Geteilte Meinungen beim Kopftuchverbot für Kinder

Die Verhüllung kleiner Mädchen mit einem Kopftuch sollte tabu sein – in diesem Punkt zeigten sich Experten bei der Tagung „Verhüllungsverbot an österreichischen Volksschulen: Hintergründe, Risiken, Nutzen“ an der Universität Wien gestern einig. Nicht einer Meinung ist man allerdings in der Frage, ob das von der ÖVP-FPÖ-Regierung geplante Kopftuchverbot in den Volksschulen dafür das geeignete Mittel ist.

Die Motive für den Zweifel waren allerdings unterschiedlich: Für Historiker Heiko Heinisch geht die Regierung nicht weit genug, er plädierte generell für die Schule als kopftuchfreien Raum. Er berichtete von „Kopftuch-Mobbing“ religiöser Peer-Groups, die Druck auf Mädchen ausübten, wenn sie kein Kopftuch trügen oder etwa im Ramadan nicht fasteten. Lehrer hätten hier kaum Möglichkeiten, den Mädchen zu helfen.

Gegenteiliger Effekt?

Den Ton der Debatte über Mädchen mit Kopftuch kritisierte Soziologe und Politikberater Kenan Güngör. „Es nicht anzusprechen wäre höchst problematisch, es geht aber um das Wie.“ Derzeit würden „Teile der Regierung eine von Ressentiments geleitete Politik betreiben“ und damit bei österreichischen Muslimen „große Unsicherheit“ erzeugen. Das Ziel der Regierung, durch ein Kopftuchverbot den konservativen Islam zu schwächen, werde dadurch möglicherweise sogar konterkariert.

Für Religionspädagoge und Grundrechtsexperte Michael Kramer, der anstelle der verhinderten Carla Amina Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) an der Diskussion teilnahm, ist „das Vorhaben richtig und wichtig, aber die Umsetzung durch ein Gesetz ist falsch“. In Österreich sei es bisher üblich gewesen, miteinander zu reden und gemeinsam eine Lösung zu finden. Der Regierung scheine es mehr um die Mobilisierung ihres Wählerklientels zu gehen als um das Kindeswohl, es werde Politik gegen den Islam gemacht, und bereits Kinder würden stigmatisiert.

Kritik an Stimmungsmache

Auch der Wiener NEOS-Klubchef Christoph Wiederkehr beklagte, dass mit dem Gesetz „gegen eine bestimmte Gruppe der Gesellschaft Stimmung gemacht“ werde. Man müsse unbedingt über religiöse Symbole diskutieren. NEOS wünscht sich sogar generell einen „religionsneutralen Ort Schule bis 14“.

Der Regierung gehe es nicht um politische Stimmungsmache, betonte hingegen Martin Kienl, Koordinator der Integrationsagenden im Außenministerium und in Vertretung von Ministerin Karin Kneissl (FPÖ) auf dem Podium. Dass zuerst ein Kopftuchverbot für den Kindergarten und nun nur für die Volksschule kommen soll, zeige, „wie behutsam die Regierung damit umgeht“. Auch im Regierungsprogramm – laut Kienl das „Heiligtum der Regierung“ – werde klar unterschieden zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als Ideologie.