Theresa May
Reuters/Clodagh Kilcoyne
May sucht nach Brexit-Lösung

Berichte über bilateralen Vertrag mit Irland

Die britische Premierministerin Theresa May peilt einem Medienbericht zufolge einen bilateralen Vertrag mit Irland an, um das Brexit-Abkommen doch noch durch das Parlament zu bringen. Mit dem Schritt wolle May die umstrittene „Backstop“-Vereinbarung im Scheidungsabkommen mit der EU aushebeln, berichtete die „Sunday Times“ im Voraus.

Mays Berater seien der Auffassung, dass die Regierungschefin damit die Unterstützung für ihren Brexit-Plan von der nordirischen Partei DUP und von rebellischen Abgeordneten ihrer eigenen konservativen Partei gewinnen könnte. Die DUP unterstützt Mays Minderheitsregierung.

Aus Irland gibt es dazu zurzeit weder eine offizielle Bestätigung noch Dementierung, die „Irish Times“ zitierte aber einen Vertrauten der Regierung des irischen Premiers Leo Varadkar. Der Insider sagte der Zeitung zufolge, eine bilaterale Lösung sei „nicht etwas, das wir erwägen“. Eine weitere eingeweihte Person sagte der „Irish Times“, dass dies ohnehin in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission nicht funktionieren würde.

Gerüchte über Verschwörung im Unterhaus

Das britische Parlament hatte am Dienstag mit großer Mehrheit gegen das von May und der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen gestimmt. Streitpunkt ist die „Backstop“-Lösung für Irland. Damit soll verhindert werden, dass es zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit eine harte Grenze mit Kontrollen gibt.

Abstimmung im Unterhaus
APA/AFP/UK Parliament/Jessica Taylor
Das Misstrauensvotum gegen sie überstand May knapp, doch ihr Brexit-Vorschlag war einen Tag zuvor kläglich gescheitert

Unterdessen scheint sich Berichten zufolge weiter Beunruhigung in Mays Büro auszubreiten. Der Grund: Das britische Unterhaus soll eine Verschwörung gegen May planen. Presseberichten zufolge wollen Abgeordnetengruppen in der kommenden Woche Änderungen der Geschäftsordnung beantragen, um die Pläne der Premierministerin für den EU-Austritt zu stoppen. Eindeutige Beweise gibt es dafür aber nicht.

„Jeder Versuch, der Regierung die Macht zu entziehen, die gesetzlichen Bedingungen für einen geordneten Austritt zu erfüllen“, sei „extrem beunruhigend“, sagte eine Regierungssprecherin in London. „Das britische Volk hat dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen, und es ist äußerst wichtig, dass die politischen Abgeordneten dieses Verdikt respektieren“, ergänzte die Regierungssprecherin.

May will am Montag Plan B präsentieren

May will dem Unterhaus am Montag ihren Plan B für den Brexit vorlegen, nachdem der von ihr mit Brüssel ausgehandelte Austrittsvertrag dort am Dienstag krachend gescheitert war. Seitdem traf sie sich zu Geheimverhandlungen mit Oppositionsvertretern, die jedoch festzustecken scheinen. Immerhin, wenn auch knapp, überstand May am Mittwochabend aber eine vom oppositionellen Labour-Parteichef Jeremy Corbyn initiierte Misstrauensabstimmung – 325 Abgeordnete votierten für May, 306 stimmten gegen sie.

Der britische Handelsminister Liam Fox warnte unterdessen in der Zeitung „The Sunday Telegraph“ vor einem „politischen Tsunami“, wenn die Abgeordneten nicht den Ausgang des Referendums von 2016 respektierten. Zudem kritisierte er die vor allem von der Labour-Partei geäußerte Forderung, May solle einen ungeregelten Brexit ohne Austrittsabkommen ausschließen. Es sei die „größtmögliche Dummheit“, in einer Verhandlung den „stärksten Trumpf wegzugeben“.

Labour erneuert Forderung nach Neuwahl

Die Labour-Partei erneuerte am Samstag ihre Forderung nach einer Neuwahl. „Die Misstrauensabstimmung am Mittwoch war erst der Anfang der Labour-Bemühungen um eine Neuwahl – nicht das Ende“, sagte der Brexit-Schattenminister von Labour, Keir Starmer, in London. Eine Neuwahl sei der einzige Weg, „den radikalen Wandel einzuleiten, den diese Land braucht“. May lehnte die Option einer Neuwahl bisher ab und betonte, sie suche den Konsens aller Parteien.

Ganz abwegig erscheint die Möglichkeit eines Gangs an die Wahlurnen aber nicht. Drei Mitglieder von Mays Kabinett hatten der „Financial Times“ (Freitag-Ausgabe) gesagt, dass eine Neuwahl im Rahmen des Möglichen sei. Regierungsmitarbeitern zufolge seien in der vergangenen Woche Notfallpläne für eine Wahl diskutiert worden.

Am 29. Januar soll im Unterhaus erneut über den weiteren Brexit-Fahrplan debattiert und abgestimmt werden. Die Abgeordneten haben dabei die Möglichkeit, die Beschlussvorlage abzuändern. Herauskommen könnte dem Politikwissenschaftler Jack Simson Caird von der Denkfabrik Bingham Centre zufolge, dass das Parlament im Februar über eine ganze Reihe verschiedener Optionen abstimmt, um herauszufiltern, welche Änderungen bzw. Alternativen für das Brexit-Abkommen mehrheitsfähig sind.

EU will sich aus britischen Interna raushalten

Die EU hält sich unterdessen zurück und beteuert öffentlich immer wieder, es sei an Großbritannien, einen Lösungsvorschlag zu machen. Hinter den Kulissen brüten aber auch in Brüssel alle über einen Ausweg aus der Sackgasse. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker telefonierte nach offiziellen Angaben diese Woche mit fast allen europäischen Hauptstädten und am Freitag schließlich auch mit Premierministerin May. Nach außen drang davon nichts.

Die gängige diplomatische Sprachregelung ist nun: Sobald es einen im britischen Unterhaus konsensfähigen Vorschlag gibt, wird sich die EU damit befassen. Eine Verlängerung der zweijährigen Austrittsfrist über den 29. März hinaus wird nicht ausgeschlossen, ebenso wenig wie neue Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien, wenn London zum Beispiel doch eine Zollunion will.