Papst Franziskus beim Segen „Urbi et Orbi“
Reuters/Max Rossi
Päpstlicher Segen

„Verschiedenheit ist Reichtum“

Papst Franziskus hat zum sechsten Mal die Weihnachtsfeierlichkeiten im Vatikan geleitet. Von der Loggia des Petersdoms aus spendete der 82-Jährige am Dienstag den feierlichen Papstsegen „Urbi et Orbi“ (der Stadt und dem Erdkreis). Seine zentrale Botschaft zu Weihnachten war die Forderung nach geschwisterlichem Verhalten.

Bei strahlendem Sonnenschein verkündete der Papst am Dienstag seine Botschaft, beginnend mit den Worten: „Liebe Brüder und Schwestern! Frohe Weihnachten!“ Die universale Essenz von Weihnachten sei, dass Gott ein guter Vater und die Menschen alle Geschwister seien. „Diese Wahrheit liegt dem christlichen Menschsein zugrunde“, so Franziskus. Sein Wunsch sei daher der Wunsch nach Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit.

Das sei möglich zwischen Menschen jeder Kultur, Religion und Herkunft, zwischen Menschen mit unterschiedlichen Ideen, die fähig seien, einander zuzuhören. „Ohne die Geschwisterlichkeit, die Jesus uns geschenkt hat, behalten all unsere Bemühungen um eine gerechtere Welt einen kurzen Atem, und selbst die besten Vorhaben drohen seelenlose Strukturen zu werden“, sagte der Papst vor den Gläubigen.

Papst Franziskus beim Segen „Urbi et Orbi“ vom Balkon der Sankt Peters Kirche
AP/Alessandra Tarantino
Der Papst erteilte den Segen bei strahlendem Sonnenschein

„Die Verschiedenheit ist nicht Gefahr, sondern vielmehr Reichtum“, sagte der Papst. „Es ist wie bei einem Künstler, der ein Mosaik gestalten will: Es ist besser, Steine mit vielen Farben zur Verfügung zu haben, als nur mit wenigen Farben zu arbeiten.“ Die Menschen seien als Brüder und Schwestern verschieden und oft uneinig, aber durch ein starkes Band verbunden.

Nahost-Konflikt und Syrien angesprochen

„Lasst uns zu diesem Weihnachtsfest die Bande der Brüderlichkeit wiederfinden“, so der Papst, der einige Konflikte und Kriege konkret ansprach: „Es liegt an Israelis und Palästinensern, den Dialog wiederaufzunehmen und einen Weg des Friedens zu beschreiten. Damit möge ein mehr als 70 Jahre währender Konflikt beendet werden, der das Land zerreißt“, sagte der Papst. Er forderte weiters politische Lösungen, damit die syrische Bevölkerung wieder in Frieden in der eigenen Heimat leben könne. Für den Jemen hege er die Hoffnung, dass die von der internationalen Gemeinschaft vermittelte Waffenruhe den vielen Kindern und der von Krieg und Hunger erschöpften Bevölkerung Erleichterung bringe.

Der Papst erklärte, er bete für Afrika, wo Millionen von Menschen Flucht und Vertreibung erlitten und humanitäre Hilfe benötigten. Der Heilige Vater äußerte die Hoffnung, dass sich die „brüderliche Bande“, die die Koreanische Halbinsel verbänden, stärkten. Er bete auch für die Wiedererlangung der Einigkeit Venezuelas.

Ruf nach Religionsfreiheit

Franziskus äußerte auch den Wunsch, dass die Ukraine zu einem dauerhaften Frieden zurückkehren könne. „Nur mit dem Frieden, der die Rechte jeder Nation achtet, kann sich das Land von den erfahrenen Leiden erholen und würdige Lebensbedingungen für die eigenen Bürger wiederherstellen“, sagte der Pontifex. Er sei den christlichen Gemeinschaften in der Ukraine nahe und bete darum, dass sie „brüderliche und freundschaftliche Beziehungen“ knüpfen können.

Weihnachten in aller Welt

Papst Franziskus kritisierte am Heiligen Abend in Rom die menschliche Gier nach Konsum, er rief zu mehr Nächstenliebe und Spiritualität auf. Auch an vielen anderen Orten der Welt wurde Weihnachten gefeiert.

Der Papst rief zu Gebeten für jene Menschen auf, die „ideologische, kulturelle und wirtschaftliche Kolonisierung erleiden und ihre Freiheit und ihre Identität gefährdet sehen“. Ebenso denke er an die Völker, die an Hunger und an fehlenden Möglichkeiten im Bildungs- und Gesundheitswesen leiden. Und drückte der Gemeinschaft der verfolgten Christen seine Nähe aus. „Der Herr gewähre ihnen und allen Minderheiten, dass sie in Frieden leben können und dass ihre Rechte, vor allem die Religionsfreiheit, anerkannt werden“, so der Papst.

Kritik an Gier und Konsum

Der Pontifex hatte zuvor bei der traditionellen Christmette am Heiligen Abend die menschliche Gier nach Konsum kritisiert. „Der Mensch ist gierig und fresssüchtig geworden“, sagte der Papst. Für viele sei „das Anhäufen von Dingen“ zum Lebensinhalt geworden. „Wir müssen den Gipfel des Egoismus überschreiten.“

Zugleich rief er am Montagabend im Petersdom in Rom zur Besinnung auf die Spiritualität sowie zum Teilen mit den Armen auf. Die Geburt Jesu habe ein neues Lebensmodell entworfen. Dabei gehe es nicht um „fressen und hamstern, sondern um teilen und geben“, predigte Franziskus. „Fragen wir uns: Zu Weihnachten, teile ich mein Brot mit dem, der keines hat?“

Terrorangst in Rom

In Rom wurden die Sicherheitsvorkehrungen an den Weihnachtsfeiertagen erheblich verschärft. Sehenswürdigkeiten wie das Kolosseum, die größten Basiliken der Ewigen Stadt, die U-Bahn-Zugänge und die Gebäude wichtiger Institutionen sollen an allen Feiertagen strengstens kontrolliert werden, teilte das Innenministerium mit.

Besonderes Augenmerk gelte auch besucherstarken Veranstaltungen und Gottesdiensten zu Weihnachten, aber auch touristischen Sehenswürdigkeiten und Einkaufszentren, hieß es in Rom. Zu den Sicherheitsmaßnahmen zählen bewegliche Absperrgitter an den Zufahrtsstraßen zum Petersplatz sowie Polizei- und Militärposten.

Feiern im Heiligen Land

Die Weihnachtsfeierlichkeiten begannen auch im Heiligen Land: Zahlreiche Gläubige versammelten sich auf dem zentralen Krippenplatz in Bethlehem, um die traditionelle Weihnachtsprozession aus Jerusalem zu empfangen. Die Fahrzeugkolonne wurde angeführt vom Oberhaupt der katholischen Kirche im Heiligen Land, Pierbattista Pizzaballa. An der Geburtskirche in Bethlehem kam Pizzaballa an der Spitze der Prozession zu Fuß an. Am Geburtsort Jesu zelebrierte er die Mitternachtsmesse. Die Geburtskirche stammt aus dem 6. Jahrhundert.

Gläubige feiern eine Messe vor der Geburtskirche in Bethlehem
Reuters/Mussa Qawasma
Gläubige feiern vor der Geburtskirche in Bethlehem

In seiner Weihnachtsbotschaft hatte Pizzaballa von einer sehr schwierigen Realität in der Region gesprochen, „mit Gewalt, politischen Problemen und Spannungen“. Das könne man nicht ändern, sagte er. „Aber wir können die Art verändern, unser Leben in dieser Situation zu leben, in unseren Familien, im kleinen Kreis.“