Gottfried Waldhäusl (FPÖ)
ORF
Niederösterreich

Wieder Aufregung über Waldhäusl

Niederösterreichs Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) hat mit Drohgebärden gegen die Volksanwaltschaft am Freitag für Aufregung gesorgt. Nach Kritik an einer Unterkunft für Flüchtlinge forderte Waldhäusl, die Abschaffung der Institution anzudenken. Die Opposition ist empört. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will nicht „jede Meinungsäußerung des Landesrats kommentieren“.

Konkret geht es um eine Asylunterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Greifenstein (Niederösterreich). Die Volksanwaltschaft bemängelte unter anderem das Sicherheitskonzept, die Betreuungs- und Personalsituation sowie die Ausgangssperren für Jugendliche bis 16 Jahren ab 18.00 Uhr. Zudem würden etwa Rückzugsgebiete fehlen, und es bestehe die Gefahr für gewalttätige Auseinandersetzungen.

In einer Aussendung Waldhäusls hieß es am Donnerstag: „Wenn die Volksanwaltschaft nur noch nach zuwandererfreundlichen Kriterien prüft, sollte eine Abschaffung dieser Institution definitiv angedacht werden.“ Am Freitagabend relativierte der Landesrat seine Aussage wieder. Er wolle keine Abschaffung, sondern eine Reform der Volksanwaltschaft, sagte er zum ORF Niederösterreich. Bei seiner Kritik blieb er allerdings: „Das geht in Richtung SPÖ und in Richtung eines ‚roten‘ Volksanwalts, und das nehme ich nicht zur Kenntnis, weil sie nicht gerechtfertigt ist.“

Mikl-Leitner verweist auf Regierungsarbeit

Zuvor übten die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS Kritik an den Aussagen. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach von einem „Anschlag auf das Parlament und die Bürger“. Denn die Volksanwälte sind ein Kontrollorgan des Parlaments, das „für die Bürger, für uns alle“ die Missstände im Lande aufdecke. Der Landesrat der FPÖ wolle offensichtlich nicht, „dass jemand die Missstände, die im Lande herrschen, aufdeckt“. Über die Tatsache, dass Waldhäusl noch im Amt ist, zeigte sich Jarolim verwundert.

Auch NEOS-Justizsprecherin Irmgard Griss sieht in Waldhäusls Forderung nach Abschaffung der Volksanwaltschaft einen „Angriff auf verfassungsmäßige Kontrollinstanzen. Ein Politiker disqualifiziert sich für ein öffentliches Amt, wenn er bei Kritik an seiner Amtsführung mit der Abschaffung der Kontrollinstanz droht“, sagte Griss. Die NEOS-Justisprecherin forderte FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf, klar Stellung zu beziehen: „Wer hier schweigt, stimmt zu.“

Das ÖJAB Flüchtlingsheim in Greifenstein
APA/Herbert Pfarrhofer
Das Flüchtlingsheim in Greifenstein wird von der Volksanwaltschaft in vielen Punkten kritisiert

Der sozialdemokratische Volksanwalt Günther Kräuter sieht hingegen „keine Veranlassung“, auf die Diktion von Waldhäusl einzugehen. „Ich bin Volksanwalt und kein Politiker“, so Kräuter. Landeshauptfrau Mikl-Leitner teilte in einer Aussendung am Freitag mit, dass entscheidend sei, dass „in der Regierungsarbeit den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gehandelt wird – und nicht, jede Meinungsäußerung des Landesrats zu kommentieren und damit noch aufzuwerten“.

FPÖ weist Aussagen zurück

„Die Wähler haben die FPÖ bei der letzten Wahl mit einem Regierungssitz ausgestattet“, hieß es in der Stellungnahme der niederösterreichischen Landeshauptfrau. Die Bundes-FPÖ wies Waldhäusls Ansinnen zurück. „Das ist eine Einzelmeinung und es deckt sich nicht mit unserem Parteiprogramm“, sagte Klubchef Gudenus, auf die Aussage des Parteikollegen angesprochen.

Waldhäusl kein Unbekannter

Waldhäusl steht nicht zum ersten Mal in der Kritik. Nachdem der FPÖ-Politiker Ende November einen Stacheldrahtzaun rund um die Asylunterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) aufstellen ließ, stellte Mikl-Leitner ihrem Asyllandesrat die Rute ins Fenster. „Unterkünfte wie Drasenhofen sind kein Gefängnis, ein Stacheldraht hat dort nichts verloren“, sagte Mikl-Leitner Anfang Dezember. Sie betonte, dass es eine derartige Provokation nicht mehr zu geben habe.

Waldhäusl mit Drohgebärden gegen Volksanwaltschaft

Der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) fordert nach seinem Zwist mit der Volksanwaltschaft, eine Abschaffung dieser zu erwägen.

Die Aussendung Waldhäusls samt Drohgebärden gegen die Volksanwaltschaft wurde bereits am Donnerstag veröffentlicht. Es sei „richtig und wichtig, dass die Volksanwaltschaft ihrer Prüfungstätigkeit nachkommt, aktuell frage ich mich allerdings, nach welchen Kriterien hier die Arbeit erledigt wird“, so der Landesrat. „Denn während im heurigen Jahr mittlerweile vier Morde geschehen sind und Frauen regelrecht abgeschlachtet wurden, stößt sich der ‚rote‘ Volksanwalt in einem Bericht an vermeintlichen Mängeln bei der Essensausgabe in einem Asylquartier“ – mehr dazu in noe.ORF.at.

In einem Brief von der Volksanwaltschaft an Mikl-Leitner wurden Bedenken zur Kapazität für 48 Jugendliche sowie zur Beiziehung eines privaten Sicherheitsdienstes geäußert. Eine personelle Besetzung von maximal zwei bis drei Betreuungspersonen sei „unzureichend“, um eine adäquate Betreuung von 48 Jugendlichen zu gewährleisten. Mängel gebe es bei der Qualifikation des Personals. Ab 17.00 Uhr sei den Aussagen zufolge ein uniformierter Sicherheitsdienst anwesend. Dieser habe die Anweisung, zumindest die unter 16-Jährigen am Verlassen des Quartiers nach 18.00 Uhr zu hindern.

Kritik an weiteren Unterkünften

Kritisiert wurden auch die regelmäßige Durchsuchung der persönlichen Gegenstände der Bewohner „ohne Anlassfall oder Verdachtslage“. „Die Volksanwaltschaft empfiehlt, pädagogisch geschultes Personal einzustellen und – wie im Übrigen alle anderen Landes-Grundversorgungseinrichtungen in anderen Bundesländern – vom dauerhaften Einsatz von Sicherheitsdiensten Abstand zu nehmen“, hieß es in dem Schreiben. Landeshauptfrau Mikl-Leitner ließ wissen, dass die Empfehlungen der Volksanwaltschaft genau geprüft werden.

Johanna Mikl-Leitner
ORF
Landeshauptfrau Mikl-Leitner will Empfehlungen der Volksanwaltschaft prüfen

Die Volksanwaltschaft hat neben dem Asylquartier in Greifenstein weitere Unterkünfte in Niederösterreich sowie „willkürliche“ Verlegungen von Bewohnern kritisiert. Im Schreiben an Mikl-Leitner wurde u. a. die Situation bei einem Besuch einer Expertenkommission im Juli 2018 im Haus St. Gabriel in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling) als „menschenunwürdige Unterbringung von schutzbedürftigen Personen“ beurteilt. Die Einrichtung sei grundsätzlich geeignet, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Tarife des Landes eine adäquate Versorgung sicherstellen würden.

In dem von der Caritas betreuten Quartier St. Gabriel seien bei dem Besuch im Juli des Vorjahres psychisch schwer beeinträchtigte Personen überwiegend sich selbst überlassen gewesen und teilweise ziellos durch das Gebäude gegangen, dadurch sei die Sicherheit anderer Bewohner und Bewohnerinnen sowie der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht gewährleistet gewesen. Das Gebäude sei abgewohnt und massiv veraltet, die Baustruktur desolat.

Überstellungen wie „Deportationen“

Kritik übte die Volksanwaltschaft an der Vorgangsweise bei damals erfolgten Verlegungen von Bewohnern in andere Unterkünfte. Die Behandlung von Personen „wie Sachen, die von einem Ort an den andern verlagert werden“, sei „erniedrigend und menschenrechtswidrig“. Die Überstellungen seien „wie Deportationen unter Verwendung bloßer Listen organisiert“ gewesen, ohne dass ein Grund für die Verlegung genannt worden sei. Verlegungen seien tendenziell eine Belastung für Flüchtlinge und „dürfen nicht willkürlich sein“, hieß es von der Volksanwaltschaft.

Missionshaus St. Gabriel in Maria Enzersdorf
Laut Volksanwaltschaft sind in St. Gabriel schwer beeinträchtigte Personen überwiegend sich selbst überlassen gewesen

Bei der Sonderbetreuungseinrichtung in Lilienfeld wurde zur Situation im Juli 2018 angemerkt, dass es offenbar zu wenig Personal bzw. Betreuung gebe. Kritik wurde an den großteils schlechten bis katastrophalen Zuständen in Duschräumen, Toiletten und Küchen geäußert. Die ebenfalls im Juli des Vorjahres besuchte Flüchtlingsunterkunft Schulzheim in Alland im Helenental (Bezirk Baden) wurde mit Ende August geschlossen, die knapp 60 Bewohner wurden in andere Quartiere verlegt. Hervorgehoben wurde bei allen drei Einrichtungen das Bemühen des Personals, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten für das Wohlergehen der Bewohner zu sorgen.

Thematisiert wurden in dem Schreiben auch Betreuungsverträge zwischen Betreibern und Land, die eine jederzeitige Kündigung bei einmonatiger Frist ermöglichen würden. Das sei extrem nachteilig für das – hohen Qualitätsanforderungen entsprechende – Personal, weil es Gefahr laufe, den Arbeitsplatz zu verlieren. Es gehe auch um den Schutz von Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen entsprechender Quartiere, die „geradezu der Willkür des Landes ausgesetzt“ seien.