Siedlung in Ofra
Reuters/Baz Ratner
Nach Angriff im Westjordanland

Netanjahu will neue Siedlerwohnungen

Nach einem tödlichen Angriff im besetzten Westjordanland will der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Tausende Siedlerwohnungen in dem Palästinensergebiet „legalisieren“. Netanjahu kündigte am Donnerstag an, die ohne Genehmigung errichteten Häuser rückwirkend zu genehmigen. Außerdem soll auch der Neubau von Wohnungen geprüft werden.

„Sie glauben, dass sie uns unser Land entreißen können, aber das wird ihnen nicht gelingen“, sagte Netanjahu laut einer Mitteilung seines Büros. Legalisiert werden sollen Häuser, die teilweise schon vor Jahrzehnten erbaut wurden, wie Netanjahus Büro erklärte. Außerdem will die Regierung Baugenehmigungen für Neubauten in den Siedlungen erteilen, die bisher auf Eis lagen. Konkret geht es um öffentliche Gebäude, Schulen und Synagogen. Netanjahu will auch den Neubau von 82 neuen Wohnungen in der Siedlung Ofra prüfen lassen, in deren Nähe sich der Angriff ereignet hatte.

Derzeit leben mehr als 600.000 Siedler und Siedlerinnen im seit 1967 besetzten Westjordanland und im von Israel annektierten Ostjerusalem. Ein Teil der Siedlungen wurde mit ausdrücklicher Genehmigung der israelischen Regierung errichtet, doch auch die wilden Siedlungen werden von der Regierung weitgehend geduldet.

UNO betrachtet Siedlungen als illegal

Die UNO betrachtet sämtliche israelischen Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten als illegal. International wird der israelische Siedlungsbau als eines der größten Hindernisse für eine dauerhafte Friedenslösung im Nahost-Konflikt angesehen, weil die Wohnungen auf Land errichtet wurden, das die Palästinenser für ihren Staat beanspruchen.

Benjamin Netanyahu
Reuters/Oded Balilty
Israels Premier Netanjahu reagierte nach den Angriffen im Westjordanland

Ein Palästinenser hatte am Donnerstag zwei israelische Soldaten an einer Bushaltestelle im besetzten Westjordanland erschossen. Mindestens zwei weitere Menschen wurden bei dem Angriff in der Nähe einer israelischen Siedlung verletzt, wie die Armee mitteilte. Die Attacke ereignete sich an einer großen Straße, die das Westjordanland von Norden nach Süden durchläuft. Nach Armeeangaben stieg der „Terrorist“ in der Nähe der israelischen Siedlung Ofra aus seinem Auto aus und schoss auf Soldaten und Zivilisten, die an der Haltestelle warteten. Der Angreifer konnte fliehen.

Ausschreitungen in Ramallah
APA/AFP/Abbas Momani
Das Stadtgebiet von Ramallah wurde am Donnerstag abgeriegelt, es kam zu Ausschreitungen

Die israelische Armee verlegte Hunderte zusätzliche Soldaten ins Westjordanland. Sie riegelten das Stadtgebiet von Ramallah ab, wo die Palästinensische Autonomiebehörde ihren Sitz hat. Alle Ein- und Ausfahrten der Stadt wurden gesperrt, die Sicherheitskräfte drangen in mehrere Stadtviertel vor. Dabei kam es auch zu Zusammenstößen, bei denen ein Palästinenser erschossen wurde. Nach Armeeangaben hatte der Mann versucht, mit seinem Auto Soldaten zu überfahren.

Abbas verurteilte Anschläge auf Israelis

In der Altstadt von Jerusalem stach am Donnerstag zudem ein Angreifer auf israelische Sicherheitskräfte ein. Nach Polizeiangaben wurden zwei Grenzpolizisten verletzt, der Angreifer wurde erschossen. Zu beiden Angriffen bekannte sich der bewaffnete Arm der radikalislamischen Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Anschläge auf die Israelis, aber auch die Razzien der israelischen Sicherheitskräfte. Das Eindringen in palästinensische Städte, andere „Provokationen“ und der nicht absehbare Frieden hätten zu der „inakzeptablen Serie von Gewalt“ geführt, sagte Abbas.

Notkaiserschnitt nach Anschlag: Kind tot

Nur wenige Stunden vor dem Anschlag hatte die israelische Armee die Tötung von zwei Palästinensern bekanntgegeben, die Attentate verübt haben sollen. Am Mittwochabend wurde bei Ramallah der 29-jährige Salah Omar Barghuti getötet, der an einem Angriff am Sonntag an einer Bushaltestelle bei Ofra beteiligt gewesen sein soll. Bei dem Angriff waren sieben Menschen verletzt worden, darunter eine schwangere Frau. Ärzte brachten ihr Kind per Notkaiserschnitt zur Welt, der Bub starb jedoch am Mittwoch im Krankenhaus.

Rettungskräfte nahe Givat Assaf
AP/Mahmoud Illean
Israels Armee und Rettungssanitäter am Ort des Geschehens

Bei einem weiteren Einsatz bei Nablus wurde in der Nacht der 23-jährige Palästinenser Aschraf Naalwa erschossen, der am 7. Oktober im Industriegebiet der Siedlung Barkan zwei Israelis erschossen haben soll. Die Essedin-al-Kassam-Brigaden bestätigten den Tod ihrer beiden „Kämpfer“. Seit Herbst 2015 kommt es wieder verstärkt zu Anschlägen im Westjordanland. Israel hatte 1967 im Sechstagekrieg unter anderem Ostjerusalem und das Westjordanland erobert. Die Palästinenser fordern das Gebiet für einen eigenen Staat Palästina.