Geldscheine in einer Geldbörse
ORF.at/Christian Öser
Vergleich

Die Grenzen der Steuerreform

Die geplante Steuerreform wird ein großes Thema der Regierungsklausur, die bis Freitag im niederösterreichischen Mauerbach stattfindet. Für die von Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) erhoffte „größte Steuerreform aller Zeiten“ wäre wohl mehr Geld nötig als von der Regierung bisher angekündigt. Darauf lässt eine Aufstellung des WIFO über die drei letzten Steuerreformen schließen.

Um deren Volumen zu übertrumpfen, wären mehr als 1,5 Prozent des BIP nötig – 2020 also 6,3 Mrd. Euro. Bei Steuersenkungen üben sich Regierungen gerne in Superlativen – und zwar unabhängig von der Parteifarbe. 2004 verkündete Schwarz-Blau unter Kanzler Wolfgang Schüssel die „größte Steuerreform aller Zeiten“, Rot-Schwarz legte unter Werner Faymann 2015 mit der „größten Steuerreform der Zweiten Republik“ nach. Und auch diesmal würde Mahrer gerne einen Rekord verkünden.

Ob das bisher genannte Volumen von bis zu fünf Mrd. Euro derartige Superlative hergibt, ist aber fraglich. Wie aus der Aufstellung des WIFO hervorgeht, bewegten die letzten drei Reformen nämlich bis zu 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Um letzteren Wert zu erreichen, müsste die Regierung die Steuern ab 2020 also um fast 6,3 Mrd. Euro senken (bei einer erwarteten Wirtschaftsleistung von 418 Mrd. Euro).

Entlastung in Etappen

Ein derart hohes Volumen schon 2020 ist aber unwahrscheinlich. Wie die „Presse“ (Mittwoch-Ausgabe) berichtete, soll die Entlastung nämlich in Etappen kommen. Es könnte zuerst die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für Geringverdiener erfolgen, 2021 eine Senkung der unteren drei Lohnsteuergruppen und 2022 die Senkung der Körperschaftssteuer auf 19 oder 20 Prozent. Auch die Abschaffung der kalten Progression hat die Regierung zuletzt für das Wahljahr 2022 angekündigt, der Spitzensteuersatz von 55 Prozent soll verlängert werden.

Das Volumen ihrer Steuerreform will die Koalition bei ihrer Klausur am Donnerstag und Freitag bekanntgeben. Die zuletzt genannten fünf Mrd. Euro würden 2020 in etwa 1,2 Prozent des BIP entsprechen – das wäre die Größenordnung der Steuerreform 2009/10. Größere Summen bewegten laut WIFO die Reformen 2004/05 und 2015/16 (jeweils 1,5 Prozent des BIP).

Brutto vs. netto

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden großen Steuerreformen: Während die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Schüssel ihre Steuersenkung nur zu einem geringen Teil gegenfinanzierte, wurde die letzte SPÖ-ÖVP-Reform fast komplett durch neue Steuern in anderen Bereichen ausgeglichen. „Brutto“ waren beide also gleich groß, „netto“ war die schwarz-blaue Entlastung 2004 aber deutlich größer: 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung gegenüber 0,3 Prozent.

Welche der beiden Betrachtungsweisen sinnvoller ist, will WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller nicht beurteilen. „Das kommt darauf an: Wenn es darum geht, die Gesamtabgabenbelastung zu senken, dann muss ich mir die Nettoperspektive anschauen. Die Bruttoperspektive sagt, wie viel insgesamt bewegt wird“, sagte Schratzenstaller. Die expansiven Effekte auf das Wirtschaftswachstum seien natürlich größer, wenn eine Steuersenkung nicht durch Einsparungen oder Steuererhöhungen konterkariert werde.

Rahmenbedingungen für Steuerreform günstig

Aufgrund der hohen Steuereinnahmen sind die Voraussetzungen für die von der Regierung geplante Steuerreform aktuell gut. Doch wie würde sich diese Reform tatsächlich auswirken?

Sehr unterschiedliche Gewinner

Deutliche Unterschiede gibt es auch bei der Verwendung der Mittel: Während die Regierung Faymann ihre beiden Steuerreformen fast zur Gänze zur Senkung der Lohn- und Einkommensteuer verwendete, kamen unter Schüssel auch die Unternehmen zum Zug. Von den vier Mrd. Euro der Steuerreform 2004/05 flossen 2,2 Mrd. Euro in die Senkung der Lohnsteuer (56 Prozent), fast 1,6 Mrd. Euro (40 Prozent) kostete die Senkung der Körperschaftssteuer. Eine weitere Senkung der Körperschaftssteuer ist auch diesmal vorgesehen. Die Industriellenvereinigung hat daher bereits ein Drittel des Reformkuchens für die Unternehmen reklamiert.

In den vergangenen Tagen waren bereits von mehreren Seiten die Wünsche und Forderungen an die Regierung in Sachen Steuerreform formuliert worden. So forderte die Arbeiterkammer unter anderem einen „Wohnbonus“ und eine Entlastung für Arbeitnehmer, „anstatt Unternehmen und Vermögende zu begünstigen“. Umweltschutzorganisationen forderten gemeinsam eine ökologische Steuerreform.

Für SPÖ „falsch konzipiert“

Die SPÖ kritisierte im Vorfeld der Regierungsklausur die Pläne von ÖVP und FPÖ zur Steuerreform. Sie fordert, dass die Arbeitnehmer über eine Tarifreform inklusive Ausgleich der kalten Progression mit 4,5 Mrd. Euro entlastet werden. Zudem verlangt sie durch die Abschaffung der Mietsteuer eine weitere Mrd. Euro an Entlastung für kleine und mittlere Einkommen. Für Unternehmen sieht die SPÖ 1,4 Mrd. Euro vor.

Das von der Regierung vorgesehene Volumen ist der SPÖ zu klein und die „Verteilung falsch konzipiert“, erklärte Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda bei einem Hintergrundgespräch am Mittwoch. ÖVP und FPÖ hätten im Wahlkampf zwölf bis 14 Mrd. Euro an Entlastung versprochen. Davon seien nur noch fünf übriggeblieben. Ziehe man die 1,5 Mrd. für den Familienbonus und eine bis zwei Mrd. für die Senkung der Körperschaftssteuer ab, blieben für die Arbeitnehmer nur noch eine bis zwei Mrd. übrig, rechnete Drozda vor.