Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Anschlagsort in Straßburg
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Macron in Straßburg

Behörden prüfen mögliche Fehler

In Frankreich rückt die Rolle der Behörden im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt in den Mittelpunkt. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte am Freitag, dass untersucht werde, warum der mutmaßliche Attentäter Cherif Chekatt vor dem Anschlag nicht gestoppt werden konnte. Macron war am Abend nach Straßburg gereist, um Familien der Opfer zu treffen.

Frankreich müsse Konsequenzen aus jedwedem polizeilichen Versagen ziehen und daran arbeiten, „was verbessert werden könnte“, sagte Macron kurz vor seiner Abreise vom EU-Gipfel in Brüssel. Der mutmaßliche Attentäter hatte sich schon vor dem Anschlag mit vier Todesopfern und mehreren Verletzen auf der Beobachtungsliste der französischen Regierung für Personen, die eine Gefährdung der nationalen Sicherheit darstellen, befunden.

Die Polizei hatte vor dem Anschlag versucht, Chekatt festzunehmen, scheiterte allerdings. Daraufhin wurde spekuliert, dass der 29-Jährige auf den Versuch seiner Festnahme in Straßburg mit dem Anschlag spontan reagierte. Auch nach dem Anschlag könnte es zu einem weiteren Versagen gekommen sein: ORF-Korrespondent Peter Fritz, der Zeuge der Schießerei war, schilderte kurz nach dem Attentat, dass die Polizei zwar sofort an Ort und Stelle gewesen sei – allerdings sei medizinische Hilfe erst wesentlich später gekommen. Man habe die Rettungskräfte offenbar gar nicht in die Nähe gelassen, so Fritz.

Macron-Besuch: Ablenkung von „Gelbwesten“?

Macron sagte, er habe sich am Freitag mit anderen EU-Regierungschefs darauf geeinigt, neue Maßnahmen im Kampf gegen terroristische Propaganda im Netz einzuführen. Genauere Details dazu wurden bisher allerdings nicht bekannt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron legt eine weiße Rose am Anschlagsort in Straßburg nieder
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Macron legte eine weiße Rose für die Opfer des Anschlags in Straßburg nieder

Kurz nach seiner Ankunft in Straßburg legte Macron unter dem Denkmal für den elsässischen General Jean-Baptiste Kleber eine weiße Rose für die Opfer des Anschlags nieder. Er dankte anschließend den auf dem zentralen Platz versammelten Sicherheitskräften. Der Elysee-Palast hatte angekündigt, der französische Staatschef werde auch mit Familien der Opfer sprechen.

Mit seinem Besuch in Straßburg könnte er versuchen, auch von den neuerlichen „Gelbwesten“-Protesten abzulenken, die den französischen Regierungschef in den vergangenen Wochen stark unter Druck setzten. Die „Gelbwesten“ kündigten bereits an, auch ungeachtet der jüngsten Zugeständnisse der Regierung und des Straßburger Anschlags am Samstag ihre Proteste fortzusetzen. Die Behörden erwarten neue Krawalle in Paris und mobilisieren in der Hauptstadt ein enormes Sicherheitsaufgebot von 8.000 Polizisten und 14 gepanzerten Fahrzeugen.

Zahl der Todesopfer steigt auf vier

Indes stieg am Freitag die Zahl der Todesopfer von drei auf vier. Ein weiterer Mensch ist hirntot. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur dpa am Freitag in Paris. Bei dem vierten Todesopfer handelt es sich um einen italienischen Radiojournalisten. Das bestätigte das italienische Außenministerium am Freitagabend.

Weiteres Anschlagsopfer gestorben

Die Zahl der Todesopfer des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt in Straßburg ist von drei auf vier gestiegen. Ein weiterer Mensch ist hirntot.

Unter den weiteren Todesopfern ist ein 45 Jahre alter Tourist aus Thailand, wie das Außenministerium in Bangkok bestätigte. Laut französischen Medienberichten wurde außerdem ein Franzose getötet, der gerade vor einem Restaurant auf seine Familie wartete. Unter den Opfern ist außerdem ein Straßburger mit afghanischen Wurzeln. Der Weihnachtsmarkt in der Elsass-Metropole ist seit Freitag wieder geöffnet.

Polizei sucht Komplizen

Die Ermittler wollten unterdessen herausfinden, ob der 29-jährige Täter während seiner Flucht unterstützt worden sei, sagte der Pariser Anti-Terror-Staatsanwalt Remy Heitz am Freitag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Straßburg. Sieben Menschen befänden sich derzeit in Polizeigewahrsam, so Heitz. Dabei handle es sich um vier Familienangehörige und drei der Familie nahestehende Personen. Zwei von ihnen seien in der Nacht auf Freitag festgenommen worden.

Christophe Castaner
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Der Weihnachtsmarkt ist seit Freitag wieder geöffnet

Nach einer zweitägigen Großfahndung hatte die Polizei Chekatt am Donnerstagabend erschossen. Gegen 21.00 Uhr hätten drei Polizisten den mutmaßlichen Attentäter im Stadtteil Neudorf auf der Straße ausgemacht, teilte der französische Innenminister Christophe Castaner noch Donnerstagnacht mit. Als sie den Verdächtigen hätten verhaften wollen, habe dieser das Feuer eröffnet. Die Polizei habe auf den Angriff geantwortet und den Mann getötet.

Terrormiliz IS reklamierte Tat für sich

Der Attentäter hatte am Dienstagabend mitten in der Weihnachtssaison das Feuer in der weihnachtlich geschmückten Straßburger Innenstadt eröffnet. Zeugen hörten ihn nach Angaben von Heitz „Allahu akbar“ (Gott ist unvergleichlich groß) rufen. Anschließend war er auf der Flucht vor der Polizei von Soldaten verletzt worden. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat für sich. Chekatt ließ sich nach Ermittlerangaben unmittelbar nach dem Anschlag in Neudorf mit einem Taxi absetzen und verschwand danach. In der Nähe befand sich seine Wohnung, die durchsucht worden war.

Der mehrfach vorbestrafte mutmaßliche Angreifer soll sich im Gefängnis radikalisiert haben. Der gebürtige Straßburger mit nordafrikanischen Wurzeln saß wegen schweren Diebstahls auch in Deutschland in Haft.