Syrische Armeesoldaten
APA/AFP
Truppenaufmarsch

Assad nutzt US-Rückzug in Nordsyrien

In Nordsyrien zeichnet sich eine Kettenreaktion im militärischen Aufrüsten ab. Nachdem US-Präsident Donald Trump den Rückzug seiner Truppen bekanntgab und die Türkei die Region Manbidsch bedroht, reagiert nun auch Syriens Machthaber Baschar al-Assad: Er schickt deutlich mehr Soldaten und Militärfahrzeuge gen Norden, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag berichtete.

Ein Aufrüsten sei in der Gegend um Manbidsch klar zu beobachten, so die Informanten und Informantinnen der Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien. Die Angaben der oppositionsnahen Beobachtungsstelle sind von unabhängiger Seite schwer überprüfbar. in In den vergangenen zwei Tagen seien syrische Kämpfer und Militärfahrzeuge an die Grenze des Gebiets gebracht worden, das von kurdischen Truppen kontrolliert wird.

„Die Truppen wurden in die Gebiete nahe Manbidsch geschickt, um einen Angriff der Türkei zu verhindern“, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, der dpa. Regierungsnahe Kreise in Damaskus sagten zur Nachrichtenagentur, eine Elitetruppe der Präsidentengarde und Artillerie seien in die Region verlegt worden.

Erdogan sieht Gefahr durch Kurdenmiliz

Das Gebiet um Manbidsch steht unter der Kontrolle der Kurdenmiliz YPG. Diese ist ein wichtiger Partner der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die YPG war maßgeblich an der Befreiung der IS-Hochburgen al-Rakka und Deir al-Sor beteiligt und kontrolliert einen Teil der Grenze zur Türkei. Die Türkei sieht die Kurdenmiliz jedoch als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation.

Türkische und US-Truppen in Manbij
AP/Turkish Defense Ministry
Trump und Erdogan telefonierten am Donnerstag zum US-Truppenabzug. Sie wollen weiterhin „engen Kontakt“ pflegen.

Seit dem Wochenende verstärkt auch die Türkei ihre Truppen an der syrischen Grenze, laut Medienberichten auch jenseits der syrischen Grenze. In der Nacht auf Dienstag wurden weitere Soldaten an die Grenze verlegt, wie CNN Türk berichtete. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon lange mit einer Offensive gegen die YPG in der Region Manbidsch gedroht, diese aber vergangene Woche fürs erste verschoben. Beobachterinnen und Beobachter schätzen, dass ein solcher Angriff durch den von Trump angekündigten Abzug der US-Truppen in Syrien begünstigt wird.

„IS formiert sich neu“

Trumps Entscheidung sorgte innerhalb der USA wie international für Empörung. Experten halten den IS nicht für besiegt und einen US-Abzug der rund 2.000 Soldatinnen und Soldaten für voreilig. Auch der deutsche Publizist und Ex-Abgeordnete Jürgen Todenhöfer übte am Donnerstag scharfe Kritik am angekündigten US-Rückzug. Es handle sich um eine Mischung aus militärischer Niederlage, Feigheit und Verrat, sagte Todenhöfer im Deutschlandfunk. Der IS, den die USA ausschalten wollten, formiere sich auf anderer Seite neu.

Machthaber Assad, den man stürzen wollte, sei immer noch da. Und der Iran, den man durch den Sturz des Assad-Regimes schwächen wollte, sei stärker, weil er in Syrien nun auch militärisch präsent sei. „Das heißt, das ist strategisch gesehen eine Niederlage auf der ganzen Linie“, so Todenhöfer. Feige nannte der Publizist die angebliche Konzentration der US-Strategie auf die Bombardierung von Städten und Dörfern. Das züchte zudem den Terrorismus. „Und natürlich“ sei der US-Rückzug „ein Verrat an den Kurden“, auf die sich die USA bisher im Kampf gegen den IS stützten.

Trump verteidigt Syrien-Entscheidung

Bei seinem Besuch im Irak verteidigte Trump die Syrien-Entscheidung erneut. „Die Vereinigten Staaten können nicht weiter der Weltpolizist sein“, sagte er am Mittwoch. Es sei nicht fair, wenn allein die Vereinigten Staaten diese Last trügen. Um das, was in Syrien noch vom IS übrig sei, müssten sich nun die Türkei und andere Länder der Region kümmern. Auch in Afghanistan will Trump die Truppenstärke wohl stark reduzieren, was ebenfalls auf viel Unverständnis und Kritik stößt.

Die Türkei erklärte indes, dass der Abzug der US-Truppen den Kampf gegen den IS nicht schwächen werde. Die Türkei habe die Stärke, den IS alleine außer Gefecht zu setzen, so der türkische Außenminister, Mevlüt Cavusoglu, nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara. Er bekräftigte damit die Aussagen des US-Präsidenten. Ein Erdogan-Sprecher sagte nach Angaben von Anadolu, im Kampf gegen den IS werde es keine „Schwäche, Verzögerung und keine Verlangsamung“ geben.

Cavusoglu sagte nach Angaben von Anadolu zudem, dass es niemandem etwas nütze, wenn französische Soldaten die YPG-Kämpfer in Syrien „schützen“. Frankreich ist in Syrien ebenfalls militärisch im Anti-Terror-Kampf engagiert. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte den Abzug der US-Truppen am Wochenende kritisiert.