Kagame (Präsident Ruanda), Bundeskanzler Kurz, Mahamat (Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union) und EU-Präsident Juncker
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EU-Afrika-Forum

Afrika ist „kein Spielplatz“

Mit dem EU-Afrika-Forum in Wien geht am Dienstag das letzte Großereignis des österreichischen EU-Ratsvorsitzes über die Bühne. Allgemeiner Tenor war der Wille, die wirtschaftlichen Beziehungen intensiver zu gestalten. „Europa braucht Afrika, und Afrika braucht Europa“, sagte etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Ratsvorsitzender Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, dass Afrika nicht den Chinesen überlassen werden dürfe.

Doch es gab auch kritische Stimmen: Der Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, sprach eine Warnung aus: Man dürfe Afrika als Kontinent nicht „infantilisieren“, so Mahamat. Afrika sei „kein Spielplatz, bei dem jeder hergehen kann und sagen, was er will“, kritisierte er die Debatte über den europäisch-chinesischen Wettlauf in Afrika beim EU-Afrika-Forum.

Afrika sei kein „leeres Terrain, auf dem sich Amerikaner, Chinesen und Europäer miteinander schlagen“ und „um Ressourcen streiten, auch wenn das in der Vergangenheit so war“. Afrika gehöre den Afrikanern, betonte Mahamat bei einer gemeinsamen Pressekonferenz unter anderen mit Bundeskanzler Kurz. Afrika müsse aus der „afrikanischen Linse“, nicht aus einer europäischen oder chinesischen betrachtet werden, sagte auch Ruandas Präsident und AU-Vorsitzender Paul Kagame.

Moussa Faki Mahamat, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union
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AU-Kommissionschef Mahamat richtete eine Mahnung an die europäischen Partner

Länder als „Partner, nicht als Nutznießer“ sehen

Das EU-Afrika-Forum sei deshalb auch sehr hilfreich gewesen, lobte Kagame, der sich einmal mehr für eine „Win-Win-Situation“ sowohl für Afrika als auch für Europa aussprach. Er wolle nicht darüber sprechen, was China habe und die EU nicht oder umgekehrt, sondern darüber, wie die Partnerschaften verbessert werden können. Wenn Europa in Afrika investiere und die Länder als „Partner, nicht als Nutznießer“ (von Entwicklungshilfe, Anm.) sehe, sorge das insgesamt für ein besseres Verhältnis.

Mehr EU-Investitionen in Afrika

Beim EU-Afrika-Forum in Wien wurde beschlossen, mehr denn je in Afrika zu investieren. Im Zuge des Forums wurden auch mehrere Memoranden unterzeichnet und Finanzhilfen zugesagt.

Kurz: Blick auf Afrika ändern

Die afrikanischen Verantwortlichen litten darunter, dass es bei Gesprächen mit Vertretern der EU stets um Migration und Menschenrechte gehe, so Kurz in seinem Statement. Es sei wichtig, dass zwischen den afrikanischen Staaten und der EU eine „tiefgreifende Basis, ein stärkeres Fundament der Zusammenarbeit“ da sei, so Kurz. Mit einer Entwicklung der Wirtschaft werde es auch den Menschen besser gehen. „Nur humanitäre Hilfe ohne Wirtschaftszusammenarbeit ist keine positive Lösung für die Armut“, so Kurz. Europa müsse seinen Blick auf Afrika ändern, forderte er.

Beim Forum wurden mehrere Memoranden unterzeichnet, in denen die EU-Kommission Afrika unter anderem 75 Millionen Euro als Kredithilfe für Klein- und Mittelbetriebe zusagte. Die Europäische Investitionsbank (EIB) sagte Kredite im Ausmaß von rund 500 Millionen Euro für Investitionen in Afrika zu. Davon sollen 350 Millionen Euro für die Renovierung der U-Bahn von Kairo genutzt werden. Weitere finanzielle Zusagen kamen bereits zuvor von der Weltbank und von Siemens.

„Machen es besser als Chinesen“

Generell bemühten sich die Teilnehmer, Einigkeit und Willen zur Intensivierung der Beziehungen zu demonstrieren. Sowohl Juncker als Kurz betonten, dass sich die beiden Kontinente in einer „Schicksalsgemeinschaft“ befänden. Man müsse eine „Partnerschaft auf Augenhöhe aufbauen, auf Grundlage einer gemeinsamen Verantwortung“, so Juncker.

Jean-Claude Juncker
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Juncker und Kurz: „Schicksalsgemeinschaft“

Auf die Frage, ob die EU im Vergleich zu China nicht zu spät komme, meinte Juncker: „Ja, aber wir machen es besser.“ Bisher sei die „Geber-Nehmer-Beziehung“ vorherrschend gewesen, sagte er in Anspielung auf Entwicklungshilfe. In den letzten Jahren sei die Beziehung „weiter reduziert“ worden „auf die Ebene der Migration“. Das Forum sei deshalb bewusst kein „Migrationsgipfel“, betonte Juncker.

„Zusammen profitieren wir alle“

Ähnlich äußerte sich Kagame: Es brauche Gewinne auf beiden Seiten: „Afrika gewinnt, Europa gewinnt, und zusammen profitieren wir alle.“ Der namibische Minister für Informations- und Kommunikationstechnologie, Stanley Simataa, sagte, er erwarte sich von dem Treffen in Wien verbesserte Beziehungen zwischen der EU und Afrika. Es sei besser, jetzt zu starten als nie.

In den vergangenen Jahren habe „leider das Thema der Migration eigentlich alles überschattet“, so AU-Kommissionsvorsitzender Mahamat. Man dürfe sich hier „kein Blatt vor den Mund nehmen und muss ganz klar sagen: Die afrikanische Jugend hat nicht das Schicksal, den Kontinent zu verlassen.“ Es gebe Ursachen für die Fluchtbewegungen, man dürfe nicht nur bei den „Folgen der Entscheidung ansetzen“, warnte der frühere tschadische Premier und Außenminister.

Frage der Migration „darf uns nicht teilen“

Doch kritisierte der AU-Kommissionsvorsitzende jene Länder, die den UNO-Migrationspakt abgelehnt haben – darunter Österreich. Die Frage der Migration „darf uns nicht teilen“, so Mahamat. Er sei „sehr überrascht“ gewesen, dass einige Länder den Globalen Pakt der Vereinten Nationen für sichere, geordnete und reguläre Migration nicht akzeptieren wollten, zumal dieser ja rechtlich nicht bindend sei, so Mahamat.

Ruandas Präsident Paul Kagame
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Ruandas Präsident und AU-Vorsitzender Kagame: Afrika aus „afrikanischer Linse“ betrachten

Die EU müsse sich stärker auf Investitions- und Handelspolitik konzentrieren, forderte Juncker. „Wir müssen mehr dafür tun, dass der Handel in Afrika besser, fairer und nachhaltiger wird“, und europäische Firmen „ermutigen“, sich stärker in Afrika einzubringen. Dazu sei ein "unternehmerfreundliches Klima“ notwendig. An den Privatsektor appellierte der EU-Kommissionspräsident: „Seien sie mutiger, investieren Sie mehr in Afrika!“

Tajani für „echten Marshallplan“ für Afrika

„Das strategische Interesse muss uns einander näherbringen“, so EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Europa und Afrika müssten „Hand in Hand gehen“. Tajani bekräftigte seine Forderung nach einem „echten Marshallplan“ für Afrika mit „massiven Investitionen für den Privatsektor“. Die Investitionen könnten Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. „Wir müssen der Jugend konkrete Antworten geben“, sagte er. Die Beziehungen seien zu wesentlich, um sich nur alle drei Jahre (zum EU-AU-Gipfel, Anm.) zu treffen, merkte Tajani kritisch an.

Kneissl: Ehrliches Interesse an Neuanfang

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl sprach von einem „ehrlichen Interesse Europas an einem Neuanfang“ in den Beziehungen zu Afrika. Dabei sollen auch „die Fehler der Vergangenheit vermieden“ werden, beteuerte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Außenminister Ruandas, Richard Sezibera.

Es gehe darum Afrika auch „durch die afrikanische Linse zu betrachten“ und nicht nur im Rahmen des geopolitischen Wettlaufs zu sehen. Dabei verändere sich auch die Sprache : „Wir gehen heraus aus dem Vokabular der Hilfe und hinein in ein Vokabular des gemeinsamen Handelns“, so Kneissl. Auch ihr ruandischer Amtskollege sprach von einer „neuen Beziehung“ zwischen Afrika und Europa, die Gestalt annehme.

Nur „Auswahl“ der AU eingeladen

Insgesamt nahmen neben rund 800 europäischen und afrikanischen Unternehmen Vertreter aus allen EU-Mitgliedsländern und mehreren afrikanischen Ländern teil. Laut Bundeskanzleramt wurden nicht alle Staaten der AU nach Wien eingeladen, sondern eine „Auswahl“ – eine Tatsache, die vor Beginn des Forums für Kritik sorgte. Auf Ebene der Staats- und Regierungschefs waren neben Ruanda auch Ägypten, Äthiopien, Ghana, Guinea, Kenia und Mauritius vertreten.