Gelbwesten-Demonstrant
Reuters/Stephane Mahe
„Gelbwesten“-Proteste

Paris wappnet sich für das Schlimmste

Am Samstag wird das Zentrum von Paris einer belagerten Stadt gleichen. Die Regierung fürchtet ein seltenes Ausmaß an Gewalt am Rande der „Gelbwesten“-Proteste. Paris-Besuchern stehen nicht viele Optionen offen – zahlreiche Sehenswürdigkeiten und Geschäfte bleiben geschlossen, die wichtigsten Spiele der Fußballliga wurden abgesagt.

Insgesamt werden am Samstag in ganz Frankreich 89.000 Polizisten und Polizistinnen eingesetzt, 8.000 davon in Paris. Premierminister Edouard Philippe sprach von einer „außergewöhnlichen Mobilmachung“. Szenen der Verwüstung wie am vergangenen Wochenende, als Autos in Flammen aufgingen, Geschäfte geplündert und 400 Menschen festgenommen wurden, sollen vermieden werden.

Dass das gelingt, darf bezweifelt werden: Für Samstag rufen die „Gelbwesten“ („Gilets Jaunes“) sogar zum Sturm auf den Amtssitz von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, den Elysee-Palast, auf. Auf die Frage eines Journalisten, was die Aktivisten dort planten, sagte einer ihrer Vertreter, der Lastwagenfahrer Eric Drouot: „Wir gehen rein.“ Inzwischen wurden gegen Drouot Ermittlungen wegen Anstiftung zu Gewalt und Aufruf zu einer ungenehmigten Versammlung eingeleitet.

Bereits vor Beginn der Proteste wurden Samstagfrüh 278 Personen in Paris festgenommen. Grund sei in vielen Fällen gewesen, dass die Menschen sich einer Gruppe angeschlossen hätten, die „Gewalt gegen Personen oder die Zerstörung von Gegenständen“ vorbereitet habe, hieß es.

Protestierende vor dem Arc de Triomphe in Paris
Reuters/Stephane Mahe
Die Bilder des vergangenen Wochenendes dürften sich am Samstag wiederholen

Es ist das vierte Wochenende in Folge, an dem mit großen Aktionen im Land protestiert wird. Die „Gelbwesten“ demonstrieren seit Mitte November gegen geplante Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel – mittlerweile wurde diese zurückgenommen. Doch der Protest lässt sich nicht mehr einfangen und richtet sich nun direkt gegen die Regierung und vor allem Präsident Macron.

„Die letzten drei Wochen haben ein Monster entstehen lassen, das seinen Erzeugern entgleitet“, sagte Innenminister Christophe Castaner. Die Sicherheitskräfte wollen am Samstag erstmals seit Jahrzehnten ein Dutzend gepanzerte Fahrzeuge der Gendarmerie einsetzen, um brennende Barrikaden aus dem Weg räumen zu können.

Touristen bleibt vieles verwehrt

Zahlreiche Touristenattraktionen bleiben vorsichtshalber geschlossen: Dazu zählen neben Eiffelturm und Louvre auch andere Museen, darunter das Musee d’Orsay und die Katakomben. „Wir müssen unsere Kulturstätten in Paris und überall in Frankreich schützen“, sagte Kulturminister Franck Riester. Auch bekannte Kaufhäuser wie die Galeries Lafayette und Printemps bleiben nach Angaben der Betreiber aus Furcht vor Chaos und Plünderungen geschlossen. Der in der Nähe des Triumphbogens niedergelassene Motorradhändler Ducati ließ seine teuren Gefährte vor dem Wochenende sogar wegbringen.

Zerstörte Haltestelle
Reuters/Benoit Tessier
Die Regierung hat allein in Paris rund 8.000 Sicherheitskräfte mobilisiert, landesweit sind 89.000 im Einsatz

Die Polizeipräfektur wies Geschäfte und Restaurants auf den Champs-Elysees an, ihre Zugänge zu versperren. Auch die Umgebung des Elysee-Palasts wird abgeriegelt. Weitere Brennpunkte könnten die Gegend rund um die historische Oper sein, der Concorde-Platz sowie der Bastille-Platz. Wie auch am vergangenen Wochenende dürften einige Metrostationen in der Innenstadt schließen. Aktuelle Informationen gibt es auf der Website oder in der App des Nahverkehrsanbieters RATP, auch in deutscher Sprache.

Die Protestbewegung fordert den Rücktritt des Präsidenten sowie allgemeine Steuersenkungen, höhere Pensionen und Löhne. Die bisherigen Zusagen der Regierung – keine Erhöhung der Ökosteuer im kommenden Jahr und stabile Strom- und Gaspreise – reichen ihr nicht mehr aus. Sie erzürnt unter anderem, dass Macron eine Rückkehr zur Vermögenssteuer kategorisch ausschließt, nachdem seine Regierung ein Einlenken angedeutet hatte.

Eine zerstörte französische Flagge und eine gelbe Weste
Reuters/Vincent Kessler
Die Proteste sind getrieben von der Wut auf und die Abneigung gegen Macron

Die Aktivisten verfolgen keine einheitliche Strategie im Umgang mit der Regierung: Gemäßigte wollen verhandeln, militante Kräfte lehnen das ab. Einzelne „Gelbwesten“ riefen dazu auf, den Protesten in Paris fernzubleiben, um der Regierung nicht in die „Falle“ zu gehen. Sie fürchten, dass die Bewegung durch Gewalt diskreditiert wird. Ein Vertrauter des Staatschefs kündigte an, Macron werde sich zu den Protesten vorab nicht äußern, um „kein Öl ins Feuer zu gießen“. Eine öffentliche Stellungnahme sei aber für Anfang kommender Woche geplant.

Gewalt gegen Schüler

Während in Frankreich die Anspannung vor dem Wochenende wuchs, sorgten Videoaufnahmen von einem früheren Polizeieinsatz in Mantes-la-Jolie nordwestlich von Paris für Empörung. In den Sozialen Netzwerken kursierten Bilder von Dutzenden festgenommenen Schülerinnen und Schülern, die vor Polizisten auf dem Boden knien und die Hände auf dem Kopf halten müssen.

Bildungsminister Jean-Michel Blanquer sagte dazu: „Es hat schockierende Bilder gegeben, weil wir uns in einem Klima außergewöhnlicher Gewalt befinden.“ Er betonte jedoch, man müsse die Bilder in ihrem Kontext betrachten – „in einer Zeit, in der die Sicherheitskräfte in ganz Frankreich im Einsatz sind, mit enormen Schwierigkeiten und mit unvorstellbaren Risiken“.