Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
Reuters/Philippe Wojazer
Vor Freundschaftsvertrag

Paris und Berlin wollen Signal der Stabilität

Deutschland und Frankreich frischen ihre Freundschaft auf. In Aachen unterzeichneten am Dienstag die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Vertrag, der die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern stärken soll. Inmitten der Ungewissheit über den Brexit wollen Berlin und Paris Stabilität demonstrieren – doch der Akt wird auch von Kritik begleitet.

Vor der Unterzeichnung hatten beide bei der Zeremonie im Aachener Rathaus die Vertiefung der deutsch-französischen Freundschaft gewürdigt und als unerlässlich für Europa bezeichnet. Deutschland und Frankreich müssten künftig Taktgeber sein in den Zukunftsbereichen wie Digitalisierung, Bildung und auch Wirtschaft. Europa müsse aufholen in vielen Bereichen. So müsse der Binnenmarkt vollendet und ein digitaler Binnenmarkt geschaffen werden. Dazu gehöre etwa auch eine Harmonisierung des Rechts in den entsprechenden Bereichen.

Der 22. Jänner ist ein symbolisches Datum: Genau 56 Jahre zuvor unterzeichneten der damalige deutsche Kanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Präsident Charles de Gaulle den Elyseevertrag, mit dem eine der wichtigsten Partnerschaften in Europa besiegelt wurde. 16 Seiten umfasst das Papier, auf das sich Macron und Merkel in der deutschen Stadt einigen. Im Entwurf werden vor allem wirtschaftliche Themen angerissen: Angedacht ist etwa ein „deutsch-französischer Wirtschaftsraum“, der gemeinsame Regeln für die zwei Volkswirtschaften bringen soll. Auch Hindernisse in den Grenzregionen sollen beseitigt werden, heißt es.

Symbolhafter Vertrag rückt Europa in den Fokus

Während die Regelung des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU momentan die Agenda in Brüssel füllt, stellen sich Macron und Merkel hinter die Europäische Union. „Beide Staaten vertiefen ihre Zusammenarbeit in der Europapolitik. Sie setzen sich für eine wirksame und starke Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein und stärken und vertiefen die Wirtschafts- und Währungsunion“, heißt es in dem Dokument.

Auch die Einigkeit soll durch den Vertrag von Aachen gestärkt werden: So sollen vor „großen europäischen Treffen“ regelmäßige Konsultationen „auf allen Ebenen“ stattfinden. Damit „bemüht“ man sich, „gemeinsame Standpunkte herzustellen“. Gerade das war in der Vergangenheit oft nicht der Fall: Macrons Vorschlag für ein gemeinsames Euro-Zone-Budget fand in Deutschland etwa keine Unterstützung. „Zu oft fühlte sich Macron auf der europäischen Ebene von Deutschland nur unzureichend unterstützt“, schreibt die dpa.

Unterzeichnung des Elysee-Vertrags im Jänner 1963
APA/AFP
1963 unterzeichneten Konrad Adenauer (l.) und Charles de Gaulle (M.) den Elyseevertrag

Kritik kam deshalb am Wochenende von der SPD. „Viel zu lange hat vor allem Kanzlerin Merkel die europäischen Initiativen des französischen Präsidenten ins Leere laufen lassen“, kritisierte SPD-Fraktionsvize Achim Post. „Auf die Unterschrift unter den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag muss rasch die Unterschrift unter eine mutige Reform Europas folgen.“

Beide Spitzenpolitiker unter Druck

Hinzu kommt, dass Merkel und Macron selbst mit Problemen zu kämpfen haben. Die langjährige deutsche Kanzlerin kündigte ihren Rücktritt vom Vorsitz der CDU an, im Mai stehen in vielen deutschen Bundesländern Kommunalwahlen an. Und in Frankreich brachten die Proteste der „Gelbwesten“ Macron zuletzt stark unter Druck.

Die „Gelbwesten“ werden unterdessen auch in Aachen eine Rolle spielen. Die Polizei rechnet bei dem Treffen mit bis zu 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei mehreren Demonstrationen, die gegen die Unterzeichnung des Vertrags protestieren wollen.

Kritik aus der Opposition

Der deutsche Außenminister Heiko Maas sieht in der Vertragsunterzeichnung ein wichtiges Zeichen: Vor zwei Wochen sagte er, es gehe darum, „für ein starkes, handlungsfähiges Europa, für eine friedliche Welt und eine regelbasierte Ordnung einzutreten“. Andere Parteien vermissen jedoch Substanzielles: „Der neue Elyseevertrag ist enttäuschend unambitioniert“, sagte etwa die deutsche Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner. AfD-Politiker Norbert Kleinwächter sagte hingegen, Macron habe es mit dem Vertrag auf deutsche Finanzhilfen abgesehen.

Auch in Frankreich wurde vor der Unterzeichnung Kritik laut. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen vom Rassemblement National sagte, der Vertrag sehe unter anderem eine deutsche „Vormundschaft“ über das Elsass vor. Außerdem wolle Frankreich seinen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat künftig mit Berlin teilen und das Land damit „aus dem Kreis der Großmächte führen“, behauptete Le Pen unter Anspielung auf Artikel 8 des Vertrags. Darin ist festgehalten, dass die Aufnahme Deutschlands als ständiges Sicherheitsratsmitglied „eine Priorität der deutsch-französischen Diplomatie“ ist.

2017 Erneuerung des Elyseevertrags gefordert

Der Vertrag von Aachen geht auf eine Anregung von Macron aus dem Jahr 2017 zurück. Damals brachte er eine Neuauflage des 1963 unterzeichneten Elyseevertrags ins Spiel. Der Vertrag wurde von De Gaulle und Adenauer im Jahr 1963 im Elyseepalast unterzeichnet und bekräftigte die Zusammenarbeit zwischen den ehemals verfeindeten Staaten. Er schreibt unter anderem gemeinsame Konsultationen bei wichtigen politischen und wirtschaftlichen Themen fest.