AFD-Logo auf einem Stoff
Reuters/Wolfgang Rattay
In ganz Deutschland

Verfassungsschutz prüft AfD

Der deutsche Verfassungsschutz nimmt die AfD stärker als bisher unter die Lupe: Deutschlandweit wird die Gesamtpartei nun als Prüffall für eine mögliche Beobachtung eingestuft. Für einige scheint das Problem dadurch aber nicht gelöst zu sein.

Verächtliche Äußerungen über Flüchtlinge, Kontakte zu Mitgliedern der rechtsextremen Identitären Bewegung und Warnungen vor einem „Bevölkerungsaustausch“ – all das hat dazu beigetragen, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz jetzt noch intensiver mit der AfD beschäftigen will. Außerdem werde von einzelnen Funktionären „der historische Nationalsozialismus immer wieder verharmlost“, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.

Aussagen einzelner AfD-Funktionäre ergäben zwar erste Anhaltspunkte einer Politik der AfD, die sich gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ richtet, diese seien aber nicht hinreichend verdichtet, um eine Beobachtung auch unter „Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln“ einzuleiten, sagte Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang am Dienstag in Berlin.

Gesamtpartei als Prüffall eingestuft

Die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz begründete Haldenwang besonders mit Aussagen von AfD-Politikern und -Politikerinnen, die „mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar waren“. Das betreffe völkisch-nationalistische und muslim- sowie fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen.

Der Verfassungsschutz stützt sich bei der Einstufung besonders auf Äußerungen von AfD-Vertretern und nicht in erster Linie auf das Parteiprogramm. Der Inlandsgeheimdienst stufe die Gesamtpartei daher als Prüffall ein und werde die systematische Auswertung öffentlich zugänglicher Schriften und Aussagen fortsetzen.

Rechtsextremistische Bestrebungen untersucht

Zum Prüffall erklären die Verfassungsschützer Organisationen, die nicht eindeutig extremistisch sind, bei denen es aber tatsächlich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gibt. Dazu gehören Angriffe gegen das Demokratieprinzip, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte. Entscheidend dabei ist, ob extremistische Mitglieder oder Strömungen für das Gesamtbild der Partei prägend sind.

Thomas Haldenwang
APA/AFP/Tobias Schwarz
Haldenwang ortet „erste tatsächliche Anhaltspunkte“ für demokratiefeindliche Bestrebungen der AfD

Die AfD sei eine „große Partei mit einer hohen Diversität in ihren politischen Aussagen“, fügte Haldenwang hinzu. Insofern könne „noch nicht hinreichend beurteilt werden“, ob die gefundenen Anhaltspunkte „charakteristisch für die Ziele und die Ausrichtung der gesamten Partei“ seien.

„Flügel“ und JA als Verdachtsfälle

Bei der Jungen Alternative (JA) und der Vereinigung „Der Flügel“ geht der Verfassungsschutz bereits einen Schritt weiter: Zur JA lägen dem Bundesamt für Verfassungsschutz „inhaltlich und numerisch hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vor“, dass es sich bei der Nachwuchsorganisation um eine „extremistische“ Organisation handle, sagte Haldenwang.

Die JA als Ganzes verfolge Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Entsprechende „stark verdichtete Anhaltspunkte“ auf eine „extremistische Bestrebung“ gebe es auch hinsichtlich der Sammlungsbewegung „Der Flügel“ um den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, sagte Haldenwang.

Beide würden künftig als Verdachtsfälle geführt, sagte Haldenwang. Das ist eine höhere Stufe als der Prüffall. Dabei dürfen Informationen auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln wie Observationen gesammelt und Personenakten beim Bundesverfassungsschutz angelegt und gespeichert werden. V-Leute und die Überwachung von Telekommunikation kommen, wie auch beim Prüffall, aber auch hier nicht zum Einsatz. Das ist erst dann erlaubt, wenn eine Organisation als Beobachtungsobjekt eingestuft wird.

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hatte Höckes Landesverband bereits 2018 zum Prüffall erklärt. Die Thüringer AfD reichte dagegen im Dezember Klage ein.

AfD-Nachwuchsorganisation unter Beobachtung

In den einzelnen Bundesländern werden Teile der AfD bereits durch die Landesämter für Verfassungsschutz beobachtet. Das gilt etwa für die JA in Baden-Württemberg und Bremen. Der Bundesverfassungsschutz geht nun auch dem Verdacht nach, die JA stehe in Teilen mit der rechtsextremen Identitären Bewegung in Verbindung. Die Identitären werden vom Bundesamt bereits seit 2016 als Verdachtsfall geführt und entsprechend beobachtet.

Nachdem radikale Äußerungen einiger Mitglieder der JA an die Öffentlichkeit gekommen waren, hatte die AfD-Spitze Ende 2018 in Erwägung gezogen, der JA die Anerkennung als Nachwuchsorganisation der Partei zu entziehen. Eine Entscheidung darüber wurde bisher aber nicht getroffen.

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland sagte, dass die Beurteilung aus seiner Sicht „nichts Neues“ für den Umgang mit der JA oder der Bewegung „Der Flügel“ bedeute. Es habe in der Vergangenheit immer wieder „Einzelfälle“ gegeben, in denen die Partei habe handeln müssen. Aber das habe nichts mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen der AfD, der JA oder Untergliederungen wie „Der Flügel“ zu tun gehabt.

AfD will sich juridisch gegen Prüfung wehren

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte, dass der Verfassungsschutz „zur Bekämpfung eines unliebsamen politischen Mitbewerbers missbraucht“ werde. Dass die AfD nun lediglich als Prüffall eingestuft werde, zeige, dass der Verfassungsschutz „überhaupt gar nichts“ gegen die Partei in der Hand habe, sagte Weidel.

Gauland kündigte indes juridische Gegenwehr gegen die Einstufung als Prüffall an. Die AfD halte diese Entscheidung des Bundesamts für Verfassungsschutz für falsch, sagte Gauland am Dienstag in Berlin. „Wir werden gegen diese Entscheidung juristisch vorgehen.“ Die Partei habe dies bereits prüfen lassen.

Alice Weidel
APA/AFP/dpa/Monika Skolimowska
Der Verfassungsschutz werde für die Bekämpfung eines unliebsamen politischen Mitbewerbers missbraucht, sagte Weidel

Die Argumente des Bundesamts für Verfassungsschutz für die Entscheidung seien „durchgehend nicht tragfähig“, fügte der AfD-Vorsitzende hinzu. Gauland machte ein „gesellschaftliches Klima“ und „politischen Druck“ für die Entscheidung des Verfassungsschutzes verantwortlich.

„Problem dadurch noch nicht gelöst“

Innenminister Horst Seehofer (CSU) stellte sich am Dienstag hinter die fachliche Entscheidung des Verfassungsschutzes: Zugleich betonte er, es gehe nicht um eine politische, sondern eine fachliche Entscheidung des Verfassungsschutzes.

FDP-Chef Christian Lindner warnte die deutschen Parteien davor, sich über die mögliche Beobachtung der AfD zu freuen. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien sich einer lästigen Konkurrenz über den Umweg über die Sicherheitsbehörden entledigen“, sagte Lindner am Dienstag in Berlin. Die politische Auseinandersetzung mit der AfD müsse inhaltlich stattfinden.

Auch für Außenminister Heiko Maas (SPD) sei das Problem durch eine Prüfung noch nicht gelöst. Er forderte wie auch Lindner eine sachliche und politische Auseinandersetzung mit der Partei.