Antonio Guterres
Reuters/Kacper Pempel
Weltklimagipfel

Weiter Ringen um Kompromiss

Der Abschluss der UNO-Klimakonferenz (COP24) im polnischen Katowice verzögert sich weiter. Wie der polnische Konferenzvorsitz Samstagfrüh mitteilte, gibt es noch keine Einigung über einen Abschlusstext – vielmehr werde nun über einen neuen Entwurf verhandelt. Wegen fortbestehender Konflikte war die Konferenz in die Verlängerung gegangen, ursprünglich sollte sie am Freitag zu Ende gehen.

Auch nach einer erneuten Nachtsitzung war noch keine Einigung auf ein Folgeabkommen zum Pariser Weltklimavertrag in Sicht. Die für Freitagabend geplante Sitzung aller fast 200 Staaten wurde immer wieder verschoben, und das angekündigte neue Kompromisspapier der polnischen Präsidentschaft verzögerte sich ebenfalls. Das Ende der Verhandlungen ist nun für den frühen Abend avisiert.

Verhandler verschiedener Delegationen sagten, eine ganze Reihe von Punkten sei noch offen. Besonders Brasilien mit seinem künftigen Präsidenten Jair Bolsonaro blockiere an mehreren Stellen, hieß es aus Kreisen der EU-Staaten. Nach dem angekündigten Austritt der USA aus dem Klimavertrag und einem Kurswechsel Australiens bereite damit ein drittes wichtiges Land Probleme in der Klimapolitik.

EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete zeigte sich am Samstag dennoch zuversichtlich, dass es noch zu einer Einigung kommt. Die EU werde sich in Kürze zu einem neuen Kompromisspapier der polnischen Ratspräsidentschaft äußern, teilte Canete am Vormittag via Twitter mit. Eine Einigung, um den Pariser Klimavertrag umzusetzen, sei somit „in Reichweite“.

„Frage von Leben und Tod“

Bei dem zweiwöchigen Treffen geht es um die Regeln für die praktische Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und damit die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad. Zu den Knackpunkten in Katowice gehören die Transparenzregeln im Regelbuch. Dabei geht es darum, wie die nationalen Klimaziele der einzelnen Länder künftig eingereicht und überprüft werden. Auch der Umgang mit den Schäden und Verlusten durch den Klimawandel insbesondere in den ärmsten Ländern ist noch sehr umstritten.

Aus Sorge vor einem Scheitern der Konferenz reiste UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zum dritten Mal seit dem Konferenzbeginn Anfang Dezember nach Katovice. Er versuchte, die Verhandlungen mit einer Reihe bilateraler Gespräche zu unterstützen. Guterres hatte sich bereits zum Auftakt der Weltklimakonferenz mit einem dramatischen Appell an die fast 200 Teilnehmerstaaten gewandt. Weltweit sei die Klimakrise schon jetzt eine „Frage von Leben und Tod“ – nun gelte es, ein „globales Klimachaos“ abzuwenden.

Zuletzt dämpfte Guterres die Erwartungen an das Treffen. „Wir werden hier nicht alles erreichen, was eigentlich notwendig ist“, sagte Guterres am Freitag. Wichtig sei aber, „dass wir hier nicht im Chaos enden“. Ein Scheitern der Klimakonferenz würde Guterres zufolge zudem „ein katastrophales Signal an die Länder senden, die bereit sind, ihre Wirtschaft klimafreundlich umzubauen“.

„Together for Ambition“

Zum Finale der Weltklimakonferenz forderte neben Guterres auch ein Bündnis von Industrie- und Entwicklungsländern sowie Klimaschützern mehr Ehrgeiz für die noch ausstehende Gipfelerklärung. Mitglieder der „High Ambition Coalition“, darunter Österreichs Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), deren deutsche Amtskollegin Svenja Schulze, EU-Kommissar Canete und Vertreter etwa der Marshallinseln, der Malediven und Äthiopiens präsentierten am Freitagabend ein Banner mit der Botschaft „Together for Ambition“ (Zusammen für Ehrgeiz).

Köstinger gab am Donnerstag Österreichs Beitritt zur „High Ambition Coalition“ bekannt. Der Ministerin zufolge sei man an einem Punkt angelangt, „wo die Bemühungen für ein gutes Ergebnis beim Klimagipfel einen starken politischen Vorstoß brauchen“.

„Wieder und wieder und wieder und wieder“

Der Sprecher der Gruppe der ärmsten Staaten, der Äthiopier Gebru Jember Endalew, verlangte, dass die Warnungen der Wissenschaft ernst genommen werden und die Treibhausgasemissionen weltweit zurückgefahren werden. „Ich repräsentiere eine Milliarde der vom Klimawandel am meisten verletzlichen Menschen. Wir fordern Gerechtigkeit, um zu überleben. Wir sind nicht verantwortlich für die Katastrophe, die uns allen droht.“ Hindou Oumarou Ibrahim, eine Aktivistin indigener Völker Afrikas, sagte, die Grenze von 1,5 Grad sei keine bloße Zahl, sondern eine Überlebensfrage für viele Völker.

Der maledivische Delegationsleiter und Ex-Präsident Mohammed Nasheed mahnte: „Wir haben nicht den Luxus (zu warten), wir müssen handeln, und zwar jetzt.“ Nasheed hatte vor neun Jahren mit einer Unterwassersitzung seines Kabinetts in voller Tauchermontur auf das bedrohliche Ansteigen der Meeresspiegel durch die Klimaerwärmung aufmerksam gemacht.

Nächste Konferenz in Chile

Die 24. Weltklimakonferenz in Katowice hat am 2. Dezember begonnen und ist eine wichtige Etappe in den internationalen Klimaverhandlungen. Der nächste UNO-Klimagipfel findet Ende kommenden Jahres bzw. Anfang 2020 in Chile statt. Zwischenverhandlungen sind zuvor in Costa Rica geplant.

Nun zeigte sich Nasheed vom Verhandlungsverlauf in Katowice über die „wenigen Fortschritte“ enttäuscht. „Ich sehe, es ist immer noch dasselbe, wieder und wieder und wieder und wieder“, sagte er laut AFP. In Katowice über Klimafragen zu reden sei das eine. „Das andere ist, wenn die Menschen nicht verstehen, wovon wir reden“, klagte Nasheed und fügte hinzu: „Wenn wir nicht fähig sind, unser Verhalten binnen zwölf Jahren zu ändern, wird die Temperatur weltweit um mehr als 1,5 Grad Celsius steigen.“

Ernüchternder IPCC-Befund

Angesichts der Befunde des 1,5-Grad-Berichts des Weltklimarats IPCC stehen die Verhandler außerdem unter Druck, ihre Zusagen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen schnell nachzubessern. Der IPCC-Bericht hatte Anfang Oktober dargelegt, dass eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau verheerende Folgen hätte. Abgewendet werden kann das laut Weltklimarat nur noch durch ein schnelles und entschiedenes Umsteuern der internationalen Gemeinschaft.