Caritas Pflegewohnhaus Schönbrunn
ORF.at/Christian Öser
Kostendruck

Mobile Pflege löst nicht alle Probleme

Rund 150.000 Menschen sind laut aktuellen Zahlen 2017 von mobilen Diensten zu Hause gepflegt und betreut worden – knapp doppelt so viele wie in stationären Einrichtungen, etwa Heimen. Dass die Regierung mobile Pflege ausbauen will, sei in Ordnung, sagt Pflegeexpertin Ursula Frohner, sie warnt aber vor Schnellschüssen: Pflege sei eine komplexe Materie. Auch bei den Kosten dämpft sie die Erwartungen.

Dass sich mit der Verschiebung Richtung mobiler Pflege groß Kosten einbremsen oder gar einsparen lassen, wie auch von der Regierung erhofft, bezweifelt die Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV). Im Gesamten werde das System dadurch kaum billiger, denn „es gibt keinen Dumpingpreis bei super Pflege“, so Frohner. Gute Pflege brauche eine entsprechende Ausbildung.

Es fange damit an, dass oft Pflege und Betreuung miteinander vermischt würden. Unter Betreuung verstehe man etwa Unterstützung im Haushalt, Alltagsanimation oder die Begleitung zum Arzt. Pflege hingegen habe auch immer einen medizinischen Aspekt, das reiche von Blutzuckermessen über Hilfe beim Schlucken beim Essen, weil der nötige Reflex fehlt, bis hin zur Kontrolle des Wasserhaushalts durch ausreichendes Trinken.

Grafik zeigt die Pflegesituation in Österreich 2017
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria

Natürlich gebe es in einzelnen Bereichen Überschneidungen, aber gerade für die Pflege brauche es entsprechend qualifizierte Personen, damit die zu Pflegenden nicht durch falsche oder mangelnde Pflege leiden müssen. Hier gebe es sehr viele Graubereiche, etwa auch bei der 24-Stunden-Betreuung, wo nicht immer Pflegerinnen und Pfleger im Einsatz sind, sondern Betreuer und Betreuerinnen, die aber Pflegeleistungen übernehmen.

Qualifizierte Unterstützung auch zu Hause

Dass Menschen möglichst lange zu Hause bleiben wollen und sollen, sei verständlich, es müsse aber die nötige Unterstützung geben. „Die aktuellen Kapazitäten der Pflegedienste reichen für den künftigen Bedarf sicher nicht aus“, so Frohner. Wenn man wolle, dass Menschen länger zu Hause bleiben, dann müsse man diesen Bereich ausbauen. Auch zu Hause müssten die Menschen gut gepflegt werden, damit sie nicht nach einem Sturz oder wegen Dehydrierung ins Krankenhaus müssten – das minimiere auch mögliche Nachfolgekosten.

Frohner plädiert für eine genaue Bedarfserhebung der notwendigen Ressourcen direkt bei den Pflegebedürftigen und eine bedarfsgerechte Versorgung durch lokale Stützpunkte in Wohnortnähe, etwa im Grätzl. Die Betroffenen, also die Gepflegten aber auch ihre Angehörigen, müssten zudem genau über die Möglichkeiten aufgeklärt werden, um eine entsprechend informierte Entscheidung der nötigen und möglichen Pflege treffen zu können. Denn jede Pflegevariante habe Vor- wie auch Nachteile: „Es gibt keine bessere oder schlechtere Lösung.“ Oft brauche es sehr individuelle Ansätze, je nachdem, was verfüg- und machbar sei.

Die stationäre Pflege mit ihrer umfassenden Versorgung und auch Überwachung etwa sei gerade bei hohem Pflegebedarf eine wichtige Option, das zu vernachlässigen sei problematisch. Natürlich könnten auch Angehörige solche Aufgaben übernehmen, aber auch diese bräuchten kompetente Unterstützung und Informationen. Dafür brauche es ebenfalls entsprechende Strukturen. Ohnedies dürfe man die Pflegeleistung der Angehörigen nicht unterschätzen, diese seien im Vergleich ohnedies „der größte Pflegedienst“.

3,5 Milliarden Euro für Pflegeleistungen

3,5 Milliarden Euro kostete 2017 die Betreuung und Pflege der insgesamt rund 253.000 Menschen in stationären und teilstationären Einrichtungen wie Heimen sowie im eigenen Heim und in alternativen Wohnformen, zeigen Zahlen der Statistik Austria vom Montag. Länder und Gemeinden trugen davon rund zwei Milliarden Euro (56 Prozent), weitere 39 Prozent zahlten die zu Betreuenden und Gepflegten selbst. Der Rest wurde durch andere Quellen gedeckt.

Grafik zeigt die Pflegesituation in Österreich 2017
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria

Für die Pflege der 82.485 Personen in stationären Diensten, vor allem Pflegeheime, zahlten Länder und Gemeinden netto, also abzüglich einbehaltener Pensionen oder Pflegegelder, rund 1,5 Milliarden Euro. Die Kosten für die mobile Pflege beliefen sich auf rund 405 Millionen Euro – mehr dazu in wien.ORF.at.

Die 24-Stunden-Pflege wird von der Statistik Austria nicht erfasst, in einer ebenfalls am Montag vorgestellten WIFO-Studie heißt es, die Versorgung von 35.000 Personen in dieser Betreuungsform werde jährlich mit 150 Millionen Euro gefördert. Nur rund fünf Prozent aller Pflegegeldbezieher haben laut Studie eine 24-Stunden-Betreuung, insgesamt werden aber 84 Prozent zu Hause gepflegt, 45 Prozent ausschließlich von ihren Angehörigen. 32 Prozent werden dabei von mobilen Pflegediensten unterstützt. 16 Prozent würden in Heimen gepflegt.

Bevölkerung wird weiter altern

Der Verein Hilfswerk Österreich, Auftraggeber der WIFO-Studie, fordert wie auch Frohner einen Ausbau der mobilen Pflegedienste und mehr Entlastung für pflegende Angehörige und argumentiert, dass so der Kostenpfad gedämpft werden könne. Durch die Erhöhung der mobilen Pflege könnten die Nettoausgaben gesenkt werden, während mehr stationäre Pflege die Kosten deutlich steigen lasse.

Allerdings sei aufgrund der demografischen Entwicklung mit starker Alterung der Gesellschaft auch ein weiterer Ausbau der stationären Pflege nötig, so Studienautorin Ulrike Famira-Mühlberger. Die Studie verweist zudem darauf, dass von rund 947.000 pflegenden Angehörigen schon 50 Prozent selbst in Pension sind, das Durchschnittsalter betrage zudem knapp über 60 Jahre.