Ocasio-Cortez takes und Jackson Lee
Reuters/Kevin Lamarque
Erste Sitzung

Ein US-Kongress, wie er noch nie war

Seit den Wahlen im November war klar: Der US-Kongress wird so weiblich wie nie in der Geschichte. Und noch nie kamen Abgeordnete aus so vielen unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Am Donnerstag war es so weit – die vielen Neuen feierten ihre Angelobung gebührend, dann ging es aber gleich an die Arbeit.

Die Demokraten haben erstmals seit 2011 wieder eine Mehrheit im Repräsentantenhaus. Das Ende der Durststrecke bedeutet auch einen Höhepunkt in der Karriere von Nancy Pelosi. Die nunmehr wichtigste Gegenspielerin von Präsident Donald Trump wurde zur Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses gewählt. Diese Funktion hatte sie – als erste Frau in der US-Geschichte – bereits von 2007 bis 2011 inne.

Pelosi erhielt 220 der insgesamt 435 Stimmen. Damit stimmten auch mindestens 15 demokratische Abgeordnete nicht für Pelosi. Im Senat – der zweiten Kammer des US-Parlaments – vereidigte Vizepräsident Mike Pence die 100 Senatoren. Aus jedem der 50 Bundesstaaten kommen zwei, 35 waren im November neu bestimmt worden. Im Senat haben die Republikaner weiterhin eine Mehrheit von 53 zu 47 Sitzen.

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Ocasio-Cortez, Ann McLane Kuster und Barbara Lee
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Alexandria Ocasio-Cortez, die neu gewählte New Yorker Abgeordnete, die mit ihrem Wahlkampf für Furore sorgte, beim Selfie mit ihren demokratischen Kolleginnen Barbara Lee und Ann McLane Kuster.
Gruppenbild vor dem Kapitol
AP/Pablo Martinez Monsivais
111 neue Gesichter gibt es im Kongress seit Donnerstag: Erstmals vereidigt wurden zehn Senatorinnen und Senatoren und 101 Abgeordnete. Noch nie gab es so viele Frauen im Abgeordnetenhaus – und noch nie kamen die Abgeordneten von so vielen verschiedenen ethnischen Gruppen.
Mitglieder des Black Caucus
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Im Bild sind alle afroamerikanischen Kongressmitglieder – aus Senat wie Repräsentantenhaus – zu sehen. Sie treffen einander regelmäßig im „Black Caucus“ – einem parteiübergreifenden Gremium, das versucht, gemeinsame Interessen für ihre Wählergruppe umzusetzen.
Lauren Underwood, Ayanna Pressley, und Ilhan Omar
AP/Jose Luis Magana
Vor allem in den Reihen der Demokraten gibt es viele neue und weibliche Gesichter. Erstmals sitzt mit Ilhan Omar (ganz rechts) auch eine muslimische Frau im Repräsentantenhaus.
Die designierte Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi
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Nancy Pelosi wurde trotz ihrer im Vorfeld innerhalb der Demokraten umstrittenen Kandidatur mit deutlicher Mehrheit zur Vorsitzenden des Repräsentantenhauess gewählt.

„Historischer Moment“

Pelosi sprach nach der Abstimmung von einem „historischen Moment“ und sagte: „Vor zwei Monaten hat das amerikanische Volk gesprochen und eine neue Morgendämmerung gefordert.“ Den Republikanern bot sie Zusammenarbeit an. „Wir werden uns darum bemühen, über den Gang in dieser Kammer und die Spaltungen in unserer Nation hinweg die Hand auszustrecken.“ Sie bekannte sich dazu, „dass dieser Kongress transparent, überparteilich und vereinend sein wird“.

Pelosi bei ihrer Vereidigung im Abgeordnetenhaus

Zum Amtseid als neue Vorsitzende im US-Abgeordnetenhaus lud die Demokratin Nancy Pelosi ihre Enkelkinder und danach auch die Kinder anderer Abgeordneter ein, zum Sprecherpult zu kommen.

Die 78-Jährige war parteiintern umstritten. Kritiker warfen ihr vor, an der Führungsrolle zu kleben. Ihre Person stehe nicht für einen Neuanfang der Demokraten im Washingtoner Politikbetrieb, der von vielen Amerikanern als intransparent bis korrupt beschrieben wird.

Pelosi betonte in ihrer Rede: „Lasst uns zusichern, dass wir uns gegenseitig respektieren und die Wahrheit respektieren, wenn wir verschiedener Meinung sind.“ Das könnte als Seitenhieb gegen Trump verstanden werden, dessen Aussagen häufig Halb- oder Unwahrheiten enthalten und dem Kritiker respektlosen Umgang mit Gegnern vorwerfen.

Nancy Pelosi umringt von Kindern bei der Angelobung
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Beim Amtseid scharte Pelosi ihre Enkelkinder und die Kinder zahlreicher anderer Abgeordneter um sich, die die große Bühne sichtlich genossen

Amtseid gemeinsam mit Kindern

Zum Amtseid lud die 78-Jährige zunächst ihre neun Enkelkinder ein, zum Sprecherpult zu treten. Sie fügte dann hinzu: „Und alle anderen Kinder, die sich ihnen anschließen wollen.“ Daraufhin strömten Kinder auch von anderen Abgeordneten an die Stirnseite der Kammer. Nach ihrer Vereidigung schritt Pelosi zu ihrer ersten Amtshandlung als Vorsitzende und sagte: „Ich rufe das Haus jetzt zur Ordnung – im Namen aller Kinder Amerikas.“

Anschließend fragte Pelosi die Kinder, ob sie zurück zu ihren Eltern wollten. Als einige der jungen Besucher zögerten, sagte sie: „Ihr könnt bleiben, wenn ihr wollt!“ Danach forderte Pelosi die Abgeordneten des Repräsentantenhauses auf, sich für deren Amtseid zu erheben. „Sie sind alle aufgestanden“, merkte ein Bub an Pelosis linker Seite sicherheitshalber an. Nachdem auch die Abgeordneten vereidigt waren, verließen die Kinder die Bühne wieder – manche gaben der neuen Vorsitzenden dabei noch ein Bussi auf die Wange.

Die designierte Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi
AP/Carolyn Kaster
Machtübergabe im Repräsentantenhaus

Untersuchungen gegen Präsidenten

Es wird für die kommenden Monate erwartet, dass die Demokraten von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, zahlreiche parlamentarische Untersuchungen gegen Trump einzuleiten und ihn gegebenenfalls auch vorzuladen – bis hin zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren. Dies ist mit der Mehrheit der Demokraten bei Vorliegen eines Verdachts einer schweren Verfehlung grundsätzlich möglich.

Geführt und letztlich entschieden würde ein solches Verfahren jedoch im republikanisch dominierten Senat. Um Trump tatsächlich des Amtes zu entheben, würde es also einer Absetzbewegung der Republikaner von ihrem Präsidenten bedürfen.