Der israelischer Autor Amos Oz
AP/Dan Balilty
1939–2018

Amos Oz ist tot

Der vielfach preisgekrönte israelische Schriftsteller Amos Oz ist tot. Der 79-Jährige, der eine der bekanntesten und wichtigsten Persönlichkeiten Israels war, starb am Freitag laut der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ an Krebs. Als Autor drückte er der Entwicklung der jungen modernhebräischen Literatur seinen Stempel auf.

Oz hinterlässt seine Frau Nili und drei Kinder, Fania, Galia und Daniel. Oz’ Werk, das neben Erzählungen und Romanen auch mehrere Kinderbücher und zahlreiche Essays umfasst, gehört zur meistgelesenen israelischen Literatur – im Land und international. Von Beginn der 1960er Jahre bis zu seinem Tod war Oz literarisch und in seinen Wortmeldungen zur politischen Lage eine führende Stimme in Israel. Immer wieder wurde er daher auch als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt.

Oz’ älteste Tochter, die Schriftstellerin und Historikerin Fania Oz-Salzberger, bestätigte den Tod ihres Vaters in einem kurzen Tweet: „Mein geliebter Vater ist eben im Schlaf und friedlich in Anwesenheit seiner Liebsten gestorben – an Krebs, nachdem sich sein Gesundheitszustand rasch verschlechtert hatte.“ Oz-Salzberger bat im Tweet zudem darum, die Privatsphäre zu achten, und betonte: „Danke all jenen, die ihn geliebt haben.“

Oz war stets politisch aktiv. Er war einer der Mitbegründer der Friedensbewegung Schalom Achschav (Peace Now). Auch in seinem Werk behandelt er neben Familientraumata auch nationale Traumata. Als Zwölfjähriger erlebte Oz den Selbstmord seiner Mutter mit. Die schwere Erschütterung, die sein Leben zutiefst prägte, beschrieb er in seinem autobiografischen Roman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“.

Symbolischer Name

Oz kam 1939 unter dem Namen Amos Klausner in Jerusalem als Sohn jüdischer Einwanderer aus der Ukraine zur Welt. In seiner hochgebildeten, rechtszionistischen Familie wuchs er inmitten von Büchern auf. Drei Jahre nach dem Tod seiner Mutter zog er in den Kibbuz Chulda und änderte seinen Familiennamen von Klausner zu „Oz“, was auf Deutsch Stärke bedeutet. Er habe damals mit der Namensänderung symbolisch seinen Vater umgebracht, schrieb Oz später, „um auf den Trümmern ein neues Leben aufzubauen“.

Der israelischer Autor Amos Oz
Reuters/Eloy Alonso
Amos Oz bei der Verleihung des spanischen Prinz-von-Asturien-Preises 2007

„Jede Geschichte ein Geständnis“

Auch seine ersten Erzählungen und das Buch „Unter Freunden“ basierten auf seinen Erfahrungen mit dem Leben in der Kollektivsiedlung. Oz studierte an der Hebräischen Universität in Jerusalem Literatur und Philosophie. Er schrieb zahlreiche Romane und Erzählungen und wurde mit einer ganzen Reihe von Preisen ausgezeichnet, darunter dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels (1992), dem Siegfried-Unseld-Preis (2010) und dem Franz-Kafka-Preis (2013). International bekannte Werke sind unter anderem „Mein Michael“, „Der perfekte Frieden“, „Black Box“, „Ein anderer Ort“ und „Eine Frau erkennen“.

Der autobiografische Roman „Geschichte über Liebe und Finsternis“ wurde 2016 von der Schauspielerin und Regisseurin Natalie Portman verfilmt. „Jede Geschichte, die ich geschrieben habe, ist autobiografisch. Es gibt keine Geschichte, die nicht ein Geständnis ist“, fasste Oz sein Schreiben zusammen.

Mit Abraham B. Yehoshua und David Grossman war Oz gerade im Ausland besonders präsent. Er prägte mit seinen Texten die noch junge, bis in die 1990er Jahre stark männlich dominierte, modernhebräische Literatur in der Phase nach der Staatsgründung entscheidend mit. Stehen Größen wie Chaim Nachman Bialik und Shai Agnon für die Wiederbelebung der hebräischen Literatur in der Zeit vor der Staatsgründung, so zählt Oz mit Sicherheit zu den wichtigsten hebräischen Autoren seit 1948.

Modernhebräisch „einzigartiges Phänomen“

In einem Interview mit der Tageszeitung „Yediot Ahronot“ 2017 sprach Oz selbst von einem „einzigartigen Phänomen in der Geschichte. Und nicht nur das, die Sprache, die einst einige zehntausend Wörter in Bibelhebräisch enthielt, umfasst heute Hunderttausende Wörter, von denen viele auf Basis des ursprünglichen Vokabulars geschaffen wurden … Auf der anderen Seite gibt es wirklich eine Gefahr, weil ich nicht weiß, in welcher Welt wir morgen leben werden und ob unsere Kinder, Enkel und Urenkel Hebräisch wählen werden.“

Seit den 1980er Jahren lebte der Vater dreier Kinder und mehrfache Großvater in der Wüstenstadt Arad. Die Familie zog damals wegen einer Asthmaerkrankung des jüngsten Sohnes Daniel dorthin. Oz unterrichtete an der Ben-Gurion-Universität in Beerscheva Literatur.

Im letzten TV-Interview heuer mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan zeigte sich Oz dankbar für sein Leben. Als Wunsch formulierte er, dass „einige der Wörter, die ich zurücklasse, jemandem gut getan haben, jemanden belastet haben oder jemanden bewegt haben“.

Kritik an Besatzungspolitik

Oz sprach sich immer wieder gegen die israelische Besatzungspolitik aus. Er betonte jedoch, er sei kein weltfremder Pazifist und sehe ein Recht Israels auf Selbstverteidigung. Den Krieg erfuhr Oz auch am eigenen Leib: Als Reservesoldat in einer Panzereinheit kämpfte er im Sechstagekrieg 1967 und dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Bereits früh trat er vehement für eine Zweistaatenlösung ein und kritisierte die israelische Besatzung nach 1967.

Bereits kurz nach dem für Israel letztlich so erfolgreichen Sechstagekrieg veröffentlichte Oz in der Arbeiterzeitung „Davar“ den Essay „Land unserer Vorväter“. „Selbst eine unvermeidliche Besatzung ist eine korrumpierende Besatzung“, warnte er darin vor den langfristigen Folgen der Okkupation nicht nur für die Palästinenser, sondern für die israelische Gesellschaft selbst.

Für Recht auf Selbstverteidigung

Oz hatte freilich einen anderen Blick auf den Nahost-Konflikt als viele europäische Friedensaktivisten, die häufig einseitig Israel für Eskalationen verantwortlich machten. Oz war politisch lange Jahre mit der Arbeiterpartei verbunden, rückte später weiter nach links zu Meretz. Zugleich war er immer ein überzeugter Zionist. Mit Blick auf das Recht auf Selbstverteidigung unterstützte Oz mehrere kriegerische Auseinandersetzungen grundsätzlich – etwa den Libanon-Krieg 2006 gegen die Hisbollah oder den Gaza-Krieg zum Jahreswechsel 2008/2009 sowie 2014. Zugleich drängte er auf die Einhaltung humanitärer Positionen und distanzierte sich, wenn Zivilistinnen und Zivilisten Opfer der Auseinandersetzungen wurden.

Hinweis

In memoriam Amos Oz zeigt ORF2 am Sonntag ab 22.55 Uhr das Porträt „Gegen die Unvernunft“ des Verstorbenen aus dem Jahr 2007 – mehr dazu in tv.ORF.at.

Ö1 wiederholt am Sonntag um 20.15 Uhr eine „Tonspur“ aus dem Jahr 2008 – mehr dazu in oe1.ORF.at.

„Friede unausweichlich“

Beim Begräbnis des früheren Präsidenten und Wegbereiters der Oslo-Abkommen, Shimon Peres, sagte Oz: „Es gibt jene, die sagen, Frieden ist nicht möglich, aber er ist nicht nur möglich, er ist nötig und unausweichlich. Einfach, weil wir nirgendwo anders hingehen, wir haben keinen anderen Platz, wo wir hingehen könnten – und das gleiche gilt für die Palästinenser. Es geht nicht anders, als dieses Haus in zwei Wohnungen zu teilen und daraus ein Zweifamilienwohnhaus zu machen. Tief drinnen kennen diese Wahrheit fast alle auf beiden Seiten.“

Zu seinem 75. Geburtstag meinte er: „Europa hat nach 2.000 Jahren des Blutvergießens und Mordens Frieden gefunden, wir – Juden und Araber – werden dafür weniger Zeit brauchen.“ Sein Wunsch, den Frieden in der Region noch zu erleben, ging nicht in Erfüllung.