Die Demokraten haben erstmals seit 2011 wieder eine Mehrheit im Repräsentantenhaus. Das Ende der Durststrecke bedeutet auch einen Höhepunkt in der Karriere von Nancy Pelosi. Die nunmehr wichtigste Gegenspielerin von Präsident Donald Trump wurde zur Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses gewählt. Diese Funktion hatte sie – als erste Frau in der US-Geschichte – bereits von 2007 bis 2011 inne.
Pelosi erhielt 220 der insgesamt 435 Stimmen. Damit stimmten auch mindestens 15 demokratische Abgeordnete nicht für Pelosi. Im Senat – der zweiten Kammer des US-Parlaments – vereidigte Vizepräsident Mike Pence die 100 Senatoren. Aus jedem der 50 Bundesstaaten kommen zwei, 35 waren im November neu bestimmt worden. Im Senat haben die Republikaner weiterhin eine Mehrheit von 53 zu 47 Sitzen.
„Historischer Moment“
Pelosi sprach nach der Abstimmung von einem „historischen Moment“ und sagte: „Vor zwei Monaten hat das amerikanische Volk gesprochen und eine neue Morgendämmerung gefordert.“ Den Republikanern bot sie Zusammenarbeit an. „Wir werden uns darum bemühen, über den Gang in dieser Kammer und die Spaltungen in unserer Nation hinweg die Hand auszustrecken.“ Sie bekannte sich dazu, „dass dieser Kongress transparent, überparteilich und vereinend sein wird“.
Pelosi bei ihrer Vereidigung im Abgeordnetenhaus
Zum Amtseid als neue Vorsitzende im US-Abgeordnetenhaus lud die Demokratin Nancy Pelosi ihre Enkelkinder und danach auch die Kinder anderer Abgeordneter ein, zum Sprecherpult zu kommen.
Die 78-Jährige war parteiintern umstritten. Kritiker warfen ihr vor, an der Führungsrolle zu kleben. Ihre Person stehe nicht für einen Neuanfang der Demokraten im Washingtoner Politikbetrieb, der von vielen Amerikanern als intransparent bis korrupt beschrieben wird.
Pelosi betonte in ihrer Rede: „Lasst uns zusichern, dass wir uns gegenseitig respektieren und die Wahrheit respektieren, wenn wir verschiedener Meinung sind.“ Das könnte als Seitenhieb gegen Trump verstanden werden, dessen Aussagen häufig Halb- oder Unwahrheiten enthalten und dem Kritiker respektlosen Umgang mit Gegnern vorwerfen.
Amtseid gemeinsam mit Kindern
Zum Amtseid lud die 78-Jährige zunächst ihre neun Enkelkinder ein, zum Sprecherpult zu treten. Sie fügte dann hinzu: „Und alle anderen Kinder, die sich ihnen anschließen wollen.“ Daraufhin strömten Kinder auch von anderen Abgeordneten an die Stirnseite der Kammer. Nach ihrer Vereidigung schritt Pelosi zu ihrer ersten Amtshandlung als Vorsitzende und sagte: „Ich rufe das Haus jetzt zur Ordnung – im Namen aller Kinder Amerikas.“
Anschließend fragte Pelosi die Kinder, ob sie zurück zu ihren Eltern wollten. Als einige der jungen Besucher zögerten, sagte sie: „Ihr könnt bleiben, wenn ihr wollt!“ Danach forderte Pelosi die Abgeordneten des Repräsentantenhauses auf, sich für deren Amtseid zu erheben. „Sie sind alle aufgestanden“, merkte ein Bub an Pelosis linker Seite sicherheitshalber an. Nachdem auch die Abgeordneten vereidigt waren, verließen die Kinder die Bühne wieder – manche gaben der neuen Vorsitzenden dabei noch ein Bussi auf die Wange.
Untersuchungen gegen Präsidenten
Es wird für die kommenden Monate erwartet, dass die Demokraten von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, zahlreiche parlamentarische Untersuchungen gegen Trump einzuleiten und ihn gegebenenfalls auch vorzuladen – bis hin zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren. Dies ist mit der Mehrheit der Demokraten bei Vorliegen eines Verdachts einer schweren Verfehlung grundsätzlich möglich.
Geführt und letztlich entschieden würde ein solches Verfahren jedoch im republikanisch dominierten Senat. Um Trump tatsächlich des Amtes zu entheben, würde es also einer Absetzbewegung der Republikaner von ihrem Präsidenten bedürfen.