Der Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Joseph Kabila
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Kabila vor Abgang

Historische Wahl in DR Kongo

Überschattet von der Angst vor neuen Gewaltausbrüchen stehen in der Demokratischen Republik Kongo am Sonntag historische Wahlen an. Die Wahl ist für ganz Afrika von Bedeutung – die DR Kongo ist flächenmäßig das zweitgrößte und bevölkerungsmäßig das viertgrößte Land des Kontinents. Eine echte demokratische Entwicklung hätte Vorbildwirkung.

Die meisten, die die internen Verhältnisse in dem von Belgien jahrzehntelang brutal ausgebeuteten Land kennen, sind aber skeptisch. Es gilt auch nicht als ausgeschlossen, dass Langzeitpräsident Joseph Kabila – ähnlich wie Wladimir Putin in Russland – auf eine Rückkehr spekuliert.

Zuerst aber stimmen knapp 39 Millionen Wahlberechtigte über ein neues Parlament, neue Provinzregierungen und einen neuen Präsidenten ab. Massive Proteste gab es im Vorfeld dagegen, dass in zwei Konfliktregionen erst im März abgestimmt werden soll. Die Wahl zum Staatschef soll das Ende der 17-jährigen Herrschaft Kabilas einläuten.

Kongolesischer Präsidentschaftskandidat Martin Fayulu
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Oppositionskandidat Martin Fayulu am Sonntag bei der Stimmabgabe

Berichte über Unregelmäßigkeiten

Die Wahlen waren allerdings von Unregelmäßigkeiten überschattet. Wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP und Beobachter der katholischen Kirche berichteten, gab es etwa Verspätungen bei der Öffnung von Wahllokalen und Probleme mit den Wahlmaschinen. Im Bezirk Limete, einer Oppositionshochburg in der Hauptstadt Kinshasa, protestierten Wähler gegen eine große Verspätung bei der Öffnung des Wahllokals, wie AFP-Reporter berichteten. Das Wahllokal konnte zunächst nicht öffnen, weil die Wählerlisten nicht vorlagen.

Es wäre die erste friedliche Machtübergabe in dem konfliktgeplagten Land seit der Unabhängigkeit von Belgien im Jahr 1960. Zur Präsidentschaftswahl sind 21 Kandidaten zugelassen. Reale Chancen haben aber wohl nur drei von ihnen: Emmanuel Ramazani Shadary, Felix Tshisekedi und Martin Fayulu.

Ohne DR Kongo keine Handys

Weltweit ist die DR Kongo als Lieferant für die entscheidenden Rohstoffe für die digitale Wirtschaft von Bedeutung: Das Land – selbst wirtschaftlich stark unterentwickelt – liefert viele jener Mineralien, die für Handys und E-Autos benötigt werden.

Wahlen immer wieder verschoben

Präsident Joseph Kabila, der das Amt im Jahr 2001 nach einem tödlichen Attentat auf seinen Vorgänger und Vater Laurent-Desire Kabila übernahm, darf nach zwei Amtszeiten verfassungsgemäß nicht zur Wahl antreten. Eigentlich hätte er bereits vor zwei Jahren abtreten müssen. Die Wahlen wurden jedoch mehrfach verschoben, Proteste gegen diese Amtszeitverlängerung wurden blutig niedergeschlagen.

Beobachter gehen davon aus, dass der 47-jährige Joseph Kabila auch nach der Wahl noch erheblichen Einfluss auf die Politik des Landes ausüben wird – auch wenn der von ihm als Nachfolger auserkorene Ex-Innenminister Shadary die Wahl nicht gewinnen sollte. Shadary gilt als Hardliner, der als Innenminister Demonstrationen gegen den Präsidenten gewaltsam unterdrücken ließ. Er ist einer von 14 Kongolesen, gegen welche die EU im Mai 2017 wegen Menschenrechtsverletzungen Sanktionen verhängt hat.

Fayulu am populärsten

Vor einigen Tagen wurden Wahlkampfauftritte in der Hauptstadt Kinshasa verboten – und die Wahlen selbst wurden erst letzte Woche einmal mehr verschoben. Das Auftrittsverbot sollte wohl die beiden Oppositionskandidaten, die deutlich beliebter sind als Shadary, treffen.

Als führender Kandidat gilt Martin Fayulu. Der Geschäftsmann und Abgeordnete steht an der Spitze einer Allianz von mehreren Oppositionsparteien. Fayulu warf Kabilas Leuten vor, seinen Wahlkampf zu stören und seine Anhänger zu töten. Kabila wies die Vorwürfe zurück. „Die internationale Gemeinschaft muss fragen, warum nur ein Kandidat gestört wurde“, hielt Fayulu dagegen.

Demonstranten vor Plakat des Präsidentschaftskandidaten Martin Fayulu
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Polizei setzt Tränengas ein, um eine Demonstration aufzulösen. Im Hintergrund ein Plakat von Shadary.

Ein Nachteil für die Opposition, die die grassierende Korruption im System Kabila kritisieren, ist, dass sie sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnte. So tritt neben Fayulu auch Felix Tshisekedi, Sohn des verstorbenen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi, an. Zwei weitere gewichtige Oppositionelle, Ex-Vizepräsident Jean-Pierre Bemba und der Ex-Gouverneur Moise Katumbi, durften gar nicht erst zur Wahl antreten. Beide unterstützen nun Fayulu. Selbst eine geeinte Opposition hätte es aber wohl schwer gehabt gegen Shadary, dessen Wahlplakate jene der Opposition in der Hauptstadt Kinshasa an Zahl stark übertreffen.

Kurzfristige Verschiebung

Die für Sonntag angesetzte Wahl sollte eigentlich bereits am 23. Dezember stattfinden. Nachdem Tausende Wahlcomputer durch einen Brand zerstört worden waren, wurde der Termin um eine Woche verschoben. Es wird jedoch nicht in allen Landesteilen gewählt, in einigen Bezirken der von Ebola und tödlicher Gewalt heimgesuchten Provinzen Nord-Kivu im Osten und Mai-Ndombe im Westen sollen die Menschen erst im März abstimmen. Dennoch soll das Ergebnis der Präsidentschaftswahl bereits ab Mitte Jänner bekanntgegeben werden, die Amtseinführung des neuen Staatschefs ist für den 18. Jänner geplant.

Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Republik Kongo, Felix Tshisekedi
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Oppositionskandidat Felix Tshisekedi bei einem Wahlkampfauftritt

„Regime will Plünderungen fortsetzen“

Von dieser umstrittenen Maßnahme sind 1,3 Millionen Wahlberechtigte betroffen. Die Opposition wirft der Staatsführung in Kinshasa vor, sie wolle mit diesem Trick das gegen Kabila gerichtete Lager ausschalten. „Dieses Manöver zeigt, dass das Regime bleiben will, um seine Plünderungen fortzusetzen“, erklärte der Exiloppositionelle Katumbi. Fraglich ist überdies, ob alle übrigen Wahlberechtigten ihre Stimme werden abgeben können. Im Osten des Landes kämpfen rund ein Dutzend bewaffneter Milizen um die Kontrolle der rohstoffreichen Region.

Um Gewaltausbrüche zu verhindern, rief die nationale Wahlkommission (CENI) die Kandidaten am Freitag zu Gesprächen zusammen. Sie sollten nach Angaben von Fayulu eine Verpflichtung unterzeichnen, dass sie sich vor und nach dem Urnengang „korrekt verhalten“ würden. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief alle Beteiligten auf, einen friedlichen und gewaltfreien Urnengang zu ermöglichen. Er forderte „maximale Zurückhaltung in Wort und Tat“.

Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Republik Kongo, Emmanuel Ramazani Shadary
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Shadary, der Kandidat der Kabila-Partei, beim Wahlkampfauftakt im Dom von Kinshasa

„Aufgabe noch nicht erfüllt“

Ausländische Hilfe bei der Wahl oder UNO-Wahlbeobachter ließ Kabila jedenfalls nicht zu – eine unabhängige Überprüfung des Wahlverlaufes dürfte daher schwierig werden. Kabila, der Wahlen erst nach massivem internationalen Druck zugestimmt hatte, könnte aber sowieso einen anderen Plan verfolgen. Drei Legislaturperioden in Folge sind laut Gesetz verboten. Er könnte aber dem Beispiel Putins folgen – und nach einer Auszeit erneut antreten.

Bei einem Empfang für Journalisten vor Weihnachten betonte Kabila, er schließe nichts aus. „So lange du lebst und eine Vision hast, solltest du nie etwas ausschließen“, zitierte die „New York Times“ („NYT“) Kabila und sprach von „kryptischen“ Aussagen. Demnach sagte der Langzeitpräsident weiter: „Werde ich aktiv sein und versuchen, zu erreichen, was erreicht werden kann? Ja, sicherlich. Ich möchte meinem Land zur Verfügung stehen. Die Aufgabe ist noch nicht erfüllt.“

Kabila werde auch nach seinem Rückzug aus dem Präsidentenamt mindestens zwei Hebel haben, zitierte die „NYT“ einen namentlich nicht genannten US-Diplomaten: Mit dem Parteivorsitz und seinen persönlichen Beziehungen werde Kabila weiter seine Interessen verfolgen können.