Isabella F. im Rahmen des BVT-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
BVT-U-Ausschuss

Zeugin holte gegen „alte ÖVP“ aus

Eine Innenministeriumsbeamtin, die derzeit karenziert ist, hat am Mittwoch im BVT-U-Ausschuss zu einem Rundumschlag gegen die „alte ÖVP“ ausgeholt. Laut Isabella F. hat im Ressort ein „System von ÖVP-Seilschaften gewütet“. Sie sprach von Postenbesetzung nach „Gutsherrenart“ und nannte das Ressort eine „ausgelagerte Stelle des ÖVP-Klubs“.

Zwar könne F. nichts über politische Interventionen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sagen, aber die „Abläufe“ im Innenressort kenne sie wie wenige andere Personen. Sie habe nämlich seit 2005 in diversen Organisationseinheiten gearbeitet. Dass sie seit Oktober 2017 karenziert sei und in Deutschland wohne, sei für die Befragung ein Vorteil. „Ich muss mich vor niemandem fürchten. Ich stehe in niemandes Brot und Lohn, kann frei von der Leber reden, muss halt aufpassen dass ich niemanden beleidige. Das tu ich nicht.“

F. schilderte ihre Wahrnehmungen während ihrer Zeit im Innenressort, also unter ÖVP-Minister und -Ministerinnen. „Das Innenministerium ist seit der Übernahme durch die ÖVP nur eine ausgelagerte Stelle des ÖVP-Klubs gewesen“, so die Auskunftsperson, die ihren letzten Grad mit Oberst angab. Die Posten seien nach „Gutsherrenart“ vergeben worden, „politisch besetzt“. Sie könne das deshalb so klar sagen, weil „es mich selbst betroffen hat. Ich hab im Jahr 2017 zwei Bewerbungen abgegeben und bin belächelt worden“, so F.

Postenbesetzung laut Zeugin ohne Hearing

Ihre Vorgesetzten hätten F. „schief angeschaut“ und gefragt, ob sie es noch immer nicht verstanden habe, wie es hier abläuft. „Es ist ein ungeschriebenes Gesetz im Innenministerium, dass bereits vorher bekannt war, wer den Posten bekommt. Derjenige hat meist schon bei der Ausschreibung mitgearbeitet“, sagte F., die zudem betonte, dass der langjährige Kabinettschef mehrerer ÖVP-Innenminister, Michael Kloibmüller, gesagt habe, dass er für Personen Jobs im Ministerium benötige. F. nannte auch konkrete Namen.

Als F. mit einem ihrer Twitter-Beiträge konfrontiert wird, in dem sie Kloibmüller als „Mastermind“ im Ressort bezeichnet hat, sagte sie: „Es war allen klar: Hält Kloibmüller den Daumen nach oben, wirst du was, hält er ihn nach unten, hast du keine Chance.“ Er habe im Auftrag der ÖVP gehandelt, denn „dass Kloibmüller kein Politiker ist, weiß man auch. Und irgendwer muss ja dafür sorgen, dass das Innenressort so verändert wird, wie sich die Partei das vorstellt.“ F. zitierte eine ganze Reihe von Postenbesetzungen im Bereich des Innenministeriums, die ohne Hearing stattgefunden hätten.

Vor ihrer Befragung im Ausschuss habe F. versucht, einen Mitarbeiter zu gewinnen, um gegen das „ÖVP-Netzwerk“ auszusagen. Er, ein „SPÖ-orientierter Mann“ aus Niederösterreich, habe aber mit der Begründung abgelehnt, dass er im „schwarzen Niederösterreich“ keine Chance mehr hätte. An weitere Personen, mit denen sie über das Ministerium gesprochen habe, könne sie sich nicht mehr erinnern. Auf Frage von Werner Amon (ÖVP), ob sie Unterlagen zu ihren Vorwürfen habe, sagte F., dass sie einiges mithabe. Aber das, was dort drinnensteht, hätte sie ohnehin erzählt.

Viele Namen und Hörensagen

Überhaupt sparte F. nicht mit Namen aus dem Innenministerium und Sachverhalten, die das Ressort in der Vergangenheit betrafen. Viele der Vorgänge seien aber nie verschriftlicht worden, sondern mündlich überliefert, also vom Hörensagen. Deshalb sei es für den U-Ausschuss auch schwierig, an diesbezügliche Akten zu kommen, sagte F. Zur Affäre rund um das BVT, das organisatorisch im Innenministerium eingegliedert ist, sagte sie weniger. Konkret wurde F. nur im Bezug auf das anonyme Konvolut mit teils haltlosen Vorwürfen gegen Beamte des Verfassungsschutzes.

BVT Untersuchungsausschuss
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Das mediale Interesse am U-Ausschuss war gering

Sie selbst habe das 39 Seiten dicke Konvolut im Frühjahr 2017 erhalten. Im Kabinett sei es dann untersucht worden, sagte F., ein Beamter habe das Konvolut an Vorwürfen zur Recherche" weitergeleitet, um die Beschuldigungen darin zu prüfen. Kloibmüller selbst wird im Konvolut namentlich genannt. ÖVP-Fraktionschef Amon wollte dann von F. wissen, wann diese „Recherche“ stattgefunden haben soll. F. sagte, dass der Beamte „im Jahr 2017“ daran gearbeitet habe. Amon merkte an, dass der Beamte seit Herbst 2016 nicht mehr im Kabinett war, sondern in Tirol. „Ja, er kann aber auch dort weiter zum Konvolut recherchieren“, erwiderte die Zeugin.

Wer hinter dem Konvolut stecke, könne sie nicht sagen. Allerdings erwähnte sie einige Namen, die bereits im U-Ausschuss als mögliche Autoren genannt wurden. Auf die Frage, ob sie denn Belege für diesen Verdacht habe, meinte sie schlicht: „Wir wissen, dass die Jungfrau Maria nicht vom Heiligen Geist empfangen hat, aber wir können es nicht beweisen.“

Pointierte Sager und lange Befragung

Mehrmals sorgte F. mit pointierten Sagern für Aufsehen. „Die Besetzungen im Innenministerium sind durchdirigiert bis zur letzten Putzfrau“, sagte sie zum Beispiel und fügte hinzu: „Würde ich sagen, hätten wir noch Putzfrauen, aber das wurde ja alles ausgelagert.“ Oder: „Ich hab die ÖVP mit der Muttermilch aufgesogen, katholisch wurde ich dann im Innenministerium.“ Ihre ÖVP-Nähe habe man ihr aber dann „ausgetrieben“, als sie sah, was im Ministerium los war.

Isabella F. im Rahmen des BVT-Untersuchungsausschuss
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Seit 2005 war Isabella F. im Innenministerium in diversen Einheiten tätig

Nach zwei Stunden – vier Stunden ist die maximale Länge einer Befragung – fand noch die erste von drei Fragerunden statt. Die Fragen samt Antworten wurden zunehmend komplexer. So kam auch die SPÖ auf ihre Kosten, denn auch dort gäbe es „Postenschiebereien“, sagte F. ÖVP-Mandatar Nikolaus Prinz fühlte sich sogar veranlasst, die Auskunftsperson nach einer Frage von ihm zu unterbrechen. Sie antwortete laut Prinz zwar „sehr wortreich“, ging aber nicht auf die eigentliche Frage ein.

ÖVP verärgert über Zeugenladung

F. wurde auf Wunsch von NEOS geladen. Man erhoffte sich von der Beamtin Aufschluss darüber, warum das Innenministerium zum Thema der „ÖVP-Netzwerke“ kaum Unterlagen an den Ausschuss übermittelt habe. ÖVP-Fraktionsführer Amon zeigte sich nach der Befragung über die Ladung verärgert, weil F. in keinen Akten namentlich auftauche. Auch der Fraktionsvorsitzende der FPÖ, Hans-Jörg Jenewein, war überrascht, dass F. als Auskunftsperson geladen wurde – zumal sie selbst sagte, sie wisse wenig über BVT-Interna.

Lokal 7 während des BVT Untersuchungsausschuss
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Die erste Befragung war sehr kurz, die zweite sehr lang

Am Vormittag war übrigens ein ehemaliger Vertreter der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) auf Wunsch von ÖVP und FPÖ zu Gast. Er sollte Fragen über den Umgang mit Daten im BVT beantworten. Grund: Nach einer Aktion im Jahr 2010 wurden Personendaten von ihm und unter anderem von der Ex-Grünen-Abgeordneten Sigrid Maurer gespeichert und nicht gelöscht. Die Befragung dauert allerdings nicht mal 45 Minuten. Die Fraktionen wussten nicht, was sie fragen könnten. Auch die Auskunftsperson konnte sich nicht erklären, warum sie geladen wurde.