Ein Polizist blickt auf beschädigte Waggons
Reuters/Ritzau Scanpix Denmark/Tim Kildeborg Jensen
Zugsunglück in Dänemark

Erste Spekulationen über Hergang

Nach dem Zugsunglück auf der Brücke über den Großen Belt in Dänemark Mittwochfrüh mit mindestens sechs Toten und 16 Verletzten ist die Aufarbeitung angelaufen. Ersten Spekulationen zufolge könnte das Unglück durch einen auf den Zug geladenen Lkw-Anhänger ausgelöst worden sein – eine Rolle haben wohl auch die starken Windböen gespielt.

Der Anhänger sei vermutlich umgekippt oder von dem Güterzug heruntergeweht worden, vermutete Bo Haaning von der zuständigen Unfallkommission gegenüber der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau. Er habe den entgegenkommenden Schnellzug entweder frontal oder seitlich gerammt. Genaueres zur Unfallursache gebe es aber noch nicht. Zum Unglückszeitpunkt hatte es heftig über Teilen Skandinaviens gestürmt, auch über dem Großen Belt.

Auf der 18 Kilometer langen Brücke über den Großen Belt war der Schnellzug um etwa 7.30 Uhr verunglückt – zu jenem Zeitpunkt, als ihn ein Güterzug der DB Cargo, der Güterverkehrstochter der Deutschen Bahn, passierte. Auf Bildern ist zu sehen, dass der Güterzug mit Bierkisten beladen war. Die Brücke verbindet die dänischen Inseln Fünen und Seeland und ist damit einer der wichtigsten Verkehrswege Dänemarks.

Arbeiter vor einem beschädigten Triebwagen
APA/AFP/Tim K. Jensen
Einsatzkräfte bei Aufräumarbeiten am Unfallort – über den Hergang wird derzeit spekuliert

Aufarbeitung könnte Monate dauern

Klar ist: Der Personenzug ist von einem Gegenstand getroffen worden und musste hart bremsen. Die Polizei bestätigte bisher nur ein „unbekanntes Objekt“, das den Personenzug getroffen haben soll. „Wir wissen noch nicht genau, was die Unfallursache war“, so Polizeisprecher Lars Braemhoej. Es könne Wochen und Monate dauern, bis man den kompletten Überblick über den Unfall bekomme, hieß es vom Unfalluntersuchungsamt.

Karte zeigt die Brücke über den Großen Belt in Dänemark
Grafik: OSM/ORF.at

Der Chef des Ermittlungsteams, Martin Puggaard, sagte gegenüber der Zeitung „Berlingske“, es würden nun Daten gesammelt. Wie in Flugzeugen würde an Bord der meisten Züge ebenfalls eine Blackbox Informationen aufzeichnen, die Daten zu Geschwindigkeit und Maschinen liefern könne – diese müsse nun angefordert werden. Außerdem würden die Ermittler mit Zeuginnen und Zeugen sprechen. Die Gruppe der Ermittler bestehe neben Polizeibeamten auch aus Ingenieuren und ehemaligen Triebfahrzeugführern, so der Chefermittler.

Zugang für Rettungskräfte erschwert

In weiteren Berichten heißt es, eine Windböe habe das Dach des Güterzuges abgerissen. Der Güterzug transportierte neben Bierkisten auch Verpackungsmaterial der Brauerei Carlsberg, was sowohl die DB Cargo als auch Carlsberg bestätigten. Die Deutsche Bahn sicherte den Ermittlern Unterstützung zu. Bilder zeigen den völlig zerstörten Frachtzug, dessen Waggons zum Teil ganze Seitenwände fehlen. Den Dänischen Staatsbahnen zufolge waren 131 Passagiere und drei Besatzungsmitglieder an Bord des Personenzugs. Alle Getöteten seien Passagiere gewesen.

Beschädigter Güterzug auf der Brücke über den Großen Belt
Reuters/Ritzau Scanpix Denmark
Offenbar hatte sich ein Teil vom Güterzug durch den Sturm gelöst

Der Sturm erschwerte Rettungskräften den Zugang zur Unfallstelle, man habe dann aber doch erfolgreich zum Ort des Geschehens durchdringen können. Die Polizei rief indes unverletzte Passagiere dazu auf, sich mit ihren Angehörigen in Verbindung zu setzen und ihnen mitzuteilen, dass sie sich in gutem Zustand befinden. Der Aufruf sei erfolgt, nachdem die Polizei die Passagiere aus dem Zug gebeten hatte, keine Videos aufzunehmen oder Bilder vom Unfall zu machen, wie „Berlingske“ berichtet.

In der Stadt Nyborg, am westlichen Ende der Brücke, sei zudem ein Krisenzentrum in einer Sporthalle eingerichtet worden. Die betroffenen Passagiere und Passagierinnen seien dorthin gebracht worden, berichtet die Zeitung, Notfallpsychologen stünden bereit.

Schlimmstes Zugsunglück seit 1988

Nach Ritzau-Angaben handelte es sich um das schlimmste Zugsunglück in Dänemark seit 1988. Tödliche Zugsunfälle sind in Dänemark, das über weitreichende Bahninfrastruktur verfügt, äußerst selten. Als Folge des Zugsunglücks wurden alle Zugsverbindungen zwischen der Hafenstadt Korsor und Nyborg eingestellt.

Tote und Verletzte bei Zugsunglück auf Brücke in Dänemark

Ein schweres Zugsunglück auf der Brücke über den Großen Belt in Dänemark hat mehrere Tote und Verletzte gefordert. (Videoquelle: EBU/TV2; Simon Voldsgaard Tondering)

Königin Margrethe trauert um Opfer

Die dänische Königin Margrethe II. reagierte mit großer Betroffenheit. Das Unglück berühre sie zutiefst, erklärte sie am Mittwoch auf der Website des Königshauses. „Meine Gedanken und mein tiefstes Mitgefühl gehen sowohl an die Hinterbliebenen und ihre Familien als auch an die Verletzten.“

Auch der schwedische Premierminister Stefan Löfven kommentierte den Unfall auf Twitter. Der „furchtbare Zugsunfall“ sei eine „Folge des Sturms Alfrida“ gewesen, so Löfven. „Unsere Gedanken sind bei den Verletzten und den Familien und Verwandten der Getöteten“, schrieb er in seinem Tweet.

Unklar, warum Züge fahren durften

Die Brücke über den Großen Belt und die Öresund-Brücke zwischen Dänemark und Schweden waren im Vorfeld des Unfalls wegen heftigen Windes bereits für den Autoverkehr gesperrt gewesen. Am Vormittag war die Storebaelt-Brücke zumindest in einer Richtung aber wieder befahrbar. Warum trotzdem Züge fahren durften, wollte die Polizei zunächst nicht kommentieren.

Rund 21.000 Zugspassagiere und 27.000 Fahrzeuge fahren täglich über die Brücke über den Großen Belt. Zuvor hatte heftiger Wind in weiten Teilen Skandinaviens zu Stromausfällen und Verkehrsbehinderungen geführt. Auch der Fährverkehr wurde durch den Sturm beeinträchtigt. In Schweden waren in der Früh wegen umgestürzter Bäume mehr als 100.000 Haushalte ohne Strom.