Demonstranten gegen Ungarns Premier Orban auf der Kettenbrücke in Budapest
Reuters/Marko Djurica
Gegen Viktor Orban

Opposition hofft auf neue Protestwelle

In Budapest haben am Samstag an die 10.000 Menschen gegen die ungarische Regierung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban demonstriert. Nach einem Marsch durch die Innenstadt zogen sie bei nasskaltem Wetter vor das Budapester Parlament. Der Protest knüpfte an eine Serie von Demonstrationen vor der Jahreswende an, bei denen die Rücknahme eines neuen Überstundengesetzes gefordert wurde.

Die Menge skandierte beispielsweise „Wir werden keine Sklaven sein“ und „Dreckige FIDESZ“. Mit den Stimmen der Regierungspartei FIDESZ hatte das Parlament Mitte des Vormonats ein neues Gesetz gebilligt, das es den Arbeitgeber ermöglicht, von ihren Mitarbeitern bis zu 400 Überstunden im Jahr zu verlangen.

Er war die erste große Aktion nach den Feiertagen und den Demonstrationen im Dezember. Damals gingen Zehntausende wegen der Arbeitsgesetzreform auf die Straße. Die Opposition hofft auf eine neue Protestwelle.

Gewalt bei Demos im Dezember

Bereits bei den Protesten im Dezember vergangenen Jahres war es zu Ausschreitungen und Tätlichkeiten auf dem Kossuth-Platz gekommen. Demonstrantinnen und Demonstranten hatten Rauchgranaten und Flaschen auf die Polizei geworfen. Diese wiederum ging mit Tränengas gegen die Menschen vor. Die Polizei warnte vor gesetzeswidrigen Handlungen und forderte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, die Gesichter nicht zu maskieren. Erst die letzten Protestaktionen, wo auch alle Oppositionsparteien vertreten waren, verliefen friedlich.

„Jahr des Widerstands“ in Ungarn angekündigt

Die Opposition, Gewerkschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen wollen den Schwung aus dem alten Jahr mitnehmen, um den Druck auf die rechtskonservative Regierung zu erhöhen. Nach den ersten Demonstrationen wittern sie ihre Chance gegen Orban. Immerhin hatte die Reform des Arbeitsgesetzes, die eine Ausdehnung der Überstunden von 250 auf 400 im Jahr sowie die Erweiterung des Zahlungsrahmens bis zu drei Jahren erlaubt, die größte Protestwelle seit Orbans Amtsantritt im Jahr 2010 ausgelöst.

Demonstranten gegen Ungarns Premier Orban werden von der Polizei mit Tränengas beschossen
Reuters/Bernadett Szabo
Während der Demonstrationen im Dezember kam es zu Ausschreitungen und Tränengaseinsatz

Am Donnerstag kündigten Oppositionspolitiker und -politikerinnen vor dem Parlamentsgebäude in Budapest schon einmal an, das Jahr 2019 zu einem „Jahr des Widerstands“ zu machen. „Das werden wir mit der Einheit und Zusammenarbeit aller Oppositionsparteien tun“, hieß es. Die Parteien – von den Sozialdemokraten auf der einen Seite bis zur rechtsradikalen Jobbik-Partei auf der anderen – betonten dabei die Wichtigkeit ihrer Kooperation und legten einen „Schwur“ zum Kampf für die Realisierung ihrer Fünf-Punkte-Petition ab.

Neben der Rücknahme der Arbeitsgesetzreform forderten sie die Verringerung von Überstunden der Polizei, eine unabhängige Justiz, den Beitritt Ungarns zur Europäischen Staatsanwaltschaft sowie unabhängige öffentlich-rechtliche Medien. „Wenn die Regierung eines Landes ihr eigenes Volk verrät, dann ist die Zeit reif für Meuterei“, formulierten die verschiedenen politischen Couleurs Richtung Regierungspartei FIDESZ. Orban selbst bezeichnete die Protestwelle als „hysterisches Geschrei“, das Ungarn ruiniere.

„Befinden uns in einer demokratischen Diktatur“

In einem Interview mit dem Linzer „Volksblatt“ sagte der ehemalige Weggefährte und heutige Kritiker von Orban, der Pastor Gabor Roszik, dass er sich manchmal denke, Ungarn sei „schlimmer als vor 30 Jahren. Wir befinden uns in einer demokratischen Diktatur. Vor 30 Jahren wussten wir genau, wer der Feind ist. Heute haben wir eine Regierung, die sich konservativ und christlich-demokratisch nennt, aber gegen alle diese Prinzipien verstößt“, sagte Roszik, der 1989 als erster unabhängiger Kandidat ins ungarische Parlament einzog.

Damals wurde Roszik von der neue gegründeten FIDESZ unterstützt, die von Orban angeführt wurde. Der Premier sei damals „klar ein Liberaler“ gewesen, so der evangelische Pastor. Orban habe sich aber geändert, „vom Demokraten zu einem neuen kommunistischen Diktator“. Die ganze Gesellschaft sei derart manipuliert, dass viele Menschen glauben würden, alles sei in Ordnung in Ungarn. Roszik hofft, dass die Demonstrationen heuer weitergehen. Dass die Parteien der Opposition nun zusammenarbeiten, begrüßt er.

Gegenüber CNN sagte der ungarische Politikwissenschaftler Bulcsu Hunyadi, der als Analyst im Budapester Thinktank Political Capital tätig ist, es sei überhaupt das erste Mal, dass die Opposition geschlossen gegen Gesetze der Orban-Regierung vorgehe – auch außerhalb des Parlaments. Neu sei auch, so schreiben jedenfalls BBC und CNN, dass sich auch Personen an den Demonstrationen beteiligen, die für gewöhnlich nicht daran teilnehmen. Wie die Zusammensetzung der Teilnehmenden beim ersten Protest im Jahr 2019 aussehen wird, ist aber genauso fraglich wie deren Anzahl.