Das neue Asylquartier für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen
ORF/Rohrhofer
Jugendliche hinter Stacheldraht

Asylquartier laut Behörde „ungeeignet“

Die Unterkunft für auffällige und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im niederösterreichischen Grenzort Drasenhofen hat auch am Freitag die Gemüter bewegt. Während von vielen Seiten Kritik kam, verteidigte Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) die Sicherungsmaßnahmen und stellte sich gegen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Die Jugendanwaltschaft betonte, das Quartier sei „nicht geeignet“.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Niederösterreich kam Freitagnachmittag nach einem Lokalaugenschein zum Schluss, dass das Asylquartier „aus jugendrechtlicher Sicht im derzeitigen Zustand nicht geeignet“ ist. Und: „Der Stacheldraht ist jedenfalls mit Jugendrechten nicht vereinbar und unverzüglich zu entfernen.“

„Auch Jugendliche im Asylverfahren und solche mit rechtskräftig negativem Asylbescheid haben – so wie alle anderen Jugendlichen – ein Recht auf adäquate jugendgerechte Betreuung, auch wenn ihnen Fehlverhalten vorgeworfen wird“, stellte die Kinder- und Jugendanwaltschaft unter der Leitung von Gabriela Peterschofsky-Orange am Freitag fest.

Die Jugendlichen seien aus Drasenhofen „bis zur Herstellung eines geeigneten Zustands zu verlegen – und es muss eine geeignete Betreuung sichergestellt werden. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Niederösterreich fordert die zuständigen Stellen auf, die Einhaltung der Jugendrechte für die Jugendlichen zu gewährleisten“, hieß es in einer Aussendung.

Flüchtlinge kommen in anderes Quartier

Die Empfehlungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft seien „umgehend umzusetzen“, reagierte Mikl-Leitner. Sie habe Landesrat Waldhäusl informiert und mit der Bezirkshauptfrau von Mistelbach, Gerlinde Draxler, gesprochen. Letztere werde „die entsprechenden Maßnahmen sofort einleiten“, so Mikl-Leitner am Freitagnachmittag. Waldhäusl war mittags noch davon ausgegangen, dass die Überprüfung durch die Behörde zum Ergebnis führen werde, „dass alles rechtlich in Ordnung ist“.

Die jugendlichen Flüchtlinge, die in der umstrittenen Einrichtung in Drasenhofen untergebracht sind, werden nun zumindest vorerst woanders untergebracht. Eine Schließung der Einrichtung in Drasenhofen bedeutet das freilich nicht. Sollte Landesrat Waldhäusl es schaffen, das Gebäude in einem für Flüchtlinge geeigneten Rahmen umzugestalten, könnten wieder Flüchtlinge zurückkehren.

Waldhäusl verteidigte Vorgehen

Zuvor hatte Mikl-Leitner eine Behandlung des Themas in der nächsten Landesregierungssitzung angekündigt. Waldhäusl erklärte, dass der viel kritisierte mobile Zaun um die Unterkunft samt Stacheldraht zum Schutz der untergebrachten Jugendlichen diene. „Menschen wollten von außen drüberklettern“, gleich am ersten Tag habe es jemand versucht. Der Stacheldraht werde auch weiterhin bleiben, bekräftigte Waldhäusl, nachdem Mikl-Leitner festgestellt hatte, dass der Draht „dort nichts verloren“ habe.

Vergleichen mit einem Gefängnis trat der FPÖ-Landesrat bei einer Pressekonferenz in Waidhofen an der Thaya entgegen. „Wer sagt, dass das ein Gefängnis ist, war wahrscheinlich schon lange nicht mehr dort.“ Ein mobiler Zaun, wie er zur Sicherung der Unterkunft verwendet werde, „befindet sich bei jeder Baustelle“. Über den mobilen Zaun ist allerdings eine Reihe Stacheldraht gezogen.

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ)
APA/NLK Burchhart
Mikl-Leitner und Waldhäusl sind beim Asylquartier nicht einer Meinung

Die Jugendlichen könnten in Begleitung das Gelände verlassen, versicherte der FPÖ-Politiker. Sieben Bewohner der Unterkunft seien bereits untergetaucht. „Die sind in Begleitung raus, in ein Taxi gestiegen und weggefahren. Wir geben sie danach zur Fahndung aus, wenn sie aufgegriffen werden, werden sie zurückgebracht“, schilderte Waldhäusl, der angab, dass aktuell zwölf Personen im Quartier untergebracht seien.

Heftige Kritik der Opposition

Heftige Kritik setzte es vonseiten der anderen Landtagsparteien, also SPÖ, NEOS und Grünen – mehr dazu in noe.ORF.at. Aber auch auf Bundesebene gab es harsche Worte von der Opposition. SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz sprach von einer „Schande für Österreich“.

NEOS-Integrationssprecherin Stephanie Krisper sprach in einer Aussendung von „massiver Menschenrechtsverletzung“. Die FPÖ zeige ihr wahres, „fremdenfeindliches Gesicht“. Das Quartier ist laut NEOS sofort zu schließen. „Überforderung“ bei Waldhäusl ortete auch Alma Zadic, Menschenrechtssprecherin von Jetzt. Waldhäusl sei ein „rechts-rechter Politrabauke und Hetzer“, so Zadic, die den Rücktritt des Landesrates forderte.

Bürgermeister: „Total unglücklich“

Caritas-Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner forderte die Schließung der Unterkunft. Drasenhofens Bürgermeister Reinhard Künzl (ÖVP) zeigte sich mit dem Quartier in seiner Gemeinde im Gespräch „total unglücklich“. Er wolle die Causa nächste Woche persönlich mit Waldhäusl besprechen.

Für FPÖ ein „Vorzeigeprojekt“

Unterstützung für die Herangehensweise in und um die Unterkunft kam indes vom geschäftsführenden Landesobmann der FPÖ Niederösterreich, Udo Landbauer: „Drasenhofen ist ein Vorzeigeprojekt für die Unterbringung auffälliger Asylwerber."

FPÖ-Vizeparteichef Norbert Hofer geht davon aus, dass das Asylquartier im Bezirk Mistelbach gesetzeskonform ist, wie der Verkehrsminister am Freitag in Brüssel betonte. Die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP), sieht Waldhäusl in der Pflicht. Man müsse für menschenwürdige Bedingungen in der Einrichtung sorgen – sie gehe davon aus, dass Waldhäusl das auch ermögliche.

Justizminister äußert sich nicht

Vorerst nicht äußern wollte sich ÖVP-Justizminister Josef Moser. Er könne eine Beurteilung „nicht treffen“, weil er die entsprechenden Unterlagen nicht habe, sagte Moser am Freitag am Rande einer EU-Justizkonferenz in Wien vor Journalisten. „Ich kenne den Sachverhalt nicht.“ Die Justiz sei „immer eine, die unabhängig agiert, die sachkompetent agiert“, sagte Moser.

„Bevor man einen Sachverhalt tatsächlich beurteilen kann, ist eine Aussage eine vorschnelle Aussage und würde genau das beeinträchtigen, was die Justiz nicht haben will, nämlich dass man voreingenommen und nicht ausgehend von Fakten seine Entscheidungen trifft."