Kinder in Rumänien
APA/AFP/Andrei Pungovschi
EU

Zwist um Familienbeihilfe verschärft sich

Im Streit über die Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe stehen die Zeichen auf Konfrontation. Auf die Erklärung Rumäniens, eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu erwägen, reagiert Österreich mit Kritik am aktuellen EU-Ratsvorsitzland. Ein Vorsitzland sollte sich „möglichst neutral“ verhalten, hieß es am Montag aus dem Familienministerium.

Für ein Vorsitzland „wäre es eigentlich üblich, den Ansatz des honest broker (‚ehrlicher Makler‘) zu verfolgen und sich möglichst neutral zu verhalten“, hieß es in einer Aussendung. Darin wurden von Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) die Argumente der Bundesregierung für das neue Gesetz erneut angeführt. Das Gesetz war im Herbst während des österreichischen Ratsvorsitzes beschlossen worden.

Die Indexierung bringe mehr Gerechtigkeit und sei kein Gehaltsbestandteil und keine Versicherungsleistung, so Bogner-Strauß. Daher sei die Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten des Staates angepasst worden, in dem das Kind wohnt. Alle Eltern würden den gleichen prozentualen Anteil an Lebenshaltungskosten refundiert bekommen und damit alle Eltern in der EU, dem EWR und der Schweiz gleich behandelt.

Österreich beruft sich auf eigenes Gutachten

Das Ministerium beruft sich in seiner Rechtsansicht auf den Wiener Sozialrechtler Wolfgang Mazal, der in einem Rechtsgutachten der Indexierungsmaßnahme Europarechtskonformität attestiert hatte. Das Ministerium wies zudem darauf hin, dass rumänische Kinder, deren Eltern in Österreich arbeiten, weiterhin mehr Geld bekommen würden als jene, deren Eltern in Rumänien tätig sind.

Seit 1. Jänner wird die österreichische Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder entsprechend den dortigen Lebenshaltungskosten indexiert. 125.000 Kinder sind von einer Kürzung betroffen, in Rumänien allein sind es rund 14.000. In Zukunft gibt es somit für ein Kind bis zu zwei Jahren, das in Rumänien lebt, nur noch 56,20 Euro österreichische Familienbeihilfe monatlich statt bisher 114 Euro; für Drei- bis Neunjährige sind es nun 60,10 statt 121,90 Euro.

Rumänien prüft Gang vor EuGH

Rumänien bereitet sich unterdessen auf einen Gang vor den EuGH vor. Rumäniens Außenminister Teodor Melescanu hatte am Sonntagabend von einer möglichen Klage gegen die Indexierung gesprochen. Die Kürzung der Familienhilfe für in ärmeren Staaten lebende Kinder sei ein „klarer Fall von Diskriminierung“. In Österreich tätige rumänische Arbeitnehmer würden ihre Steuern und Abgaben ebenso entrichten wie jeder andere Arbeitnehmer auch, trotzdem würden ihre Kinder nun plötzlich „um bis zu 50 Prozent weniger Beihilfen als bisher“ erhalten, so der Außenminister.

Aus diesem Grund prüfe die Regierung in Bukarest nun Möglichkeiten, um diese „Diskriminierung abzuschwächen“. Sollte die rumänische Exekutive tatsächlich beim EuGH gegen Österreich klagen, so sei er sich ziemlich sicher, dass sein Land dabei „nicht der einzige Kläger“ bleiben werde, so Melescanu weiter.

Rumänien hatte sich in dieser Angelegenheit bereits im Oktober an EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen gewandt. Im November sendeten sieben weitere, von der Kürzung betroffene Länder – die Visegrad-Staaten (V4) Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Polen sowie Bulgarien, Litauen und Slowenien – einen diesbezüglichen Brief an Thyssen, in dem sie um die Unterstützung der EU-Kommission baten.

EU-Kommission sieht Rechtsbruch

Auch die EU-Kommission prüft das neue Gesetz, nachdem es nun in Kraft getreten ist. Eine Sprecherin der Kommission sprach am Montag in diesem Zusammenhang von „Diskriminierung“. Angesprochen auf ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren, könne sie nur sagen, dass die „Indexierung laut EU-Recht nicht erlaubt“ sei. Die Rechte der Kinder seien zu respektieren. Nicht eingehen wollte die Sprecherin darauf, ob sich die Kommission einer Klage Rumäniens vor dem EuGH anschließen werde.

Befragt, warum Großbritannien 2015 eine Ausnahmebestimmung in eben diese Richtung bei der Indexierung des Kindergelds zugesprochen worden sei, meinte die Sprecherin, das sei eine „einzigartige Vereinbarung zwischen den Staats- und Regierungschefs“ gewesen.

Die Briten hatten diese Zusicherung damals erhalten, weil der damalige britische Premier David Cameron angesichts der von ihm in die Wege geleiteten Abstimmung über einen Austritt des Inselstaates aus der EU gehofft hatte, damit ein positives Ergebnis für den Verbleib in der Europäischen Union zu erzielen. Die Briten verlassen die EU per Ende März.