Klassischer wird’s nicht: ein Anwesen britischer Landadeliger, eine dysfunktionale Familie und ein Detektiv, der in diese Blase hineinsticht, um herauszufinden, wer den Mord begangen hat. Dieses Setting funktioniert nicht nur für einen, sondern gleich für eine Handvoll Romane von Christie. Es ist ihr Labor, in dem sie persönliche Schicksale aufeinanderkrachen lässt, in dem sie die Gefühlskälte der bürgerlichen Welt vorführt, in dem sie sich auf ihre nur auf den ersten Blick charmant-liebliche Art über die großen Träume vom Ausbruch lustig macht, die ja doch nie wahr werden.
Aber es holt sie da niemand raus, die kaputte Elite, das ist auch in „Crooked House“ („Das krumme Haus“) so, das diese Woche in den heimischen Kinos anläuft. Der alte Patriarch, offenbar ein ziemlicher Ungustl, stirbt durch eine Injektion – Gift statt Insulin –, die ihm von einem Familienmitglied verabreicht wird. Doch wer hat das Gift in das Insulinfläschchen getan? Jeder kann es gewesen sein.
Filmisches Puzzlespiel
Zum Beispiel Lady Edith de Haviland, gespielt von Glenn Close, eine extentrische Dame, die über ihre unerwiderte Liebe zum Lord, ihrem Schwager, nicht hinwegkommt. Oder Magda Leonides, eine gescheiterte Diva, bei der man wegen der schwarzen Sphinx-Perücke und dem abgehalfterten Augenringelook schon genau hinschauen muss, um Gillian Anderson zu erkennen. Sie und ihr Schriftstellermann könnten das Erbe gut brauchen, um endlich abzuhauen.
Sophia Leonides (Stefanie Martini), die Enkelin des Toten, will es wissen und engagiert ihren Ex (Max Irons), der trotz einer beginnenden, vielversprechenden Diplomaten- und Geheimdienstkarriere gekündigt hat und lieber als zweiter Mike Hammer in einer staubigen Detektei auf spärliche Aufträge wartet. Ihm steht bald die kleine Schwester von Sophia, die jüngste Enkelin (Honor Kneafsey), zur Seite – eine Beobachterin, durch deren Augen auch der Kinobesucher Schicht für Schicht in den ganz spezifischen Familienwahnwitz auf dem schönen Anwesen eintaucht.
Belohnung am Ende
Der französische Regisseur Gilles Paquet-Brenner (ein weitgehend unbeschriebenes Blatt) hat sich dabei – nicht zu Unrecht – ganz auf das schauspielerische Talent seiner Truppe verlassen und auf jede Neuinterpretation, auf jeden Schnickschnack verzichtet. Genauso hätte man die Geschichte auch schon vor 50 Jahren verfilmen können. Das ist zunächst einmal durchaus irritierend. So, als wäre man nicht im Blockbuster-Kino, sondern wäre beim Zappen im dritten Programm eines Öffentlich-Rechtlichen am Montagvormittag gelandet, wo rechtefreie alte Schwarz-Weiß-Filme laufen.
Das Tempo der Inszenierung ist spürbar ein anderes, als man es sonst heutzutage aus dem Kino kennt, von den Streamingplattformen ganz zu schweigen. Gut vorstellbar, dass ein junges Publikum da öfter aufs Smartphone schauen wird, wie spät es ist und wie lange es noch dauert. Im Finale werden dann aber alle belohnt – denn das ist für Agatha-Christie-Verhältnisse äußerst ungewöhnlich und überraschend.