Ein Polizeiwagen parkt in Wiener Neustadt In einem Park, in dem die Leiche einer jungen Frau gefunden wurde
APA/Einsatzdoku/Lechner
Gewalt gegen Frauen

Opposition ortet Versagen bei Regierung

Die Häufung an Frauenmorden zu Jahresbeginn hat am Donnerstag eine heftige Debatte ausgelöst. Die Opposition ortet ein Versagen der Regierung. SPÖ, NEOS und Jetzt werfen ÖVP und FPÖ in puncto Gewalt an Frauen neben Untätigkeit die Kürzung von Fördermitteln vor. Zuvor hatte die Regierung ihr geplantes Maßnahmenpaket präsentiert.

„Ich bedauere es sehr, dass die Regierung erst nach heuer vier Morden an Frauen wach geworden ist, um im Bereich des Gewaltschutzes und der Gewaltprävention vage tätig zu werden – denn tätig werden hätte man schon lange können“, kritisierte SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek nach der Präsentation des Maßnahmenpakets der Bundesregierung.

Die SPÖ forderte am Donnerstag zusätzlich zwei Millionen Euro für Frauenberatungseinrichtungen und eine Million Euro für Männerberatung und Täterarbeit. Das Frauenbudget sei mit rund zehn Millionen Euro chronisch unterdotiert. Dieses Geld sei im Budget vorhanden, sagte Heinisch-Hosek. Auch eine Wiederaufnahme der von der Regierung abgeschafften Fallkonferenzen für Frauen, die von häuslicher Gewalt bedroht sind (MARAC), zählt zu den Forderungen.

SPÖ prangert Kürzungen bei Einrichtungen an

Kritisch sieht sie besonders die Kürzungen beim Frauenbudget und bei der Familienberatung – die angekündigten Investitionen seien nur Umschichtungen, kein frisches Geld. Als Beispiel für die Konzeptlosigkeit der Regierung nannte Heinisch-Hosek die Einrichtung einer neuen Notrufnummer. Immerhin gebe es diesbezüglich bereits seit über 20 Jahren eine Hotline.

SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek
ORF
SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek

Doch auch Übereinstimmungen gebe es – und zwar bei den geplanten rechtlichen Maßnahmen. So solle laut SPÖ geprüft werden, ob ein verpflichtendes Anti-Gewalt-Training ab der ersten Wegweisung und die Verhängung der U-Haft bei wiederholten Wegweisungen sinnvoll und möglich sind.

Scharfe Kritik auch von NEOS und Jetzt

Jetzt verlangte am Donnerstag unter anderem die Einrichtung einer „echten interministeriellen Arbeitsgruppe“ zur Erarbeitung eines ganzheitlichen und langfristigen Ansatzes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Jetzt-Abgeordnete Alma Zadic forderte die Beratung gewalttätiger Männer ab dem Zeitpunkt, ab dem die Polizei erstmals eingreifen muss.

Die Regierung habe das Thema „bisher massiv ignoriert“ und die Situation durch kontraproduktive Schritte verschärft, so Zadic. NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sagte, sie wolle nun auf konkret ausgearbeitete Pläne warten. Schlagworte und Aktionismus, so Meinl-Reisinger, seien aber zu wenig.

Frauenring: Gewalt „keine Frage der Herkunft“

„Wir wissen, dass Gewalt gegen Frauen keine Frage der Herkunft der Täter ist, sondern vorrangig eine Frage von Machtverhältnissen – meist sind die Täter die (Ex-)Partner", kritisierte Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings. Sie antwortete damit auf den Vorwurf von FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl.

Kneissl sagte am Donnerstag bei der Präsentation des Pakets der Regierung, dass es ein Faktum sei, „dass wir ohne die Migrationskrise von 2015 nicht diese Form an Gewalt an Frauen hätten“. Die Forderung nach verschärften Abschiebungen für straffällig gewordene Asylberechtigte gehe am Kern des Problems vorbei und sei ein klarer Bruch mit der Verfassung, so der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt.

Für Romeo Bissuti, Leiter des Männergesundheitszentrums, ist die Arbeit mit Burschen und Männern „wichtig und wirksam bei Intervention und Prävention, um Männlichkeitseinstellungen zu bekämpfen, die Frauen das Selbstbestimmungsrecht absprechen und mit Gewalt bekämpfen“.

ÖVP-FPÖ: Strengere Strafen, neues Unterrichtsfach

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß, Staatssekretärin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) und Kneissl kündigten im Zuge ihrer Pressekonferenz am Donnerstag zuvor unter anderem neue Notrufnummern, strengere Strafen für Wiederholungstäter, das verpflichtende Unterrichtsthema Gewaltfreie Beziehung sowie eine Vereinfachung des Betretungsverbots an. „Künftig wird es eine Bannmeile von 50 Metern um eine gefährdete Person geben“, hieß es.

V.l.n.r.: Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ), Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) während einer Pressekonferenz zum Thema „Gewalt- und Opferschutz“
APA/Herbert Pfarrhofer
Kneissl, Bogner-Strauß und Edtstadler präsentierten am Donnerstag ihr Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen

Bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung soll es künftig keine gänzlich bedingten Freiheitsstrafen geben, so Edtstadler, die auch Mindeststrafen bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualdelikten in Aussicht stellte. Laut Bogner-Strauß fehlt es an Übergangswohnungen für von Gewalt bedrohte Frauen in den Bundesländern, hier wolle man mehr Plätze schaffen. Es mangle außerdem an länderübergreifenden Frauenhäusern. Außerdem soll es flächendeckende Beratungsstellen für Betroffene in allen Bundesländern geben.

Fokus auch auf Täterarbeit

Auch Fallkonferenzen auf rechtlich fundierter Basis sowie die Verbesserung der Dokumentation von Gewalttaten sind geplant. Dazu sollen laut ÖVP-FPÖ Daten zu Gewalttätern von der Polizei – auf rechtlicher Grundlage – weitergegeben werden dürfen. Im Fokus solle zudem die Täterarbeit stehen. Diese müsse möglichst früh einsetzen, so Bogner-Strauß. Finanzielle Kürzungen soll es heuer nicht geben, hingegen eine Aufstockung des Budgets für Gewalt- und Opferschutz von „bis zu zehn Prozent“.

Erst im vergangenen Jahr sorgten die Regierungseinsparungen bei Familienberatungsstellen sowie die Kürzung von Förderungen für Frauenprojekte für Kritik. Damals wurde den Beratungsstellen einem ORF-Bericht zufolge rund eine Million Euro gestrichen. Im November hatte das Ministerium weitere Mittel durch Budgetumschichtungen versprochen. Eine Gesamtsumme wurde damals nicht genannt.

Regierung: Zuwanderung für Mordserie verantwortlich

Mit den Zuwandererströmen seien nach Regierungsansicht Antisemitismus, Islamismus und ein Frauenbild importiert worden, das zu einer Mordserie an Frauen geführt habe.

In den Mittelpunkt stellte die Regierung auch die Folgen der Migrationsströme. Mit diesen seien Haltungen wie Antisemitismus und radikaler Islamismus importiert worden, „verbunden mit einem Frauenbild, das von uns ganz klar abgelehnt wird, das mit unserer Wertehaltung nichts zu tun hat“, sagte Edtstadler. Wer Schutz suche und brauche, würde diesen bekommen. „Aber wer unsere Wertehaltung ablehnt, hat diesen nicht verdient.“ Daher werde man alle rechtlichen Aspekte ausschöpfen, um straffällig gewordene Asylwerber abzuschieben.

Kickl will „Screening-Gruppe“

Bereits am Dienstag hatte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) aufgrund der jüngsten Gewalttaten an Frauen gegenüber der APA angekündigt, eine „Screening-Gruppe“ einrichten zu wollen. Die Gruppe soll Mordfälle, die seit 1. Jänner 2018 verübt wurden und als „Beziehungstat“ eingestuft werden, aufrollen und analysieren. Im Zuge der „Screening-Gruppe“ sollen die Vorgeschichten der Täter sowie die Opfer-Täter-Beziehungen analysiert werden, hieß es.

Bis Jahresmitte will die Taskforce Strafrecht, geleitet von Edtstadler, Beschlussfähiges vorlegen, hieß es am Dienstag zudem. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte bei der Pressekonferenz zum Ministerrat am Mittwoch an, es würden in Kürze Ergebnisse präsentiert.

Wo sich die Straftaten ereignen

Dass die weitaus meisten Gewalttaten im Familien- oder zumindest Bekanntenkreis verübt werden, zeigt die Anzeigenstatistik des Bundeskriminalamts (BK) in den vergangenen Jahren. Sieht man sich etwa die Tatorte der von der Polizei als Morde klassifizierten Tötungsdelikte im Jahr 2018 an, so wurden 32 der 55 Delikte in Wohnungen, Einfamilienhäusern oder zumindest Wohnhäusern verübt. Dazu genommen werden könnten noch Asylunterkünfte und Beherbergungsbetriebe, wo von Jänner bis inklusive November 2018 weitere fünf Morde verübt wurden. 53-mal gab es Täter-Opfer-Beziehungen, 26-mal davon geschah die Tat in der Familie in Hausgemeinschaften.