Theresa May
Reuters/Hannah Mckay
Brexit-Machtkampf

May will im Parlament Plan B enthüllen

Knapp eine Woche nach der Niederlage für das Brexit-Paket der britischen Premierministerin Theresa May im Unterhaus will diese am Montag ihren Plan B für den Brexit vorstellen. Gerüchten zufolge wollen einige Abgeordnete May und ihre Pläne stoppen. Doch die britische Regierung ging am Wochenende auf Konfrontationskurs zum Parlament.

Der Machtkampf zwischen Regierung und Parlamentariern verschärft sich. Es könne nicht sein, dass das Unterhaus den Brexit-Prozess an sich reiße, sagte Handelsminister Liam Fox am Sonntag gegenüber der BBC. Die Entscheidung der Bevölkerung für den Austritt aus der EU sollte nicht ausgehebelt werden. Gegenüber dem „Sunday Telegraph“ warnte er vor einem „politischen Tsunami“, wenn das Referendum von 2016 nicht akzeptiert würde.

Britische Medien hatten am Sonntag berichtet, dass Abgeordnete im Unterhaus May im Brexit-Streit offenbar die Kontrolle entziehen wollen. Den Berichten zufolge wollen zwei Gruppen von Parlamentariern in den kommenden Tagen Änderungsanträge einbringen, um Mays Brexit-Pläne und den Austrittsprozess nach Artikel 50 des EU-Vertrags vorübergehend zu stoppen.

Mays Büro „extrem beunruhigt“

Mays Büro reagierte besorgt auf die Berichte. „Jeder Versuch, der Regierung die Macht zu entziehen, die gesetzlichen Bedingungen für einen geordneten Austritt zu erfüllen“, sei „extrem beunruhigend“, sagte eine Regierungssprecherin in London.

Eine andere parteiübergreifende Initiative von Mandataren pocht auf eine Verschiebung des auf 29. März festgelegten EU-Austrittstermins, sollte es bis Ende Februar keine Einigung im britischen Parlament geben. Dem Brexit-Sprecher der oppositionellen Labour Party, Keir Starmer, zufolge ist eine Verlängerung der Frist unvermeidbar. Mehrheitsfähige Optionen gebe es nur zwei: eine wirtschaftlich engere Anbindung an die EU oder eine zweite Volksabstimmung. Sollte Mays Plan B nicht auf Anklang stoßen, will diese Gruppe einen Änderungsantrag für weitere Verhandlungen mit der EU einbringen.

Bericht: May will Karfreitagsabkommen ändern

Es wird erwartet, dass Mays Plan B sich vor allem auf den weiteren Prozess richtet und weniger auf substanzielle Änderungen zu ihrem ausgehandelten Brexit-Paket. Vor allem aber dürfte sie eine Lösung für die auf heftigen Widerstand stoßende „Backstop“-Regel suchen. Der „Daily Telegraph“ berichtete Sonntagabend, dass May offenbar das Nordirland-Friedensabkommen ändern will, um eine Verhandlungslösung im Brexit-Streit zu ermöglichen.

„Backstop“-Regel

Diese Regel ist der größte Kritikpunkt an Mays Brexit-Paket. Sie sieht vor, dass Großbritannien mit der EU in einer Zollunion bleibt, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wird. Hardliner eines Austritts fürchten eine Bindung an die EU auf unabsehbare Zeit.

Dieses Karfreitagsabkommen, das 1998 den jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland beendete, soll um Garantien bezüglich des Weiterbestands einer offenen Grenze zwischen der britischen Provinz und Irland erweitert werden. Mit der Verständigung auf eine Reihe von weiteren Grundsätzen soll die umstrittene „Backstop“-Lösung für Nordirland obsolet werden.

Unterstützung der DUP gesucht

Zuvor hatte die „Sunday Times“ berichtet, dass der Plan B auch einen bilateralen Vertrag mit Irland vorsehen könnte, um eine Lösung für die Nordirland-Frage zu erreichen. Die Premierministerin wolle dadurch die umstrittene Auffanglösung für die Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland umgehen, die im Austrittsvertrag mit der EU festgeschrieben ist.

Mays Berater seien der Auffassung, dass die Regierungschefin damit die Unterstützung für ihren Brexit-Plan von der nordirischen Partei DUP und von rebellischen Abgeordneten ihrer eigenen Konservativen Partei gewinnen könnte, so der Bericht. Die DUP unterstützt Mays Minderheitsregierung.

Irland sieht sich als Teil der EU-27

Nach Angaben von Europaministerin Helen McEntee wird Irland allerdings nicht in bilaterale Verhandlungen mit Großbritannien eintreten. Für Irland sei auch das Karfreitagsabkommen nicht verhandelbar. McEntee sagte, sie glaube auch nicht, dass May Änderungen am Karfreitagsabkommen in Erwägung ziehen würde. Aus dem irischen Außenministerium hieß es am Sonntag laut „Financial Times“, dass es bisher keine offizielle Anfrage für einen bilateralen Vertrag gegeben habe. Ein Regierungssprecher habe betont, dass Irland als Teil der EU-27 verhandle.

Geheimverhandlungen mit Opposition

Das britische Parlament hatte am Dienstag mit großer Mehrheit gegen das von May und der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen gestimmt. Streitpunkt ist die „Backstop“-Lösung für Irland. Damit soll verhindert werden, dass es zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit eine harte Grenze mit Kontrollen gibt.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Noch am Sonntag soll May sich mit Ministern beraten haben. Nach der Niederlage im Parlament traf sie sich immer wieder zu Geheimverhandlungen mit Oppositionsvertretern. Diese scheinen aber festzustecken. Es gibt Szenarien von einem zweiten Referendum bis zum Verbleib in der EU. Groß ist die Sorge vor einem ungeordneten Brexit. Je mehr Zeit verstreicht, desto größer ist diese Gefahr auch.

Demonstrant in London
AP/Kirsty Wigglesworth
Ein proeuropäischer Demonstrant wehrt sich vor dem britischen Parlament gegen den Brexit

Am 29. Jänner soll im Unterhaus erneut über den weiteren Brexit-Fahrplan debattiert und abgestimmt werden. Die Abgeordneten haben dabei die Möglichkeit, die Beschlussvorlage abzuändern. Herauskommen könnte dem Politikwissenschaftler Jack Simson Caird von der Denkfabrik Bingham Centre zufolge, dass das Parlament im Februar über eine ganze Reihe verschiedener Optionen abstimmt, um herauszufiltern, welche Änderungen bzw. Alternativen für das Brexit-Abkommen mehrheitsfähig sind.

Autobombe in Nordirland beunruhigt Politik

Sorgen bereitete Politikern in Belfast in Nordirland auch die Explosion einer Autobombe in der Innenstadt der nordirischen Stadt Londonderry. Zwar wurde nach dem derzeitigen Informationsstand niemand verletzt, nach Einschätzung der Polizei steckt hinter dem Anschlag aber vermutlich eine Splittergruppe der militanten Untergrundorganisation IRA. Vier Personen wurden laut Polizeiangaben vom Sonntag festgenommen.

Cornelia Primosch über den Plan B

Am Montag muss ein Brexit-Plan-B eine Mehrheit im britischen Parlament finden. ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch erklärt, wie dieser Plan aussehen könnte.

In Großbritannien herrscht die Sorge, dass der Nordirland-Konflikt zwischen irischen Nationalisten und probritischen Unionisten bei einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen wieder aufflammen könnte. Die DUP-Vorsitzende Arlene Foster verurteilte den „sinnlosen Akt des Terrors“ auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Auch Elisha McCallion, Parlamentsabgeordnete der Sinn Fein, erklärte, Londonderry sei eine aufsteigende Stadt, „und niemand möchte einen derartigen Zwischenfall“.

EU wartet auf London

Die EU hält sich unterdessen zurück und beteuert öffentlich immer wieder, es sei an Großbritannien, einen Lösungsvorschlag zu machen. Hinter den Kulissen brüten aber auch in Brüssel alle über einen Ausweg aus der Sackgasse. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker telefonierte nach offiziellen Angaben diese Woche mit fast allen europäischen Hauptstädten und am Freitag schließlich auch mit Premierministerin May. Nach außen drang davon nichts.

Die gängige diplomatische Sprachregelung ist nun: Sobald es einen im britischen Unterhaus konsensfähigen Vorschlag gibt, wird sich die EU damit befassen. Eine Verlängerung der zweijährigen Austrittsfrist über den 29. März hinaus wird nicht ausgeschlossen, ebenso wenig wie neue Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien, wenn London zum Beispiel doch eine Zollunion will.