Gegner und Befürworter des Brexit vor dem Houses of Parliament in London
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Großbritannien

Abgeordnete drängen zu Brexit-Aufschub

Die Zeit für eine geordnete Regelung des Brexits wird knapp. Entsprechend wächst die Sorge vor Chaos infolge eines „No Deal“-Szenarios. Vor diesem Hintergrund drängen britische Tory- und Labour-Abgeordnete Medienberichten zufolge die britische Regierung auf eine Verschiebung des für 29. März vorgesehenen Austritts Großbritanniens aus der EU.

Es gebe seit mehreren Wochen parteiübergreifende Gespräche von Abgeordneten, um die März-Frist nach hinten zu verschieben, berichtete der britische „Observer“ am Sonntag. Es soll auch Gespräche mit Ministern und der EU gegeben haben. „Ich hatte diese Diskussionen mit Ministern. Sie werden es nicht in der Öffentlichkeit sagen, aber die Option einer Verschiebung muss nun sicher gut angeschaut werden“, wird ein Tory-Abgeordneter zitiert.

Nach dem derzeitigen Plan sollen die britischen Abgeordneten in der Woche vom 14. Jänner über das von Premierministerin Theresa May ausgehandelte Brexit-Paket abstimmen. Rund zwei Monate später wäre bereits das Austrittsdatum. Die für Dezember geplante Abstimmung war kurzfristig verschoben worden. Eine Niederlage Mays war absehbar gewesen. Das Ergebnis ist weiterhin ungewiss.

Verschiebung „unvermeidbar“

Der konservative Abgeordnete Dominic Grieve hält eine Verschiebung des EU-Austritts auch in dem Fall für notwendig, wenn May sich im Parlament durchsetzen kann. Es werde mehr Zeit notwendig sein, um die notwendigen Gesetze auf den Weg zu bringen, so Grieve. Sollte Mays Paket abgelehnt werden, sei die Option eines Aufschubs „unvermeidbar“, um ein „No Deal“-Szenario zu vermeiden.

Labour-Brexit-Sprecher Keir Starmer
Reuters/Simon Dawson
Labour-Abgeordneter Keir Starmer will derzeit keine Option ausschließen

Von Labour-Seite gibt es noch keinen offiziellen Ruf nach einer Verschiebung. Doch der Brexit-Sprecher der Partei, Keir Starmer, betonte, dass alle Optionen im Parlament diskutiert werden müssten: „Wenn der Deal abgelehnt wird, muss das Parlament eine sehr ernsthafte Debatte darüber führen, wie die Wirtschaft vor einem ‚No Deal‘-Szenario geschützt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt sollte nichts ausgeschlossen werden.“ Die beteiligten Abgeordneten rechnen damit, für ihr Anliegen eine Mehrheit im Parlament zu haben, auch wenn die Gruppe der Hardliner in puncto Brexit verärgert wären.

Ausweg zweites Referendum

Erst kürzlich sagte Starmer, dass er mit Vertretern der EU-Kommission und mehreren EU-Staaten über eine Verlängerung der Brexit-Frist gesprochen habe. Die klare Botschaft sei gewesen: Die einzige Basis für einen Aufschub sei ein guter Grund, etwa für ein zweites Referendum, nicht aber die Wiederaufnahme von Verhandlungen.

Ein weiteres Referendum ist also der Weg, ein „No Deal“-Szenario zu verhindern, fasst der Labour-Abgeordnete Chuka Umunna, ein Befürworter eines zweiten Referendums, die Lage aus seiner Sicht zusammen. Selbst der Handelsminister Liam Fox, einer der führenden Brexit-Befürworter, sieht in einem „Sunday Times“-Interview die Chancen eines abgesagten Brexits inzwischen bei 50:50, wenn das Parlament Mays Deal nicht zustimmt.

Malmström warnt vor Chaos

Sollte Großbritannien ohne Austrittsabkommen aus der EU austreten, erwartet EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström chaotische Zustände. Der zollfreie Warenverkehr würde abrupt unterbrochen werden. Vor allem zu Beginn werde es „sehr, sehr kompliziert“ werden.

Ansicht der Hafenstadt Dover
Reuters/Toby Melville
Der Hafen von Dover gilt als einer der zentralen Handelsplätze zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland

Malmström betonte, dass die EU natürlich auch im Fall eines „No Deal“-Brexits Verhandlungen über ein Handelsabkommen beginnen werde. Dafür werde es aber Zeit brauchen. „Also werden die Briten vom ersten Tag an Kontrollen durchführen, und so werden wir es auch machen“, sagte Malmström. Im Hafen von Dover, der einer der Hauptumschlagsorte der Insel für den Warenhandel mit dem europäischen Festland ist, werde es chaotische Verhältnisse geben.