US-Truppen in Syrien
APA/AFP/Delil Souleiman
Vor Abzug aus Syrien

USA sorgen sich um Schicksal der Kurden

Die USA stellen vor ihrem angekündigten Truppenabzug aus Syrien eine neue Bedingung an die Türkei. Sie verlangen den Schutz der mit den USA verbündeten Kurden im Norden des Bürgerkriegslandes. Die US-Position laute, dass die Türkei die Kurden nicht töten dürfe und dass das US-Militär ohne eine Vereinbarung darüber nicht aus Syrien abgezogen werde, sagte der Nationale Sicherheitsberater John Bolton am Sonntag in Jerusalem.

Die Türkei sollte demnach keinen Militäreinsatz unternehmen dürfen, der nicht vollständig mit den USA abgestimmt sei, um die US-Truppen nicht zu gefährden, so Bolton weiter. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) in Washington bestätigte entsprechende Medienberichte, wonach der Sicherheitsberater das vor seinem Treffen mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in Jerusalem bekanntgegeben habe.

Die US-Regierung ist unter anderem besorgt darüber, was mit ihren kurdischen Alliierten im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geschieht, sollte die Türkei sich stärker in Syrien einbringen. „Wir denken nicht, dass die Türken Militäroperationen unternehmen sollten, die nicht voll mit den USA abgestimmt sind und denen die USA nicht zugestimmt haben“, sagte Bolton den Berichten zufolge.

Bolton: Trump verlangt Erdogans Bekenntnis

US-Präsident Donald Trump verlange ein entsprechendes Bekenntnis von seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan, so Bolton. „Es gibt Ziele, die wir erreichen wollen, die den Abzug aus Syrien beeinflussen.“ Der Abzug der 2.000 US-Soldaten könnte demnach deutlich langsamer vorangehen, als Trump dies vor Weihnachten in Aussicht gestellt hatte. „Zeitpläne entstehen aus der Erfüllung von Bedingungen und aus der Schaffung von Umständen, die wir sehen wollen“, sagte Bolton. Er deutete auch an, dass die US-Präsenz im Süden Syriens länger erhalten werden könnte als die im Norden des Bürgerkriegslandes.

Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan
APA/AFP/Tatyana Zenkovich
Noch vor ein paar Wochen zeigte sich Trump überzeugt, dass er in Syrien voll und ganz auf Erdogan zählen kann

Die Türkei müsste nach Ansicht von US-Beamten erheblich von den USA unterstützt werden, um die Hauptverantwortung im Kampf gegen den IS in Syrien übernehmen zu können. Das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichtete am Wochenende unter Berufung auf namentlich nicht genannte hohe Regierungsquellen, dass die Türkei um Hilfe unter anderem für Luftangriffe, Transporte und Logistik gebeten habe. „Die türkischen Anfragen sind so umfangreich, dass, wenn voll erfüllt, das US-Militär seine Einbindung in Syrien vertiefen würde, statt sie zu reduzieren“, heißt es in dem Bericht.

Trump: Türkei kann IS in Syrien „auslöschen“

Trump hatte vor Weihnachten den Abzug der US-Truppen aus Syrien angeordnet. Per Twitter gab Trump an, dass Erdogan versichert habe, die Türkei könne die Überbleibsel des IS in Syrien „auslöschen“. In dem „WSJ“-Bericht heißt es, im US-Verteidigungsministerium sei man skeptisch, ob die Türkei die Rolle der USA angemessen ersetzen könne.

Die Türkei hatte kurz vor Ankündigung des US-Truppenabzugs noch eine Offensive gegen die kurdische YPG-Miliz in Nordsyrien beginnen wollen. Ankara sieht die YPG, die an der türkischen Grenze Gebiete beherrscht, als Terrororganisation an. US-Außenminister Mike Pompeo sagte Ende der Woche, man wolle sicherzustellen, „dass die Türken die Kurden nicht abschlachten“. Pompeo will am Dienstag eine Reise durch acht arabische Länder im Nahen Osten antreten.

Türkei: Verfolgen keine Kurden

Der Sprecher des türkischen Präsidenten, Ibrahim Kalin, sagte nach Boltons Aussagen, dass eine Terrorgruppe wie die YPG kein Alliierter der USA sein könne. Mit dem Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und deren syrische Zweige verfolge die Türkei das Ziel, andere Kurden „aus der Tyrannei und Unterdrückung dieser Terrorgruppe zu befreien“, sagte Kalin laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi. Die Behauptung, die Türkei würde auf Kurden zielen, sei irrational.

Bolton sichert Israel Unterstützung zu

Bolton sicherte zudem am Sonntag Israel fortwährende Unterstützung zu. Er sagte nach seinem Treffen mit Netanjahu, man wolle „die Verteidigung Israels und unserer anderen Freunde in der Region absolut sicherstellen“. Die USA wollten sich auch um jene kümmern, die mit uns gegen die Terrormiliz IS und andere Terrorgruppen gekämpft haben. Ein Abzug aus dem Nordosten Syriens solle so erfolgen, „dass der Islamische Staat geschlagen ist und sich nicht wieder erholen und erneut eine Bedrohung werden kann“, sagte Bolton.

Unter Trump und Netanjahu sei die Beziehung der USA mit Israel „die beste in unserer Geschichte“, sagte Bolton. Er warf dem Iran vor, weiterhin den Bau von Atomwaffen anzustreben. „Die Vereinigten Staaten und Israel sind strategisch verpflichtet, das zu verhindern.“ An der US-Unterstützung für Israels Recht auf Selbstverteidigung könne kein Zweifel bestehen, so der US-Sicherheitsberater.

Netanjahu dankte Bolton und kündigte an, er wolle am Montag mit ihm die Golanhöhen besuchen – falls das Wetter das erlaube. Bei einem Besuch des Plateaus werde Bolton „vollkommen verstehen, warum wir die Golanhöhen niemals verlassen werden und warum es so wichtig ist, dass andere Länder das anerkennen“, sagte Netanjahu.

Weitere hochrangige Treffen erwartet

Bolton wird am Dienstag in der Türkei erwartet. Begleitet wird er von US-Generalstabschef Joseph Dunford und dem Syrien-Gesandten James Jeffrey. Boltons Sprecher zufolge gibt es unter anderem Gespräche mit Verteidigungsminister Hulusi Akar und Geheimdienstchef Hakan Fidan. Sonntagfrüh twitterte Bolton eine Warnung an die Adresse der syrischen Regierung, die Gespräche über den US-Abzug nicht als Einladung für den erneuten Einsatz von Chemiewaffen zu verstehen: „Auf jeden Gebrauch wird es eine schnelle, starke Antwort geben.“

Im Rahmen der Reisediplomatie vor dem Abzug der US-Truppen aus Syrien steht außerdem ein weiteres Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Das meldeten türkische und russische Medien am Sonntag. Der staatlichen türkischen Agentur Anadolu zufolge soll das Treffen noch im Jänner stattfinden. Die Türkei unterstützt in Syrien oppositionelle Rebellen, Russland zusammen mit dem Iran die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad.