Kellner im Außenbereich einer Skihütte
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Arbeitslosigkeit

Warnung trotz guter Jahreszahlen

Das kräftige Wirtschaftswachstum hat im Jahr 2018 die Arbeitslosenzahlen in Österreich deutlich reduziert. Die Arbeitslosenquote sank um 0,8 Prozentpunkte auf 7,7 Prozent. Die Zahl der arbeitslosen Personen und Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer ging um 7,6 Prozent auf 380.846 im Jahresschnitt zurück. Anlass zur Sorge sieht Christoph Badelt, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), trotzdem – er verweist auf die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit im Land.

„Ein Problem ist die Sockelarbeitslosigkeit, von der wir nicht herunterkommen. Sie ist auch höher als vor der Finanzkrise. Hier gibt es ein Qualifikationsdefizit“, sagte der Wirtschaftsforscher Anfang Jänner dem „Standard“. Unter Sockelarbeitslosigkeit wird der Anteil der Arbeitslosigkeit bezeichnet, der auch unter günstigsten konjunkturellen Bedingungen nicht abgebaut werden kann.

Es geht dabei um Arbeitslose, die aufgrund von Qualifikation, Alter, Gesundheitszustand, Wohnort oder mangelndem Arbeitswillen keinen Job bekommen. Den Sockelanteil bei den Arbeitslosen bezifferte der WIFO-Chef im Dezember mit 36 bis 38 Prozent insgesamt bzw. 45 Prozent bei über 50-Jährigen.

Handlungsbedarf im Bildungswesen

Badelt sieht außerdem Handlungsbedarf im Bildungswesen. „Viel zu viele junge Menschen kommen ohne ausreichende Qualifikation in den Arbeitsmarkt, oft nur mit Pflichtschulabschluss“, warnte der WIFO-Chef. „Auch die zweiten und dritten Generationen von Ausländerfamilien sind wesentlich schlechter gebildet als ihre österreichischen Kohortenangehörigen.“ Es müsse bei sozial benachteiligten Kindern „gezielt investiert werden“.

Eine Grafik zeigt die österreichischen Arbeitslosenzahlen im Jahresvergleich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/AMS

Mit 380.000 arbeitslosen Menschen im Jahresschnitt könne man freilich nicht zufrieden sein, meint AMS-Chef Johannes Kopf im Interview mit dem Ö1-Mittagsjournal – mehr dazu in oe1.ORF.at. „Ganz sicher ist die Arbeitslosigkeit noch immer hoch“, so Kopf. Über die starken Rückgänge der Arbeitslosenzahlen im Jahr 2017 und 2018 dürfe man sich aber dennoch freuen, so Kopf. Es handle sich um den stärksten relativen Rückgang seit dem Jahr 2000.

„Verschiedenheiten weiter bedienen“

Die „Verschiedenheiten“ am Arbeitsmarkt müsse man weiter „bedienen“, der AMS-Chef verweist auf den Fachkräftemangel – Badelt habe das Problem am Bildungssektor angesprochen. Die Vorgängerregierung habe bereits begonnen, gegenzusteuern. Jetzt sei es wichtig, dass die ÖVP-FPÖ-Koalition die Arbeit weiter fortsetzt, meinte der AMS-Chef.

Bei der politischen Debatte um asylwerbende Lehrlinge und ihren Aufenthaltsstatus plädiert Badelt für eine pragmatische Regelung. „Hier brauchen wir eine rechtlich saubere Lösung, beispielsweise im Rahmen des humanitären Bleiberechts. Diese jungen, fleißigen Lehrlinge sind die besten Botschafter für gelungene Integration.“ Badelt empfiehlt eine langfristig gezielte Migrationspolitik. „Wir sollten die Personen mit den Qualifikationen ins Land holen, die wir benötigen“, sagte der WIFO-Chef.

Markantester Rückgang in Tirol

Der markanteste Rückgang im Vergleich zum Jahr 2017 wurde in Tirol (minus 14 Prozent) und in der Steiermark (minus 10,9 Prozent) verzeichnet. Gemessen nach Branchen entspannte sich die Lage insbesondere in der Industrie (minus 12 Prozent).

Ein starkes Minus konnte bei Personen mit Lehrausbildung (minus 10,6 Prozent) verzeichnet werden. Den schwächsten Rückgang gab es hingegen bei Akademikern (minus 1,1 Prozent), Ausländern (minus 2,5 Prozent), Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen (minus 2,2 Prozent) und Personen mit Behinderung (minus 3,6 Prozent). Die sofort verfügbaren offenen Stellen schnellten um 25,8 Prozent auf 71.545 hinauf.

Rate noch deutlich über Niveau vor Krise

Die Arbeitslosenrate lag 2018 mit 7,7 Prozent aber noch deutlich über dem Niveau vor der Finanzkrise. Im Jahr 2008 betrug die Rate nur 5,9 Prozent. Die Arbeitslosenzahlen in Österreich sinken seit März 2017 kontinuierlich. Zwischen Mitte 2011 und Ende 2016 stiegen sie stetig an und erreichten in diesem Zeitraum mit 9,1 Prozent ein Rekordhoch seit dem Jahr 1946.

2018 gab es erneut ein stark steigendes Arbeitskräfteangebot, vor allem aus dem EU-Ausland. Dennoch wurde ein Rückgang der Arbeitslosigkeit in allen Bundesländern und Branchen verzeichnet, am stärksten bei der Warenherstellung (minus 12 Prozent), am Bau (minus 10,2 Prozent) und im Tourismus (minus 10 Prozent).

„Grund für diese hervorragende Entwicklung war ein Beschäftigungsanstieg um rund 86.000 Personen bzw. plus 2,3 Prozent“, so Kopf. Ein derartiges Ausmaß sei „zuletzt in den 1970er Jahren überschritten worden“. Für 2019 erwartet das AMS einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit.

Rückgang des AMS-Förderbudgets „vertretbar“

Der Rückgang des AMS-Förderbudgets im Jahr 2019 auf 1,25 Mrd. Euro von 1,4 Mrd. Euro im Jahr 2018 ist für AMS-Chef Kopf „vertretbar“. Durch das kräftige Wirtschaftswachstum und die vielen offenen Stellen habe es eine Notwendigkeit gegeben, die Arbeitsmarktpolitik anzupassen. 2019 will sich das AMS unter anderem auf die überregionale Arbeitslosenvermittlung und die Fachkräfteausbildung konzentrieren.