Venezuelanische Migranten mit Koffern
APA/AFP/Rodrigo Buendia
NGO schlägt Alarm

68,5 Millionen derzeit auf der Flucht

Nach einem „extremen Jahr“ 2018 gibt es nach Angaben der deutschen UNO-Flüchtlingshilfe weiter keine Entwarnung in der weltweiten Flüchtlingskrise. Wie die Partnerorganisation des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR am Sonntag mitteilte, seien derzeit 68,5 Millionen und damit so viele Menschen wie noch nie auf der Flucht: „Tendenz steigend“.

Die deutsche Nichtregierungsorganisation verweist insbesondere auf die Situation in Bangladesch, Venezuela, im Jemen und im Südsudan. Kutupalong in Bangladesch sei inzwischen das größte Flüchtlingslager der Welt. Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit seien aus Myanmar dorthin geflohen. Derzeit lebten in dem Camp mehr als 900.000 Menschen.

Venezuela, so die Organisation weiter, erlebe die größte Fluchtbewegung in der modernen Geschichte Lateinamerikas. Drei Millionen Venezolaner haben das Land wegen der katastrophalen Versorgungslage und Repressionen der Regierung bereits verlassen. Die Vereinten Nationen warnten kürzlich, dass es 2019 zu einem weiteren Massenexodus kommen könnte.

Venezuelaner überqueren die Simon-Bolivar-Brücke nach Kolumbien
APA/AFP/George Castellanos

Derzeit leben etwa 3,3 Millionen Venezolaner außerhalb ihres Heimatlandes. Davon sind etwa 2,3 Millionen vor der wirtschaftlichen und politischen Krise geflüchtet, die den südamerikanischen Staat seit 2015 erschüttert. Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass bis Ende des kommenden Jahres 5,3 Millionen Menschen aus Venezuela geflohen sein werden. Es drohe ein „humanitäres Erdbeben“, wie dazu der Sondergesandte des UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für Venezuela, Eduardo Stein, warnte.

Das Land „mit dem größten Problem“

Ernüchternd blickt die UNO-Flüchtlingshilfe indes auch auf den Jemen. Dort seien schon jetzt rund zwei Drittel der Bevölkerung – 20 Millionen Menschen – auf humanitäre Hilfe angewiesen. Diese derzeit größte Krise der Welt habe sich „nahezu unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit“ entwickelt, beklagt die UNO-Flüchtlingshilfe.

Geht es nach dem UNO-Nothilfekoordinator Mark Lowcock, werde der Jemen auch im kommenden Jahr das Land „mit dem größten Problem“ sein. Verschärft werde die ohnehin katastrophale humanitäre Lage dabei noch durch den steigenden Zuzug zahlreicher Flüchtlinge aus Afrika. Im laufenden Jahr würden schätzungsweise 150.000 Menschen in dem kriegszerstörten Land ankommen, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf zuletzt mit. IOM bezeichnete es als „alarmierend“, dass so viele Migranten in ein „gefährliches Kriegsgebiet“ kämen.

„Politische Lösungen kaum in Sicht“

„Die weltweiten Krisen sind komplex, politische Lösungen kaum in Sicht“, zitiert die Deutsche Welle (DW) dazu den Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe, Peter Rudenstroth-Bauer. Abseits der besonders im Winter notwendigen Nothilfe müsse die Weltgemeinschaft nicht zuletzt für Perspektiven für die Betroffenen sorgen, wie Ruhenstroth-Bauer in diesem Zusammenhang forderte.

Politische Lösungen seien für die vielen Krisen derzeit allerdings kaum in Sicht. Am Beispiel Deutschland kritisiert die UNO-Flüchtlingshilfe laut DW vielmehr, dass sich die öffentliche Flüchtlingsdebatte „emotionaler und weniger faktenorientiert“ entwickle.

„Welt geht durch Stresstest“

Von „nervösen Zeiten“ sprach zuletzt auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, der in seiner diesjährigen Neujahrsbotschaft auch die Rekordmigration als eine der derzeit größten Herausforderungen für die Weltgemeinschaft hervorhob. „Unsere Welt geht durch einen Stresstest“, so Guterres. Es gebe aber auch Anlass zur Hoffnung, so Guterres mit Verweis auf die Friedensgespräche für das Bürgerkriegsland Jemen und den erst kürzlich abgeschlossenen UNO-Migrations- und Flüchtlingspakt.

Allein die hitzigen Debatten rund um die beiden Abkommen machte gleichzeitig aber auch deutlich, wie schwer es für die Weltgemeinschaft ist, in der Flüchtlingsfrage einen gemeinsamen Nenner zu finden.