VP-Sozialsprecher August Wöginger, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
APA/Roland Schlager
Mindestsicherung

Koalition unterstreicht „Arbeitsanreize“

Die ÖVP-FPÖ-Koalition hat am Mittwoch die Absichtserklärung für die Neuregelung der Mindestsicherung im Ministerrat beschlossen. Bei der anschließenden Präsentation lobte die Koalition vor allem die „Treffsicherheit“ des neuen Systems und strich die damit einhergehenden „Arbeitsanreize“ hervor.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sowie ÖVP-Obmann August Wöginger: Gleich zu viert traten die Vertreter und die Vertreterin der Koalition nach dem Ministerrat vor die wartenden Medien. Umso einhelliger fielen die Stellungnahmen der Regierungsvertreter und des Parlamentariers aus.

Zum einen pochten vom Kanzler abwärts alle auf die „Treffsicherheit“ des neuen Systems. In der Auslegung der Regierung bedeutet das: Auf der einen Seite stünden „besonders Schutzbedürftige“ wie Menschen mit Behinderung oder Pflegebedürftige. Diese würden in Zukunft mehr erhalten, sagte Kurz. Auf der anderen Seite verortet die Koalition „Integrationsunwillige und jene, die arbeiten können aber nicht wollen“. Für die gebe es weniger. Österreich habe bereits mehr Mindestsicherungsbezieher als das Burgenland Einwohner, und jeder zweite sei Ausländer. „Wir haben eine massive Zuwanderung in das System der Mindestsicherung“, so Kurz.

„Verpflichtende Arbeitsbereitschaft“

In den Worten von Vizekanzler Strache klang das so: „Das Ziel muss es sein, die Zuwanderung in unser Sozialsystem zu stoppen, zu reduzieren.“ Zugleich hieß es von Strache aber auch, „die Mindestsicherung darf nicht zur sozialen Hängematte verkommen. Für niemanden – auch nicht für Österreicher.“ Eine „verpflichtende Arbeitsbereitschaft muss vorhanden sein“, so der FPÖ-Chef. Das war denn auch der zweite Gesichtspunkt, unter dem die Koalition ihr Reformpaket für die Mindestsicherung verstanden wissen wollte.

Es gehe darum, „Arbeitsanreize“ zu schaffen, so Kurz. Zuvor hatte er davon gesprochen, möglichst viele auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Man wolle die Menschen dazu bringen, genug zu verdienen, um sich selbst versorgen zu können. „Sozial ist das, was stark macht“, sagte der Kanzler. Das neue Modell werde dazu beitragen, "dass die Zahl der Arbeitslosen zurückgehen wird. Zugleich werde damit der „Fleckerlteppich“ der unterschiedlichen Länderregelungen beendet.

VP-Sozialsprecher August Wöginger, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
APA/Roland Schlager
Sie habe „viele Dialoge“ geführt, um die „Treffsicherheit“ des neuen Systems zu erreichen, so die Sozialiministerin

Sozialministerin Hartinger-Klein verwies in diesem Zusammenhang auch auf die mangelnden Daten, die bisher von den Ländern geliefert worden seien. In Zukunft müssten die Länder die entsprechende „Transparenzdatenbank“ befüllen. Das ist laut der Sozialministerin auch nötig, um „strengere Sanktionen bei Verstößen“ durchsetzen zu können.

„Punktation“ beschlossen

Konkret beschlossen wurde im Ministerrat eine „Punktation“ zur Mindestsicherung neu, also eine politische Absichtserklärung. Der genaue Gesetzesentwurf soll im Lauf der Woche folgen und sechs Wochen begutachtet werden. Dieses „Rahmengesetz“ ersetzt die 2016 ausgelaufene Bund-Länder-Vereinbarung über Mindeststandards bei der Mindestsicherung. Für Einzelpersonen sieht es einen Höchstbetrag von 863 Euro vor, bei Paaren maximal 1.208 Euro. Bezieher mit schlechten Deutschkenntnissen sollen ein Drittel weniger bekommen. In besonders teuren Städten sind zusätzliche Sachleistungen möglich, die aber mit 30 Prozent der Mindestsicherung gedeckelt werden.

Einschnitte für Familien

Besonders starke Einschnitte bedeuten die Regierungspläne für Familien mit Kindern (2017 waren laut Statistik Austria 81.334 von 231.390 Mindestsicherungsbeziehern Kinder). Denn für das erste Kind gibt es künftig rund 216 Euro monatlich, für das zweite 130 und ab dem dritten nur noch 43 Euro.

Allerdings soll der Kinderabsetzbetrag nun doch nicht, wie ursprünglich erklärt, von der Mindestsicherung abgezogen werden. Die Bezieher dürfen ihn doch behalten. Zur Erklärung: In den Unterlagen zur Reform ist davon die Rede, dass die 58,40 Euro pro Kind ab Herbst 2019 von der Mindestsicherung abgezogen werden. Das Sozialministerium bezeichnete das nun als „Fehler in der Unterlage“.

Korrektur bei Absetzbetrag

Im Pressefoyer nach dem Ministerrat hatte Hartinger-Klein noch angekündigt, dass die Alleinverdiener- und Kinderabsetzbeträge bei der Mindestsicherung ab Herbst 2019 „in voller Höhe leistungsmindernd angerechnet“ werden. Sprich: Die Mindestsicherung für Familien sollte ab Herbst 2019 um 59,4 Euro pro Kind gekürzt werden.

Am Nachmittag folgte dann eine Korrektur: „Uns ist gestern leider ein Fehler in der Unterlage passiert. Die Anrechnung der Kinderabsetzbeträge (58,40 pro Monat und pro Kind) sowie der Alleinverdienerabsetzbetrag werden bei der Sozialhilfe nicht mindernd angerechnet“, hieß es aus dem Sozialministerium in einer schriftlichen Mitteilung an die APA.

Kurz begründete diese starken Kürzungen für Mehrkindfamilien damit, dass berufstätige Familien häufig nicht viel mehr Geld zur Verfügung hätten als Mindestsicherungsbezieher mit vielen Kindern. „50 Prozent der Menschen verdienen weniger als 1.800 Euro netto“, meinte Kurz. Das bedeute, dass es für Menschen in kinderreichen Familien gar nicht mehr attraktiv sei, arbeiten zu gehen. Und Wöginger dazu: „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein.“

ORF-Reporter Dittlbacher über die Mindestsicherung

Die Regierung hat am Mittwoch die neue Mindestsicherung präsentiert. ORF-Reporter Fritz Dittlbacher erklärt die politische Intention hinter der Reform der Mindestsicherung.

Abgefedert werden diese Kürzungen bei alleinerziehenden Eltern: Sie erhalten einen Zuschlag (103,5 Euro bei einem Kind, 233 Euro bei drei Kindern), Menschen mit Behinderung erhalten 155 Euro mehr. Nicht durchgesetzt hat sich die FPÖ dagegen mit ihrer Forderung, den Vermögenszugriff auf „Aufstocker“ in die Mindestsicherung abzuschaffen. Allerdings wurden die aktuellen Regelungen abgemildert: Auf selbst benutztes Wohneigentum soll erst nach drei Jahren (nicht schon nach sechs Monaten) zugegriffen werden, außerdem dürfen Mindestsicherungsbezieher 5.200 Euro in bar behalten (bisher 4.300).

Beitragsjahre sollen entscheidend sein

Keinen Vermögenszugriff wird es laut Koalition auch in Zukunft für die Menschen in der Notstandshilfe geben. Dass diese auch in der Reform des Arbeitslosengeldes bestehen bleibe, versicherte die Regierungsspitze am Mittwoch erneut. Wer lange genug gearbeitet habe, der werde auch weiterhin nicht in die Mindestsicherung fallen, hieß es von der Regierung.

Konkrete Angaben zu den Voraussetzungen für einen unbefristeten Verbleib in der Notstandshilfe konnte die Regierungsspitze am Mittwoch aber noch nicht machen und verwies auf noch anstehende Verhandlungen. Auf die Frage, ob etwa jemand, der zehn bis 15 Jahre gearbeitet hat, und mit 40 Jahren arbeitslos wird, dann unbefristet die Notstandhilfe beziehen kann, sagte Strache allerdings: „So ist es.“ Wichtig sei es aber, einen Unterschied zwischen Kurz- und Langzeitbeschäftigten herzustellen.

Die Regierungsspitze übte bei diesem Thema insbesondere Kritik an der SPÖ. Kurz und Strache sprachen von einer „Stimmungsmache“, die großen Personengruppen Angst mache. Das sei „unredlich“. Zugleich verwehrten die Regierungsvertreter sich gegen zeitlichen Druck für Reform. „Schauen wir, dass wir es bis Herbst nächsten Jahres schaffen, vielleicht wird es Ende nächsten Jahres. Aber im nächsten Jahr ist die Zieldefinition“, so Strache.