Paket in einem Amazon-Logistikzentrum
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„CRaP“-Produkte

Amazon nimmt Unrentables ins Visier

Der Handelsgigant Amazon adaptiert seine Strategie: Anstatt alles in jeder Größe und Menge anzubieten, blickt das Unternehmen nun verstärkt auf den Saldo und bringt Handelspartner dazu, ihre Vermarktung zu ändern. Diese haben ohnehin oft keine andere Wahl, als sich zu fügen.

Amazons Kundinnen und Kunden sind inzwischen daran gewöhnt, so ziemlich alle Güter des täglichen und auch des seltenen Gebrauchs online ordern zu können. Das beinhaltet auch die Mengen und Größen der bestellten Artikel – vom Küchengerät bis zu Lebensmitteln in haushaltsüblichem Umfang.

Nun wird die Strategie beim US-Versandhändler mit Blick auf den Reingewinn überdacht, wie das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichtet. Denn viele Artikel rentieren sich in Haushaltsmengen nicht so, wie Amazon es sich vorstellt. Auch Firmen, die mit Amazon zusammenarbeiten, werden laut dem Bericht angehalten, den Onlineversand künftig anders zu nutzen.

Snacks und Wasserflaschen

Bei Amazon heißen Produkte, die zu wenig Geld abwerfen, „CRaP" – kurz für “Can’t Realize a Profit“, zu deutsch: „Mist“. Darunter sind etwa Flaschengetränke und Snacks, die wenig einbringen, aber teuer im Transport sind. In den vergangenen Monaten soll Amazon diese ertragsarmen „CRaP“-Artikel ausgemustert haben und viele Hersteller aufgefordert haben, ihre Verpackungsgrößen anzupassen.

Amazon-Logistikzentrum
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Allein im Logistikzentrum New Jersey arbeiten mehr als 4.000 Menschen. Ohne Amazon geht für viele Hersteller nichts mehr.

So gebe es etwa das abgefüllte Wasser der Coca-Cola Company in den USA nur noch im 24er-Pack für mehr als 37 US-Dollar (33 Euro) per Dash-Button anstatt bisher im Sechserpack um knapp sieben Dollar. Der Dash-Button dient zum automatischen Nachbestellen von Haushaltsprodukten mit einem Knopfdruck. So erhöhte sich der Stückpreis um rund 40 Cent. Zudem wird Coca-Cola künftig dem „WSJ“ zufolge den Direkttransport zu den Kunden selbst übernehmen. Geordert wird aber weiterhin via Amazon.

Zu groß, um ignoriert zu werden

Auch wenn Maßnahmen wie diese die Kosten für Handelspartner steigen lassen, kaum ein Hersteller von Lebensmitteln oder Haushaltsprodukten kann sich Amazons Sog noch entziehen. Sowohl für kleine als auch für große Marken ist es Pflicht, auf Amazon vertreten zu sein. Der Versandriese steigert zudem seinen Anteil unabhängiger Verkäufer auf seiner Seite stetig. Sie fügen immer mehr verschiedene Artikel hinzu. So wird weiterhin sichergestellt, dass die Produktpalette so divers wie sonst nirgendwo bleibt.

Mit seiner Taktik erreichte der Versandhändler heuer einen Börsenwert von über einer Billion Dollar. Amazons größte Rivalen im US-Warenhandel sind Walmart, Costco und Target. Sie bringen es aber gemeinsam „nur“ auf einen Börsenwert von gut 430 Milliarden Dollar. Seinen Gründer Jeff Bezos machte Amazon mit diesem Vorsprung zum reichsten Menschen des Planeten. Er hat Schätzungen zufolge 166,6 Milliarden Dollar auf seinem Konto. Allein Amazons Prime-Service hat inzwischen mehr als 100 Millionen Kunden weltweit.

Streik zu Weihnachten

Das Unternehmen aus Seattle ist aber der Marktführerschaft und auch seiner Methoden wegen oft in der Kritik. Der stationäre Einzelhandel leidet stark unter der Marktmacht und den niedrigen Preisen online. Zudem sind die Arbeitsbedingungen oft Thema in den internationalen Schlagzeilen.

In Deutschland wurde nun etwa an zwei deutschen Standorten zum Streik aufgerufen, mitten im Weihnachtsgeschäft. Damit will die Gewerkschaft ihrer Forderung nach besserer Bezahlung Nachdruck verleihen. Die letzte Handelswoche vor dem Weihnachtsfest ist vor allem für die Onlinebestellung von Geschenken von Bedeutung. Viele Amazon-Pakete, die in Österreich bestellt werden, kommen aus deutschen Lagern.

Viel Kritik an Arbeitsbedingungen

„Es besteht die Gefahr, dass Weihnachtsgeschenke nicht rechtzeitig ankommen“, sagte ein Sprecher der Gewerkschaft verdi der dpa. Amazon widersprach dem. Kunden müssten sich „keine Sorgen um ihre Geschenke machen“, der Streik habe keinen Einfluss auf das Lieferversprechen. Amazon muss sich gerade an einkaufsstarken Tagen auf Streiks in diversen Ländern einstellen. So legten zuletzt in Spanien am „Black Friday“ die Beschäftigten ihre Arbeit nieder.

Zumindest in den USA hob Amazon nach viel Kritik den Mindestlohn für seine Angestellten auf 15 Dollar an. Angaben zur Höhe des firmeninternen Mindestlohns zuvor machte das Unternehmen nicht. In vielen anderen Ländern wie Polen, Italien und Großbritannien kämpfen Angestellte ebenfalls für bessere Bedingungen, zumeist ohne nennenswerte Ergebnisse.