliauer rät zu Beweislastumkehr

Allein in Oberösterreich zeige sich, dass die Problematik verbreitet sei, so Kalliauer. 800 bis 1.000 einschlägige Beratungsgespräche pro Jahr führt die AK Kalliauer zufolge dort. Vor Journalistinnen und Journalisten riet er daher zu einer Reihe an neuen Maßnahmen im Kampf gegen sexuelle Belästigungen: Dazu zählen höhere Strafen, ein verstärkter Kündigungsschutz für Betroffene und eine Beweislastumkehr. Derzeit bewegen sich die Strafen in der Praxis laut AK zwischen 2.000 und 5.000 Euro.

Kritik und Lösungsvorschläge gab es zudem für die Chefetage von Unternehmen. „Führungskräfte dürfen nicht wegschauen, sondern müssen klarmachen, dass das im Unternehmen nicht geduldet wird“, so Kalliauer weiter. Die Arbeitgeber sollten ihre Fürsorgepflicht stärker als bisher wahrnehmen. Derzeit würden laut Kalliauer Probleme eher dadurch gelöst werden, dass die belästigte Frau dazu überredet wird, das Dienstverhältnis zu lösen. In manchen Fällen würden sich Unternehmen durchaus auf die Seite des Belästigers stellen, so der AK-OÖ-Präsident.

Belästigung am Arbeitsplatz nimmt zu

Immer mehr Frauen klagen über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Jede Zweite hat bereits negative Erfahrungen gemacht. Das geht aus einer Studie der Arbeiterkammer hervor.

Darüber hinaus befinden sich Unternehmen auch generell im Kampf für Gleichbehandlung am untersten Ende der Skala. Nur 19 Prozent der Frauen schätzen die Unterstützung durch ihre Unternehmensführung. 28 Prozent der Frauen sehen sich im Berufsleben benachteiligt. Vier von zehn finden, dass sie in puncto Lohn und Gehalt im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen schlechtergestellt sind. Knapp 30 Prozent fühlen sich bei Beförderungen und Karrieresprüngen sowie bei Bewerbungen und Stellenvergaben diskriminiert, 23 Prozent bei der Vergabe verantwortungsvoller Aufgaben.

Großteil der Frauen schultert Haushalt

Dafür schultert ein Großteil der Frauen Hausarbeit und Kinder weitgehend allein: „Halbe-halbe“ werde nur in rund einem Fünftel der Haushalte – laut berufstätigen Frauen – oder rund einem Viertel – laut Männern – gelebt, berichtete Hofinger. 47 bzw. 46 Prozent gaben an, dass sich jeweils die Frau „großteils“ um den Haushalt kümmert.

Genauer betrachtet wurde zudem die Situation der rund 140.000 Pflegekräfte in Österreich, zu 83 Prozent weiblich. Fast drei Viertel müssen Mehrarbeit bzw. Überstunden leisten. Mehr als die Hälfte arbeitet im Schicht- oder Turnusdienst. Trotzdem sei die Motivation der Beschäftigten überdurchschnittlich hoch, sagte Kalliauer. Dass die Pflege bei der Berufswahl zunehmend unattraktiv zu werden drohe, sei einerseits auf die Personalknappheit im stationären Bereich ebenso wie in der mobilen Pflege sowie auf die niedrigen Einkommen zurückzuführen.