Chatverlauf auf Smartphone
Getty Images/Tom Werner
Beispiellose Überwachung

Australien erzwingt Zugriff auf Messenger

Australien weitet die Überwachung im Internet in beispielloser Weise aus. IT-Firmen müssen den australischen Behörden in Zukunft bei der Überwachung von Verdächtigen helfen – und dabei auf Verlangen sogar gezielt Schwachstellen in Produkte wie den Messenger-Dienst WhatsApp einbauen. Das Land geht damit weiter als jede andere westliche Demokratie.

„Assistance and Access“ (dt.: „Unterstützung und Zugriff“) ist das am Donnerstag vom Parlament beschlossene Gesetz übertitelt und damit bereits im Kern umschrieben: IT-Firmen müssen in Zukunft Polizei und Behörden unterstützen – und zwar beim Zugriff auf die elektronische Kommunikation von Verdächtigen. Das kann bis zum Entschlüsseln von Nachrichten und Einbau von versteckten Zugängen in die entsprechenden Programme reichen.

Eine wirkliche Wahl lässt das Gesetz, das bereits mit Jahresende in Kraft treten soll, den Unternehmen dabei nicht. Zwar sieht es auch eine Bitte um freiwillige Mitarbeit vor. Zugleich können die Behörden die Anbieter von Messenger-Diensten wie WhatsApp aber auch zwingen, ihnen Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation zu gewähren. Ist das aus technischen Gründen nicht möglich, können die Unternehmen auch verpflichtet werden, neue Funktionen einzuführen, die dann eine Überwachung ermöglichen.

Behörden können Stillschweigen verordnen

Dazu kommt: Sehen es die Behörden für nötig an, können sie den Anbietern Stillschweigen über ihre Anfragen auferlegen. All das gilt sowohl für australische als auch ausländische Unternehmer. Und es macht auch keinen Unterschied, wenn ein Empfänger der Nachrichten sich gar nicht in Australien aufhält.

Teuer wird es jedenfalls für all jene, die sich weigern, mit den Behörden zu kooperieren. Das Gesetz sieht Geldstrafen von bis zu 7,3 Millionen australischen Dollar (4,6 Mio. Euro) für Institutionen sowie Gefängnisstrafen für Individuen vor, die es versäumen, angefragte Daten im Zusammenhang mit mutmaßlichen illegalen Aktivitäten bereitzustellen.

Regierung argumentiert mit Terrorgefahr

Australiens Regierung drängte darauf, das Gesetz noch vor der Sommerpause des australischen Parlaments durchzubringen, und verwies auf die Gefahr möglicher Terrorangriffe noch während der Feiertage. Nach kleinen Zugeständnissen stimmte schließlich auch die Opposition dafür. So müssen etwa weitreichende Eingriffe sowohl vom Justizminister als auch vom Kommunikationsminister bewilligt werden. Darüber hinaus versprach die Regierung, sie werde im kommenden Jahr über weitere Abänderungen beraten und das Gesetz nach 18 Monaten einer Evaluierung zu unterziehen.

Ebenso versicherte die Regierung am Donnerstag erneut, dass Unternehmen keine „systemischen Schwachstellen“ in ihre Produkte einbauen müssten. Das steht auch im Gesetz, wenngleich offenbleibt, was genau darunter zu verstehen ist. Laut Justizminister Christian Porter soll in Zukunft ein Richter darüber entscheiden, ob eine Änderung so schwerwiegend ist, dass sie auch die restlichen Nutzer der Software gefährdet.

Protest blieb ungehört

Dass eine künstliche Schwachstelle zur willkommenen Angriffsfläche für Hacker werden könnte, ist allerdings nur einer der Gründe, warum sowohl Datenschützer als auch mögliche betroffene Konzerne gegen das neue Gesetz Sturm liefen. Sie warnten, ein solches Gesetz gefährde die Sicherheit von Individuen und schwäche die Datensicherheit. Zudem fürchten sie, Australien könne anderen Ländern als Präzedenzfall dienen. Bedenken kamen auch vom australischen Juristenbund, und auch der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Privatspähre äußerte sich besorgt.

Datenschützer wiesen überdies darauf hin, dass Australien Geheimdienstinformationen mit den USA, Kanada, Großbritannien und Neuseeland austauscht. Auf diesem Weg könnten ausländische Ermittler an Daten der Internetüberwachung in Australien gelangen. Die Regierung verteidigte ihr Gesetz und betonte, es handle sich lediglich um eine zeitgemäße Form der früheren Telefonüberwachung.