Wilhelm Genazino, 2007
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1943–2018

Schriftsteller Wilhelm Genazino ist tot

Der deutsche Schriftsteller Wilhelm Genazino ist am Mittwoch im Alter von 75 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben. Bis zum Ende seines Lebens wohnte Genazino in Frankfurt am Main, wie eine Sprecherin des Carl Hanser Verlags am Freitag in München sagte. Genazino hinterlässt eine Tochter.

Genazino wurde am 22. Jänner 1943 in Mannheim geboren und lebte als freier Autor in Frankfurt. Zunächst arbeitete er als Journalist unter anderem bei der Satirezeitschrift „Pardon“. Später studierte er in der Stadt noch Germanistik. Der Autor erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen. So wurde er 2004 mit dem Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt geehrt und bekam 2014 die Goetheplakette der Stadt Frankfurt.

Genazinos Karriere begann eigentlich mit einem Flop: Sein Roman „Laslinstraße“ über die Ausbruchsträume eines Gymnasiasten in der Adenauer-Ära stieß 1965 auf wenig Resonanz. Genazino verlegte sich daraufhin auf Hörspiele und Sketche, die er teilweise mit dem Salzburger Humoristen Peter Knorr verfasste. Mit ihm gründet er 1971 auch die Schreibagentur Literaturcop.

Die Geschichte über „kleine Leute“

Doch die Schriftstellerei ließ ihn nicht los, und 1977 konnte er Kritiker mit dem ersten Band seiner Trilogie über das einsame Leben des Frankfurter Büroangestellten Abschaffel („Abschaffel“) überzeugen. Der soziologische Blickwinkel ist darin nicht zu übersehen. Danach folgten „Die Vernichtung der Sorgen“ (1978) und „Falsche Jahre“ (1979).

Das Leben der „kleinen Leute“ griff er immer wieder auf, etwa in dem Roman „Die Ausschweifung“ von 1981 über die Identitätsprobleme eines Angestellten. In seinen weiteren Werken beschrieb Genazino unter anderem die Großstadt. So beobachtete der Autor als „Stadtgänger“ etwa in dem 2001 vorgelegten Roman „Ein Regenschirm für diesen Tag“ seine Mitmenschen.

Werk in viele Sprachen übersetzt

Genazinos Werk wurde in viele Sprachen übersetzt. Sein letzter Roman „Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze“ erschien im Frühjahr 2018. Die Protagonisten seiner Romane waren stets Außenseiter, die sich auf durchaus kreative Art mit dem Leben auseinandersetzen. Eine eigenwillige Mischung aus Traurigkeit und Komik besitzen diese Antihelden, die Genazino „Individualisten wider Willen“ nannte.

In seinen Reden und Essays mischte sich Genazino auch in aktuelle gesellschaftspolitische Debatten ein, zur offiziellen Kulturpolitik ebenso wie zur ausländerfeindlichen Gewalt. Vor allem aber gehörte seine Zuneigung immer wieder den Gestrandeten, „Verrückten“ und Verlierern der Gesellschaft.