EZB-Gebäude
AP/Michael Probst
Aus für Anleihekäufe

EZB verabschiedet sich von Krisenmodus

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag das Aus ihrer Anleihekäufe angekündigt. Das bedeutet aber keine sofortige Kehrtwende der europäischen Währungshüter: Der Leitzins bleibt unverändert niedrig – das soll sich frühestens im Herbst nächsten Jahres ändern. Auch auf dem Anleihemarkt wird die EZB weiter eine gewichtige Rolle einnehmen.

Nur noch bis zum Ende des Jahres will die EZB frische Milliarden in den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen stecken. Das beschloss der EZB-Rat in Frankfurt. Das Kaufvolumen seit Beginn des Programms im März 2015 bis zum Jahresende beläuft sich auf insgesamt rund 2,6 Billionen Euro.

Gelder aus auslaufenden Papieren will die Notenbank dennoch wieder in Anlagen investieren – und zwar über den Zeitpunkt hinaus, an dem die EZB die Leitzinsen wieder anhebt. „Das Anleihenkaufprogramm ist nicht beendet, es geht weiter“, sagte auch EZB-Präsident Mario Draghi. Damit dürfte die EZB noch einige Zeit ein wichtiger Teil des Anleihemarkts bleiben, denn eine Leitzinsanhebung ist frühestens nächstes Jahr zu erwarten.

Leitzinserhöhung womöglich erst nach Draghi-Ära

Bis dahin soll der Leitzins im Euro-Raum weiterhin auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent bleiben – Geschäftsbanken bekommen somit Zentralbank-Geld weiterhin zum Nulltarif. Die Wende hin zu höheren Zinsen wollen die Währungshüter frühestens im Herbst 2019 einläuten.

Mario Draghi
Reuters/Kai Pfaffenbach
EZB-Präsident Manuel Draghis Amtszeit endet im Herbst 2019

Die EZB bekräftigte, dass die Zinsen bis „mindestens über den Sommer 2019“ auf dem aktuellen Niveau bleiben werden. Möglicherweise erfolgt eine Zinserhöhung also erst unter dem Nachfolger von EZB-Präsident Draghi – eventuell sogar erst 2020. Die achtjährige Amtszeit des Italieners läuft Ende Oktober 2019 aus.

Strafzinssenkung als erster Schritt erwartet

Volkswirte rechnen damit, dass die EZB in einem ersten Schritt zunächst die Strafzinsen für Kreditinstitute verringern wird. Derzeit sind für geparktes Geld bei der EZB 0,4 Prozent Strafzinsen fällig. Das soll Banken animieren, das Geld lieber in Form von Krediten an ihre Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Wird mehr Geld ausgegeben, kann das die Inflation antreiben. Dauerhaft niedrige bzw. sinkende Preise könnten dazu führen, dass Investitionen aufgeschoben werden – und das kann die Konjunktur bremsen.

Zwar erreichte die Inflation im Euro-Raum das von der EZB eigentlich anvisierte Ziel von 2,0 Prozent – Auslöser waren höhere Energiepreise. Vor allem die Kerninflation – Teuerung ohne schwankungsanfällige Energie- und Nahrungsmittelpreise – sei aber immer noch zu schwach, heißt es von Experten. Deshalb könnte sich die Zinserhöhung noch weiter verzögern, so die Vermutung.

Auswirkung auf Sparzinsen noch nicht in Sicht

Die Anhebung des Hauptleitzinses ist für Sparer und Kreditnehmer wichtig, weil er sich auf die entsprechenden Zinsen der Banken auswirkt. Ist der Leitzins niedrig, gibt es vergleichsweise günstige Kreditkonditionen – umgekehrt führen die niedrigen Zinsen auf Tages- und Festgeldkonten dazu, dass Sparer durch die Inflation sogar Geld verlieren. Solange der Leitzins nicht angehoben wird, wird sich an der Situation für Kundinnen und Kunden wohl nicht viel ändern.

Ob das Ende für die Anleihekäufe endgültig ist, bleibt unterdessen offen: Grundsätzlich könnten die Währungshüter im Krisenfall auch wieder Anleihen erwerben. Erst diese Woche entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die umstrittenen Käufe erlaubt sind. Nach Einschätzung von Draghi waren die milliardenschweren Anleihenkäufe „der entscheidende Treiber der Konjunkturerholung im Euro-Raum“. Darin sehe sich die EZB auch durch das jüngste Urteil des EuGH bestärkt.

Kritiker fordern höheres Tempo

Kritiker fordern angesichts gestiegener Inflation unterdessen ein höheres Tempo beim Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik. Leider bremse die EZB ihren geldpolitischen Krisenmodus nur, stoppe ihn aber nicht, bemängelte Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), gegenüber der dpa. „Sie verhält sich nach wie vor zu zögerlich.“

Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hält das Timing für verfehlt: „Der EZB-Rat beendet die Staatsanleihekäufe jetzt zu einem Zeitpunkt, in dem sich die konjunkturelle Perspektive der Euro-Zone bereits wieder rasant verdunkelt.“

EZB senkt Prognosen

Allerdings sind gleichzeitig die Risiken für den Euro-Raum gestiegen. Die vor allem von den USA angeheizten Handelskonflikte belasten die Aussichten für die Weltwirtschaft, dazu kommen noch Bedenken wegen des „Brexit“ und die Politik in Italien.

Angesichts der schwächeren Weltwirtschaft senkte die EZB ihre Wachstumsprognosen für den Euro-Raum. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Währungsunion dürfte heuer um 1,9 Prozent und 2019 um 1,7 Prozent zulegen – noch im September hatten sie jeweils 0,1 Punkte mehr erwartet. „Unsicherheiten in Bezug auf geopolitische Faktoren, die Gefahr von Protektionismus, Anfälligkeiten in Schwellenländern und die Schwankungen der Finanzmärkte bleiben nach wie vor groß“, so Draghi. Die Binnennachfrage stütze die Konjunktur aber – ebenso die Exporte, auch wenn die Impulse geringer werden dürften.