Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz Christian Strache
APA/Roland Schlager
Zwangsabschiebungen

Regierung schließt Alleingang nicht aus

Die Regierung drängt auf eine Verschärfung der bisherigen Abschiebepraxis. Sollte es hier zu keiner Einigung auf EU-Ebene kommen, ist auch ein nationaler Alleingang nicht ausgeschlossen. Das bestätigten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch nach dem Ministerrat.

Kurz zufolge würden derzeit die rechtlichen Möglichkeiten geprüft – konkret drängt die Regierung auf eine verschärfte Abschiebung. Bevor Österreich Gesetze ändert, sollte man als Erstes auf europäischer Ebene aktiv werden, aber: „Manchmal braucht es Vorreiter, um ein Umdenken einzuleiten.“

Das Thema beschäftige Kurz zufolge jedenfalls auch andere Staaten. Angesprochen auf Überlegungen, auch nach Syrien abzuschieben, sagte der ÖVP-Obmann, die Sicherheitslage in unterschiedlichen Gebieten Syriens sei unterschiedlich zu bewerten: „Aber straffällige Asylwerber müssen abgeschoben werden, und zwar rasch, und egal, woher sie kommen.“

Abschiebung bereits bei leichten Vergehen?

Dass hierfür derzeit eine schwere Straftat nötig ist, hält Kurz für „sehr problematisch“: „Das entspricht weder dem gesunden Hausverstand, noch macht das für die österreichische Bevölkerung Sinn.“ Wie Kurz hofft auch Strache bei dem Thema zunächst auf eine „Veränderung auf europäischer Ebene“. Die bisherige gesetzliche Regelung sollte laut Strache dahingehend geändert werden, dass bereits bei schweren, aber auch mehreren leichten Vergehen mit Konsequenzen und damit Zwangsabschiebungen zu rechnen sei.

Sowohl Kurz als auch Strache sprachen in diesem Zusammenhang von „importierter“ Gewalt. „Wer zu uns gekommen ist und gewalttätig ist, soll hier nicht geschützt werden. Hier darf es keinen Täterschutz geben“, sagte Strache.

„Ein bisserl kreativ sein“

Unterstützung erhielt mit Aussagen wie diesen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), der bereits vor dem Ministerrat gefordert hatte, völkerrechtliche Bestimmungen auf deren „Sinnhaftigkeit“ zu überprüfen. Kickl verwies darauf, dass er auf EU-Ebene bereits auf eine Änderung der Statusverordnung gedrängt habe, dazu sei es aber noch nicht gekommen. Daher soll es in Österreich eine Novelle des Asylgesetzes geben. Ziel sei der Schutz der österreichischen Bevölkerung, deshalb sollten auch völkerrechtliche Bestimmungen auf ihre „Sinnhaftigkeit“ hin überprüft werden.

Abschiebung straffällig gewordener Menschen

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nimmt die Frauenmorde der vergangenen Wochen zum Anlass, eine Verschärfung der Regeln für die Abschiebung straffällig gewordener Menschen anzustreben.

Kickl nahm die jüngsten Frauenmorde als Anlass für seinen Vorstoß. „Man kann bei diesen Dingen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, so Kickl, dem zufolge jede Form einer Straftat zu einem Aberkennungsverfahren führen solle. Auf die Journalistenfrage, ob das für jeden Ladendiebstahl gelten soll, sagte der Minister: „Je niederschwelliger, desto besser.“

Zur Aussage des Wiener Neustädter Bürgermeisters Klaus Schneeberger (ÖVP) im Ö1-Morgenjournal, wonach es auch in Syrien Gebiete gebe, in die man abschieben könnte, stellte Kickl fest: „Das sage ich schon lange. Es heißt ein bisserl kreativ sein.“ Auch in Syrien gebe es Gebiete, die nicht vom Bürgerkrieg betroffen seien. Der Ressortchef will daher „die Gangart verschärfen“, auch wenn er dabei mit „Konflikten“ rechnet.

Genfer Flüchtlingskonvention

Voraussetzung für eine Abschiebung eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten ist die Aberkennung des Schutzstatus. Den rechtlichen Rahmen geben die Statusrichtlinie und die Genfer Flüchtlingskonvention vor – ein Grund für die Aberkennung ist die Begehung eines „besonders schweren Verbrechens“.

Was genau darunter zu verstehen ist, sei weder in den Richtlinien noch in den österreichischen Gesetzen genau erklärt, so Innenministeriumssprecher Christoph Pölzl. Die Definition ergibt sich aus der Judikatur. So hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass etwa Vergewaltigung, Tötungsdelikte, Kindesmisshandlung und bewaffneter Raub besonders schwere Verbrechen sind. Als Verbrechen gelten generell im Strafrecht vorsätzliche Handlungen, die mit mehr als dreijähriger Haft bedroht sind. Fraglich ist mit Blick auf das Asylgesetz aber zum Beispiel, ob ein schwerer Raub ohne Waffe, bei dem es zu einer schweren Verletzung kommt, ein besonders schweres Verbrechen ist.

Jedenfalls muss ein Straftäter rechtskräftig gerichtlich verurteilt sein, damit ihm der Asylstatus aberkannt werden kann – eine Anzeige allein reicht dafür nicht. Liegt das Urteil vor, führt das Bundesamt für Asylwesen das Aberkennungsverfahren durch.

Abschiebungen im Vorjahr fast verdoppelt

Aber auch wenn der Schutzstatus rechtskräftig aberkannt wurde, heißt das noch nicht, dass ein Straftäter abgeschoben werden darf. Besteht kein Rücknahmeabkommen mit dem Herkunftsland, droht ihm dort Tod oder Folter, oder herrscht dort Krieg wie etwa in Syrien, dann ist eine Abschiebung laut Flüchtlingskonvention nur möglich, wenn ein Straftäter „eine Gefahr für die Gemeinschaft“ des Landes bedeutet, also gemeingefährlich ist.

Ist das nicht der Fall, und findet sich das Herkunftsland nicht auf der Liste der „sicheren Drittstaaten“, fällt der Betreffende nach Absitzen der Haft in den Status der „Duldung“. Damit bleibt er zwar im Lande, hat aber weder ein Aufenthaltsrecht noch Zugang zum Arbeitsmarkt.

2018 wurden laut Angaben des Innenministeriums insgesamt 5.991 Aberkennungsverfahren eingeleitet und 3.382 Entscheidungen getroffen. Diese Verfahren gibt es aber nicht nur nach Straftaten, sondern etwa auch bei einer freiwilligen Rückkehr. Aus Österreich abgeschoben wurden im Vorjahr 4.661 Menschen (das waren um 47 Prozent mehr als 2017). Durchschnittlich 42 Prozent von ihnen waren strafrechtlich verurteilt. Die anderen zwangsweise außer Landes verbrachten Menschen waren etwa abgewiesene Asylwerber und Menschen, die sich illegalerweise in Österreich aufhielten.