Teilnehmer verlassen Konferenz in Katowice (Polen)
AP/Czarek Sokolowski
Klimakonferenz

Durchbruch nach vielen Verzögerungen

Die Weltklimakonferenz hat sich nach Angaben aus Delegationskreisen im polnischen Katowice auf ein Umsetzungsabkommen für den Pariser Klimavertrag geeinigt. Das Plenum der Vertreter aus fast 200 Staaten billigte am späten Samstagabend nach mehrmaligen Verzögerungen und zweiwöchigen Verhandlungen einen Kompromiss.

Das Plenum begrüßte den Beschluss mit Applaus und Jubelrufen. Der polnische Konferenzvorsitzende Michal Kurtyka sagte: „Das ist ein historischer Moment.“ Er lud die Verhandlungsführer zu einem Gruppenfoto ein.

Nach zweiwöchigen Verhandlungen vereinbarten die Staaten ein Rahmenabkommen, durch das der Anstieg des Weltklimas auf zwei Grad gemessen am vorindustriellen Werten begrenzt werden soll. Dieses Regelbuch ist ein wichtiger Baustein in der internationalen Klimapolitik, weil es die konkrete Umsetzung des Paris-Abkommens festlegt und damit über die Wirksamkeit der internationalen Vereinbarung miteintscheidet.

Die 24. UNO-Klimakonferenz hätte eigentlich am Freitag enden sollen. Wegen fortbestehender Streitpunkte verzögerten sich die Verhandlungen jedoch, die abschließende Plenumssitzung wurde am Samstag mehrfach verschoben. Gestritten wurde unter anderem über Transparenzregeln, Finanzierung und über ehrgeizigere Klimaziele.

Unterschiedliche Einschätzungen

Erste Reaktionen auf österreichischer Seite fielen geteilt aus – und sie dürften auch für die internationale Einschätzung symptomatisch sein. Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sprach davon, dass die Einigung „hart erkämpft und deshalb umso wichtiger“ sei. Köstinger, die gemeinsam mit EU-Kommissar Miguel Arias Canete Verhandlungsführerin der EU war, betonte: „Erstmals gibt es ein verbindliches Regelwerk, wie die Staaten der Welt die Beschlüsse und Ziele des Pariser Abkommens umsetzen sowie transparent und überprüfbar dokumentieren werden.“

Der WWF Österreich begrüßte zwar ebenfalls erzielte Fortschritte, sprach allerdings von „Minimalkompromissen mit vielen Lücken“. Das Gesamtergebnis sei „sehr kritisch“ zu sehen. Es fehlten vor allem verbindliche nationale Handlungsaufträge. Die Politik habe „wichtige Fragen verschoben und bleibt in vielen Fragen ambitionslos“, kritisierte der WWF.

Konferenz in Katowice (Polen)
Reuters/Kacper Pempel
Der Vorsitzende der Konferenz, Michal Kurtyka, jubelt über die Annahme des Abkommens

Brasilien als Stolperstein

Grund für die mehrmaligen Verschiebungen dürfte vor allem die Haltung Brasiliens gewesen sein, aber auch eine Forderung der Türkei sein. Brasilien Land wolle die Bestimmungen für den Emissionshandel aufweichen und soll Druck auf die EU ausüben, hieß es von Konferenzteilnehmern.

Die Türkei wiederum verlangte offenbar eine Änderung ihres Status in der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Das würde ihr unter anderem ermöglichen, Fördergelder aus einem Fonds für Klimaschutz vor allem in Entwicklungsländern zu bekommen. Der Abschluss des Gipfels wurde bereits mehrmals verschoben – auch die zuletzt für 18.00 Uhr angekündigte Abstimmung kam aber zunächst nicht zustande. Wann das Plenum über die Abschlusserklärung abstimmt ist damit weiter offen.

Der Emissionshandel, dessen Regeln Brasilien aufweichen will, ist zwar nicht Gegenstand der Diskussionen über das Abschlusspapier, wird aber Thema bei der nächsten Klimakonferenz sein, die in einem Jahr in Chile stattfindet. Nach etlichem Hin und Her wurde der Beginn der Plenarsitzung, in der die Abstimmung über das Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens erfolgen soll, am Nachmittag erneut verschoben.

Platz vor dem Konferenzzentrum im polnischen Katowice
AP/Czarek Sokolowski
Auch im öffentlichen Verkehr in Katowice ist derzeit der Klimaschutz zentrales Thema

„Frage von Leben und Tod“

Zu den Knackpunkten in Katowice gehörten die Transparenzregeln im Regelbuch. Dabei geht es darum, wie die nationalen Klimaziele der einzelnen Länder künftig eingereicht und überprüft werden. Auch der Umgang mit den Schäden und Verlusten durch den Klimawandel insbesondere in den ärmsten Ländern war bis zuletzt heftig umstritten.

Aus Sorge vor einem Scheitern der Konferenz reiste UNO-Generalsekretär Antonio Guterres insgesamt drei Mal seit dem Konferenzbeginn Anfang Dezember nach Katowice. Er versuchte, die Verhandlungen mit einer Reihe bilateraler Gespräche zu unterstützen. Guterres hatte sich bereits zum Auftakt der Weltklimakonferenz mit einem dramatischen Appell an die fast 200 Teilnehmerstaaten gewandt. Weltweit sei die Klimakrise schon jetzt eine „Frage von Leben und Tod“ – nun gelte es, ein „globales Klimachaos“ abzuwenden.

Zuletzt dämpfte Guterres die Erwartungen an das Treffen. „Wir werden hier nicht alles erreichen, was eigentlich notwendig ist“, sagte Guterres am Freitag. Wichtig sei aber, „dass wir hier nicht im Chaos enden“. Ein Scheitern der Klimakonferenz würde Guterres zufolge zudem „ein katastrophales Signal an die Länder senden, die bereit sind, ihre Wirtschaft klimafreundlich umzubauen“.

„Together for Ambition“

Zum Finale der Weltklimakonferenz forderte neben Guterres auch ein Bündnis von Industrie- und Entwicklungsländern sowie Klimaschützern mehr Ehrgeiz für die noch ausstehende Gipfelerklärung. Mitglieder der „High Ambition Coalition“, darunter Umweltministerin Köstinger, deren deutsche Amtskollegin Svenja Schulze, EU-Kommissar Canete und Vertreter etwa der Marshallinseln, der Malediven und Äthiopiens präsentierten am Freitagabend ein Banner mit der Botschaft „Together for Ambition“ (Zusammen für Ehrgeiz).

Köstinger gab am Donnerstag Österreichs Beitritt zur „High Ambition Coalition“ bekannt. Der Ministerin zufolge sei man an einem Punkt angelangt, „wo die Bemühungen für ein gutes Ergebnis beim Klimagipfel einen starken politischen Vorstoß brauchen“.

„Wieder und wieder und wieder und wieder“

Der Sprecher der Gruppe der ärmsten Staaten, der Äthiopier Gebru Jember Endalew, verlangte, dass die Warnungen der Wissenschaft ernst genommen werden und die Treibhausgasemissionen weltweit zurückgefahren werden. „Ich repräsentiere eine Milliarde der vom Klimawandel am meisten verletzlichen Menschen. Wir fordern Gerechtigkeit, um zu überleben. Wir sind nicht verantwortlich für die Katastrophe, die uns allen droht.“ Hindou Oumarou Ibrahim, eine Aktivistin indigener Völker Afrikas, sagte, die Grenze von 1,5 Grad sei keine bloße Zahl, sondern eine Überlebensfrage für viele Völker.

Der maledivische Delegationsleiter und Ex-Präsident Mohammed Nasheed mahnte: „Wir haben nicht den Luxus (zu warten), wir müssen handeln, und zwar jetzt.“ Nasheed hatte vor neun Jahren mit einer Unterwassersitzung seines Kabinetts in voller Tauchermontur auf das bedrohliche Ansteigen der Meeresspiegel durch die Klimaerwärmung aufmerksam gemacht.

Nächste Konferenz in Chile

Die 24. Weltklimakonferenz in Katowice hat am 2. Dezember begonnen und ist eine wichtige Etappe in den internationalen Klimaverhandlungen. Der nächste UNO-Klimagipfel findet Ende kommenden Jahres bzw. Anfang 2020 in Chile statt. Zwischenverhandlungen sind zuvor in Costa Rica geplant.

Nun zeigte sich Nasheed vom Verhandlungsverlauf in Katowice über die „wenigen Fortschritte“ enttäuscht. „Ich sehe, es ist immer noch dasselbe, wieder und wieder und wieder und wieder“, sagte er laut AFP. In Katowice über Klimafragen zu reden sei das eine. „Das andere ist, wenn die Menschen nicht verstehen, wovon wir reden“, klagte Nasheed und fügte hinzu: „Wenn wir nicht fähig sind, unser Verhalten binnen zwölf Jahren zu ändern, wird die Temperatur weltweit um mehr als 1,5 Grad Celsius steigen.“

Ernüchternder IPCC-Befund

Angesichts der Befunde des 1,5-Grad-Berichts des Weltklimarats IPCC standen die Verhandler außerdem unter Druck, ihre Zusagen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen schnell nachzubessern. Der IPCC-Bericht hatte Anfang Oktober dargelegt, dass eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau verheerende Folgen hätte. Abgewendet werden kann das laut Weltklimarat nur noch durch ein schnelles und entschiedenes Umsteuern der internationalen Gemeinschaft.