Britische Premierministerin Theresa May
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Misstrauensvotum überstanden

May sucht Ausweg aus der Brexit-Sackgasse

Nach dem überstandenen Misstrauensvotum sucht die britische Premierministerin Theresa May nach einem Ausweg aus der Sackgasse. Die konservative Regierungschefin wird – wie bereits am Vorabend – auch am Donnerstag Chefs der Oppositionsparteien treffen und die ganze Woche unter Hochdruck an einem Plan B für den Brexit arbeiten.

„Nachdem die Abgeordneten klargemacht haben, was sie nicht wollen, müssen wir alle konstruktiv zusammenarbeiten, um herauszufinden, was das Parlament will“, sagte May kurz vor Mitternacht nach dem Treffen mit Oppositionsvertretern vor ihrem Amtssitz in der Downing Street 10. „Es ist jetzt an der Zeit, Eigeninteresse beiseitezulegen.“

Sie zeigte sich „sehr enttäuscht“, dass sich Labour-Chef Jeremy Corbyn einem Treffen verweigert habe. Die Premierministerin betonte aber: „Unsere Tür bleibt geöffnet.“ Corbyn will nach eigenen Worten erst Gespräche mit May führen, wenn die Premierministerin die „katastrophale Perspektive eines Brexits ohne Abkommen mit der EU ein für alle Mal“ ausschließt.

19 Stimmen Vorsprung

May hatte am Mittwochabend ein Misstrauensvotum im Unterhaus mit nur 19 Stimmen Vorsprung überstanden – 325 Abgeordnete votierten für May, 306 stimmten gegen sie. Am Vorabend hatten ihr die Abgeordneten noch eine historische Niederlage beschert, als sie das mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen mit großer Mehrheit ablehnten.

Britisches Unterhaus während der Debatte zum Misstrauensantrag gegen Theresa May
APA/AFP/Mark Duffy
May rief das Parlament nach dem Vertrauensvotum zu Geschlossenheit auf

„Keine einfache Aufgabe“

Nach dem überstandenen Misstrauensvotum traf May Vertreter der proeuropäischen Liberaldemokraten, der ebenfalls proeuropäischen linken Schottischen Nationalpartei (SNP) und der walisischen Partei Plaid Cymru. Die Premierministerin lobte anschließend „konstruktive Treffen“. „Es wird keine einfache Aufgabe sein“, räumte May ein. Die Abgeordneten hätten aber eine „Verpflichtung, im nationalen Interesse zu handeln“.

Sie wolle Großbritannien wie von den britischen Bürgern entschieden aus der EU führen, so May. Einen „harten“ Brexit wolle sie nicht ausschließen. Kurz nach der Abstimmung sagte ihr Sprecher: „Die Premierministerin hat klar gesagt, dass die britische Bevölkerung dafür gestimmt hat, die EU zu verlassen.“ Die Frage, ob, wie von der Opposition gefordert, ein „No Deal“-Brexit „vom Tisch“ sei, verneinte der Sprecher.

SNP-Vertreter Ian Blackford warnte, seine Partei sei nur zur Zusammenarbeit bereit, wenn May grundsätzlich zu einer Verschiebung des Brexits bereit sei, einen Austritt aus der EU ohne Abkommen ausschließe und auch ein zweites Referendum in Erwägung ziehe. Die Premierministerin hat einer zweiten Volksabstimmung wiederholt eine Absage erteilt.

Grafik zeigt Daten zur Brexit-Abstimmung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Guardian

Bis Montag wird May nun einen Plan B vorlegen, um einen chaotischen EU-Austritt doch noch zu verhindern. Mehrere Szenarien sind möglich: Sie könnte versuchen, weitere Zugeständnisse von der EU zu erreichen, und das Abkommen dann erneut zur Abstimmung stellen. Denkbar ist auch die Forderung nach einer Verschiebung des Austrittsdatums – oder ein ungeordneter Brexit am 29. März.

Schlagabtausch im Parlament

Vor dem Misstrauensvotum ging es im Parlament bei einer mehrstündigen Debatte äußerst emotional zu: Corbyn forderte May erneut zum Rücktritt auf. Die „Zombie“-Regierung der konservativen Premierministerin habe „das Vertrauen und die Unterstützung“ des Parlaments verloren, so der Labour-Chef im Unterhaus. „Diese Regierung hat unser Land im Stich gelassen, sie kann nicht regieren.“ May solle daher ihr Amt niederlegen.

May konterte, eine Neuwahl sei „das Schlechteste, was wir machen können“. Sie würde die Spaltung im Land noch verschlimmern: „Es würde die Spaltung vertiefen, während wir Einheit brauchen, es würde Chaos bringen, während wir Gewissheit brauchen, und es würde Verzögerungen bringen, während wir vorankommen müssen.“ In diesem „entscheidenden Moment in der Geschichte unserer Nation“ sei eine Wahl „einfach nicht im nationalen Interesse“, so May.

Die britische Premierministerin Theresa May während des Misstrauensvotums im „House of Commons“
Reuters/Reuters TV
Die Debatte, die dem Votum vorausging, wurde über lange Strecken hitzig geführt

Labour-Vize und Minister sorgen für Aufsehen

Unmittelbar vor Ende der Debatte kritisierte auch Labour-Vizechef Tom Watson die angeschlagene Premierministerin scharf, die Rede sorgte in Medien für Aufsehen. May werde für immer als „Nichts hat sich verändert“-Premierministerin bekannt sein, so Watson. Es müsse sich etwas ändern, obwohl es May nicht an Mühe und Einsatz mangle. Das Land habe „Mitleid“ mit der Premierministerin, aber das sei „nicht genug“.

Auch die Antwort des Konservativen Michael Gove sorgte für Diskussionen in britischen Medien. Er habe die Partei in „Lächeln geeint“, schrieb etwa ein Journalist des „Evening Standard“ im Kurznachrichtendienst Twitter. „Ist das ein Eignungsgespräch?“, fragte er im Hinblick auf mögliche Ambitionen des Umweltministers auf die Parteispitze.

Cameron: „Bereue Referendum nicht“

Ex-Premierminister David Cameron äußerte sich am Mittwoch unterdessen zum ursprünglichen „Brexit“-Referendum im Jahr 2016. Er hält die Abhaltung nicht für einen Fehler: „Ich bereue es nicht, das Referendum ausgerufen zu haben“, sagte der Konservative der BBC. Er habe damit ein Wahlversprechen eingelöst und dafür auch den Rückhalt des Parlaments gehabt. Nach der knappen Niederlage des „Remain“-Lagers trat Cameron als Premier zurück, danach übernahm May die Regierungsspitze.