Adler im Plenarsaal
ORF.at/Roland Winkler
Schule bis Kassenreform

Dichtes Programm für Nationalrat

Vor der Weihnachtspause stehen im Nationalrat ab Dienstag noch drei Marathontage auf der Agenda. Behandelt werden die drei Volksbegehren, aber auch kontroverse Themen wie die Sozialversicherungsreform, das Pädagogikpaket und das Standortgesetz. Das heftig kritisierte „Ermächtigungsgesetz“ zur Kassenreform wird jedenfalls nicht kommen.

Nach einer Ersten Lesung am Dienstag wird das Frauenvolksbegehren mit 481.959 Unterschriften dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen. Das erfolgreichste Begehren, „Don’t Smoke“ mit 881.692 Stimmen, das ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie fordert, kommt in den Gesundheitsausschuss. Das „ORF ohne Zwangsgebühren“-Volksbegehren wird an den Verfassungsausschuss weiter geleitet.

Den Innenausschuss des Nationalrats passierte die Ausweitung des Verbots extremistischer Symbole bereits. Nun kommt sie ins Plenum. Neben den Zeichen des Islamischen Staates und der Al-Kaida werden nun auch jene der kroatischen Ustascha, der türkischen Grauen Wölfe und anderer extremistischer Organisationen, deren Ziele im Widerspruch zu den Grundwerten Österreichs stehen, verboten. Zu den Symbolen zählen nicht nur Abzeichen und Embleme, sondern auch Gesten.

Waffen in Freizeit auch für Justizwache

Eine Novelle des Waffengesetzes ermöglicht Justizwachebeamten und Militärpolizisten, auch in ihrer Freizeit Pistole und Revolver bei sich zu führen. Asylwerbern wird künftig verboten, Hieb- und Stichwaffen bei sich zu tragen. Mit beschlossen wird zudem eine Verschärfung der Verlässlichkeitsprüfung gemäß Polizeilichem Staatsschutzgesetz. Anlass war der Fall des bekannten Neonazis, der unter anderem im BVT-Untersuchungsausschuss als Security zum Einsatz gekommen war.

Für Grenzkontrollen auf dem Flughafen Schwechat sollen künftig auch speziell ausgebildete Verwaltungsbedienstete anstelle von Polizisten zu Ein- und Ausreisekontrollen herangezogen werden.

Tabak zum Erhitzen aus der Trafik

Mit der Zivildienstgesetznovelle soll der Heeresersatzdienst attraktiver werden. So gibt es Erleichterungen für Zivildiener, die sich nach der vollständigen Ableistung bei der Polizei oder bei der Justizwache bewerben wollen. Bei längerem Krankenstand können Zivildiener leichter (vorübergehend) entlassen werden. Die Anerkennung einer Trägerorganisation kann entzogen werden, wenn sie drei Jahre lang keinen Zivildiener angefordert hat.

Bisher gab es keinen legalen Weg, Tabak zum Erhitzen in Österreich zu bekommen. Das soll sich mit der Novelle des Tabakmonopolgesetzes, das am Dienstag in den Nationalrat kommt, ändern. Künftig soll dieser „Dampf-Tabak“ auch in Trafiken verkauft und damit auch versteuert werden. Produkte wie diese werden bereits in 22 EU-Ländern verkauft.

Sitzenbleiben und Ziffernnoten

Der Mittwoch steht zunächst im Zeichen der Bildung. Mit dem von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann eingebrachten Pädagogikpaket sollen an Volksschulen wieder Ziffernnoten und Sitzenbleiben ab der zweiten Klasse eingeführt werden. Die Neuen Mittelschulen (NMS) verlieren das Wort „Neu“ in ihrem Namen und sollen ab der sechsten Schulstufe mit zwei Leistungsniveaus geführt werden.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP)
APA/Herbert Neubauer
Das Pädagogikpaket von ÖVP-Bildungsminister Faßmann steht im Nationalrat am Mittwoch auf dem Programm

Auf Initiative von NEOS soll zudem das Arbeitsrecht für Forschende an Universitäten verbessert werden, etwa durch eine neue Kettenvertragsregelung. Derzeit können Verträge an Universitäten nur unbefristet oder auf maximal sechs Jahre befristet vergeben werden.

Kritik am Standortgesetz bleibt

Ebenfalls auf dem Programm steht das stark kritisierte Standortentwicklungsgesetz. Damit sollen Verfahren für standortrelevante Großprojekte beschleunigt werden. Welche Vorhaben darunter fallen, entscheidet das Wirtschaftsministerium. Innerhalb von 18 Monaten soll künftig Klarheit über das jeweilige Projekt herrschen. Nach heftigem Widerstand wurde der nach dieser Frist geplante Genehmigungsautomatismus bei Umweltverträglichkeitsprüfungen gestrichen. Die Kritik von Umweltschutzorganisationen bleibt aber aufrecht. Sie sehen darin einen Angriff auf Umweltschutz und Rechtsstaatlichkeit.

Mit der Novelle des EU-Government-Gesetzes wird der Einsatz der Bürgerkarte erweitert. Künftig sollen An- und Ummeldungen im Zentralen Melderegister möglich sein. Ein digitaler Babypoint soll die Behördenwege nach der Geburt eines Kindes vereinfachen.

Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker

Zustimmen muss der Nationalrat auch dem Gehaltsabschluss für den Öffentlichen Dienst. Ab 1. Jänner werden die Beamtengehälter auf Bundesebene durchschnittlich um 2,76 Prozent steigen. Für hohe Politikergehälter kommt hingegen eine Nulllohnrunde. Betroffen sind vor allem das Gehalt des Bundespräsidenten, der Regierungsmitglieder, der Staatssekretäre, des Nationalratspräsidenten und der Klubobleute. Parlamentsabgeordnete bekommen ein an der Inflationsrate angelehntes Plus von zwei Prozent.

Adaptiert wird zudem das Ausschreibungsgesetz. Die Opposition befürchtet, dass damit politische Beamte ohne Ausschreibung in der Verwaltung installiert werden könnten. Laut Regierungsfraktionen geht es aber nur um Unterstützungspersonal für den im Bundeskanzleramt angedockten Thinktank „Think Austria“.

Kassenreform ohne „Ermächtigungsgesetz“

Am Donnerstag wird die intensiv diskutierte Reform des Sozialversicherungssystems beschlossen. Das bereits im November vom Nationalrat beschlossene und von der Opposition heftig kritisierte „Ermächtigungsgesetz“ soll wieder eliminiert werden. Mit dieser Bestimmung hätte Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) notwendige „Vorbereitungshandlungen“ für jedes Gesetzesvorhaben im Bereich der Sozialversicherungsgesetze setzen dürfen, sofern ein entsprechender Entwurf bereits in parlamentarischer Handlung steht. Es hatte aber die Aufhebung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) gedroht.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ)
APA/Herbert Neubauer
Hartinger-Klein soll keine „Vorbereitungshandlungen“ bei den Sozialversicherungsgesetzen setzen dürfen

Kommen wird aber die Reduktion der bisher 21 Sozialversicherungsträger auf fünf, die Reduktion der Funktionäre und die Umwandlung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger zu einem Dachverband. Die neun Gebietskrankenkassen werden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengefasst. Diese soll einen österreichweiten Gesamtvertrag für die Ärztehonorare schließen. Dadurch sollen die dort Versicherten gleiche Leistungen für gleiche Beiträge bekommen.

Ärzte dürfen Ärzte anstellen

Beschlossen wird im Nationalrat auch das neue Ärztegesetz. Neu ist, dass Ärzte nun andere Ärzte anstellen können. Geregelt wird auch, dass Ärzte Maßnahmen setzen dürfen, „deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegt“. Nach Widerstand von Wirtschaftskammer und von Anbietern alternativer Verfahren wie Osteopathen wurde der ursprünglich geplante Ärztevorbehalt für komplementär- und alternativmedizinische Heilverfahren herausgenommen.

Aufteilung von Bund-Länder-Kompetenzen

Weitere Schritte geht der Nationalrat auch in der Frage der Kompetenzaufteilung von Bund und Ländern. Die Kinder- und Jugendhilfe wird nun verländert. Künftig werden die Mindeststandards nicht mehr in einem Bundesgesetz geregelt, sondern durch einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern, die diesen 15a-Vertrag dann in ihre neun Landesgesetze einbauen müssen. Zum Bund wandert im Gegenzug die Zuständigkeit für den Datenschutz.

Außerdem werden gegenseitige Zustimmungsrechte von Bund und Ländern gestrichen: Letztere dürfen ihre Landesamtsdirektoren künftig im Alleingang bestellen, Städten über 20.000 Einwohnern das Stadtrecht verleihen und die Bezirksgrenzen neu ziehen. Dafür haben die Länder kein Vetorecht mehr gegen die Änderung der Gerichtssprengel – der Bund kann Bezirksgerichte also im Alleingang fusionieren. Wieder aus dem Paket gestrichen wurde dagegen die Neuformulierung des Grundrechts auf Datenschutz.