Türkische Truppentransporter in Syrien
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Medien

Türkei verstärkt Truppen an syrischer Grenze

Nur wenige Tage nach dem angekündigten Rückzug der USA aus Syrien dürfte sich die Türkei offenbar auf eine Offensive gegen die syrische Kurdenmiliz YPG vorbereiten. Medienberichten zufolge wurde ein Militärkonvoi in die türkisch-syrische Grenzregion Kilis verlegt.

In dem Konvoi von rund 100 Fahrzeugen würden Panzer, Haubitzen, Maschinengewehre und Elitetruppen in die Region gebracht, berichtete die Nachrichtenagentur DHA am Sonntag. Einige Einheiten sollen demnach auf türkischer Seite stationiert werden, andere hätten bereits die Grenze überquert. Der türkische TV-Sender TRT World zeigte Bilder, wie einige Fahrzeuge den Grenzübergang Karkamis, 35 Kilometer nördlich der Kurdenhochburg Manbidsch, überquerten.

Laut TRT World sollen die türkischen Einheiten in Gebiete gebracht werden, die von der verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) kontrolliert werden. Mit Unterstützung der FSA hat die türkische Armee in den vergangenen beiden Jahren die Offensiven „Euphrat-Schild“ und „Ölzweig“ gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) und die von den USA unterstützten kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die rund ein Drittel des syrischen Territoriums kontrollieren, unternommen.

Erdogan wollte Offensive verschieben

Aufgrund dieser Offensiven seien in den vergangenen zwei Jahren knapp 300.000 syrische Flüchtlinge aus der Türkei nach Syrien zurückgekehrt, teilte der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Wochenende laut der Nachrichtenagentur Anadolu mit. Die Türkei hat über 3,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen.

Türkische Truppentransporter in Syrien
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Die Verlegung eines Militärkonvois an die syrische Grenze gibt Hinweise auf eine bevorstehende Offensive der Türkei

Nun könnte eine weitere Offensive gegen die YPG in Kürze bevorstehen. Noch vergangenen Donnerstag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nach einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump die angekündigte Offensive gegen die syrische Kurdenmiliz YPG verschoben. Ewig wolle man aber nicht warten, so der türkische Präsident. Erdogan will die YPG-Miliz aus der Region östlich des Euphrat vertreiben. Der Sprecher des Militärrats in der kurdisch geführten Stadt Manbidsch reagierte auf das größere türkische Truppenaufgebot: „Wir unternehmen die notwendigen Maßnahmen, um uns selbst zu verteidigen, sollten wir angegriffen werden.“

Neue Chancen für Assad?

Der türkische Präsident hatte in der Vergangenheit immer wieder den US-Einsatz im Nordosten Syriens kritisiert, wo die USA die YPG-Kämpfer unterstützt hatten. Für die Türkei ist die Kurdenmiliz eine Terrorgruppe und Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Beobachter erwarten, dass den Kurden ohne Unterstützung der USA nun keine Wahl bleiben werde, als Syriens Machthaber Baschar al-Assad um Schutz zu ersuchen.

Es sei vorstellbar, dass die syrischen Kurden nun einen Deal mit Assad machten, der ihnen gemeinsam erlaube, die Türkei aus dem Land zu werfen und Assad zugleich ermögliche, seine Kontrolle über das syrische Territorium wiederherzustellen, analysierte der Regionalexperte Steven Cook vom Council on Foreign Relations in New York gegenüber der AFP.

Syrische Demonstranten
APA/AFP/Delil Souleiman
Demonstrierende im Nordosten Syriens fordern den Schutz der syrischen Armee im Fall einer türkischen Offensive

Die ebenfalls von den USA unterstützen Demokratischen Streitkräfte Syriens (SDF) warnten Ende vergangener Woche, dass sie im Falle eines Angriffs durch die Türkei ihren Kampf gegen den IS aufgeben müssten. Man werde dann Einheiten von der Front bei Deir al-Sor abziehen und zur syrisch-türkischen Grenze verlegen müssen, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Laut SDF startete der IS erst am Freitag eine Offensive im Südosten Syriens. Sollte der IS einen Gegenangriff starten, könnten die USA wieder gezwungen werden, in Syrien erneut einzugreifen.

Trump: IS „weitgehend besiegt“

Trump hatte vergangenen Mittwoch den überraschenden Rückzug begründet, dass der IS in Syrien nun besiegt sei. Am Samstag ruderte er nach heftiger Kritik etwas zurück und änderte die Formulierung auf „weitgehend besiegt“. Seine Entscheidung sorgte auch in der US-amerikanischen Innenpolitik für Turbulenzen. Der US-Sonderbeauftragte für die Anti-IS-Koalition, Brett McGurk gab Medienberichten zufolge deswegen sein Amt auf.

Die Entscheidung sei ein Schock und eine totale Umkehr der bisherigen Politik, zitierte die „New York Times“ („NYT“) aus einem E-Mail McGurks an seine Mitarbeiter. Sie habe Koalitionspartner konfus und ausländische Mitkämpfer perplex gemacht. Auch international muss sich Trump Kritik wegen seiner Entscheidung gefallen lassen. Erst am Sonntag zeigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Bedauern über den Schritt der USA: „Ein Verbündeter ist es sich schuldig, verlässlich zu sein.“

Inzwischen bemüht sich Trump, den Eindruck zu zerstreuen, dass die Syrien-Entscheidung unüberlegt und überstürzt komme. Am Sonntag verlautbarte er via Twitter, dass er mit Erdogan über den „langsamen und höchst koordinierten“ Abzug von US-Soldaten aus Syrien gesprochen habe. Erdogan ergänzte in seiner Stellungnahme nach dem Telefonat, dass die beiden Staatschefs sich darauf verständigt hätten, militärisch und diplomatisch zu kooperieren, damit der US-Abzug nicht zu einem „Machtvakuum“ führe.

Türkei, Russland, Iran gewinnen an Gewicht

Mit dem US-Rückzug wächst nun das Gewicht anderer Staaten im Syrien-Konflikt – von Russland, der Türkei und auch dem Iran. Das ruft nun Israel auf den Plan, das nun noch stärker gegen eine iranische Präsenz in Syrien vorgehen will: „Wir werden weiter gegen den Versuch des Iran vorgehen, sich dauerhaft militärisch in Syrien zu etablieren, und wenn nötig werden wir unseren Einsatz dort noch ausweiten“, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.