Frau hält Plakat mit Britischer, europäischer und irische Flagge
APA/AFP/Daniel Leal-Olivas
Brexit-Poker

Alleingang für Irland keine Option

Im laufenden Brexit-Poker wird mit Spannung der von Großbritanniens Regierungschefin Theresa May angekündigte Plan B erwartet. Ob May am Montagabend eine Lösung in der Irland-Frage präsentieren wird, bleibt fraglich. Spekuliert wurde zuletzt über bilaterale Verhandlungen zwischen London und Dublin – für Irlands Europaministerin Helen McEntee ist das allerdings keine Option.

Die Brexit-Gespräche würden von der EU und damit allen verbleibenden 27 Mitgliedsländern geführt, sagte McEntee am Montag. Irland werde aus diesem Grund auch nicht in bilaterale Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich treten. Auch Irlands Außenminister Simon Coveney machte klar, dass seine Regierung an dem zwischen London und Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommen festhält – einschließlich des in London besonders umstrittenen „Backstop“.

Den „Times“-Angaben zufolge soll Mays Konzept auch Pläne für einen Vertrag Großbritanniens mit Irland enthalten, um das Problem einer neuen Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und der Republik Irland – Stichwort „Backstop“ – zu vermeiden. Ein solcher Vertrag soll ebenso Tory-Hardliner wie die nordirische DUP überzeugen, deren Abgeordnete Mays Regierung im Parlament unterstützen. Ob und wie das Vorhaben mit EU-Recht vereinbar sei, bleibt der britischen „Times“ zufolge allerdings offen.

„Backstop“-Regel

Diese Regel ist der größte Kritikpunkt an Mays Brexit-Paket. Sie sieht vor, dass Großbritannien mit der EU in einer Zollunion bleibt, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wird. Hardliner eines Austritts fürchten eine Bindung an die EU auf unabsehbare Zeit.

„Für eine Verhandlung braucht es zwei“

Große Zweifel an dem Vorhaben äußerte unter anderen der deutsche Außenminister Heiko Maas. Der SPD-Politiker sagte am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“, dass ihm nicht klar sei, wie diese kreative Idee funktionieren solle. Es sei ihm auch schleierhaft, was die britische Regierung mit Dublin verhandeln wolle oder was für ein Zusatzabkommen das sein solle.

Der Chef der Europäischen Grünen Partei, Reinhard Bütikofer, warf May unterdessen vor, Irland aus der Solidarität der EU-Staaten herausbrechen zu wollen. „Für eine Verhandlung braucht es ja zwei“, sagte Bütikofer gegenüber dem deutschen Südwestrundfunk (SWR) am Montag. Irland sei aber bis jetzt sehr gut mit der Solidarität der anderen 26 Mitgliedsländer gefahren und dürfte nicht interessiert sein.

Brexit-Plan-B „ein frommer Wunsch“

Mit einer Alternative zum „Backstop“ könnte May durchaus die Hardliner überzeugen, laut ORF-Auslandschef Andreas Pfeifer wäre das allerdings nur „die halbe Miete“ und Mays Plan B wohl nur „ein frommer Wunsch“.

„Erkennbar ist ja nun das Sinnen und Trachten von Frau May darauf gerichtet, Irland genau aus dieser Solidarität rauszubrechen. Ich halte das nicht für ein besonders aussichtsreiches Unterfangen“, sagte Bütikofer. Zudem werde die EU keine bilaterale Regelung von Fragen zulassen, die in ihrer Kompetenz liegen. Neue Verhandlungen über den Austrittsvertrag hält Bütikofer nicht für möglich. Die EU könnte aber dem britischen Unterhaus mehr Zeit geben, um Klarheit zu schaffen.

Für EU-Kommission nicht verhandelbar

Es sei „der Moment für London, sich zu äußern“, hieß es dazu am Montag von der EU-Kommission. Einem Kommissionssprecher zufolge sei es zudem „absolut korrekt“, dass die irische Grenzfrage und damit auch der „Backstop“ Teil des zwischen May und der EU ausgehandelten Ausstiegsvertrags und somit nicht mehr verhandelbar sei.

EU könnte „Position anpassen“

Der rumänische EU-Vorsitz zeigte sich hingegen offen für Änderungen an der Brexit-Vereinbarung mit Großbritannien. Wenn in London Klarheit über den Kurs herrsche, werde die EU versuchen, ihre „Position anzupassen“, sagte Außenminister Teodor Melescanu am Montag in Brüssel. Obgleich die EU weiter hinter Irland stehe, könne dabei auch über die umstrittene Auffanglösung für Nordirland gesprochen werden: „Der Backstop, alles ist offen, steht auf der Tagesordnung.“

Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn erwartete am Montag noch keine Klarheit „über die großen Fragen“ wie etwa ein zweites Referendum oder Neuwahlen in Großbritannien oder die Verschiebung des Brexit-Termins Ende März. Er könne sich vorstellen, dass sich London nun „mehr konzentriert auf die Zollunion“. Diese sei „nützlich“, um das Nordirland-Problem zu lösen, und würde „Chaos“ durch Warenkontrollen zum Rest Europas verhindern.

„Es bringt uns nicht weiter, wenn wir jetzt anfangen, bilaterale Ideen aufzubringen. Bleiben wir bitte beim Verhandlungsmandat für (EU-Chefverhandler, Anm.) Michel Barnier“, sagte FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl am Montag nach Beratungen mit ihren EU-Kollegen. Zudem forderte Kneissl „klarere“ Ansagen aus London. Ein schnelle Lösung zeichne sich Kneissl zufolge nicht ab: „Zwei Jahre lang hat man auf Großbritannien gewartet. Es ist schwierig herauszufiltern, was in den nächsten Wochen passieren kann, was nicht schon in den letzten zwei Jahren passieren hätte können.“

Fünfjahresfrist für „Backstop“?

Wie die BBC mit Verweis auf Polens Außenminister Jacek Czaputowicz berichtete, setzt May in ihrem Plan B offenbar auf eine Begrenzung der „Backstop“-Notfalllösung für den Handel zwischen Irland und Nordirland auf fünf Jahre.

Aufhorchen ließ unterdessen Spaniens Außenminister Josep Borell, dem zufolge es mittlerweile Spekulationen gebe, den Brexit „für eine lange Zeit von fünf Jahren“ zu verschieben, damit die Briten Zeit für ein zweites Referendum oder Neuwahlen bekämen. Er plädiere aber dafür, den Brexit „nicht zu einem chronischen Problem“ ohne Ende zu machen.

Für den slowakischen Außenminister Miroslav Lajcak kommt die derzeit vieldiskutierte Verschiebung des Brexit-Termins hingegen nur infrage, „wenn es einen guten Grund“ gibt. Eine Verschiebung dürfe nicht dazu dienen, „die Agonie zu verlängern“.