Bühnenarbeiter bauen das Rednerpult auf
AP/Markus Schreiber
Davos

Absagen überschatten Weltwirtschaftsforum

Am Dienstag versammelt sich die globale Finanzelite im Schweizer Wintersportort Davos wieder zum Weltwirtschaftsforum (WEF). Das Motto lautet dieses Jahr „Globalisierung 4.0“. Überschattet wird die viertägige Veranstaltung jedoch von prominenten Politikern und Politikerinnen, die nicht teilnehmen werden – allen voran US-Präsident Donald Trump, die britische Premierministerin Theresa May und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

So sagte Trump schon vor Tagen seine Teilnahme bei der 49. Jahrestagung ab – Grund sei der Handelsstreit in den USA – und strich alsdann auch gleich den Aufenthalt für die gesamte US-Delegation. May sagte wegen der Brexit-Uneinigkeiten im britischen Unterhaus ab, Macron bleibt wegen der „Gelbwesten“-Proteste zu Hause.

Das hinderte die Veranstalter des WEF freilich nicht daran, trotzdem ein umfangreiches Programm auf die Beine zu stellen. Die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs würden immerhin ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung repräsentieren, rechnete die dpa vor.

Merkel, Bolsonaro und Kurz nehmen teil

Auf der Rednerliste stehen schließlich auch politische Größen wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die gleich mit mehreren Ministern anreist, und Brasiliens neuer Staatschef Jair Bolsonaro. Es ist die erste Auslandsreise des rechtsradikalen Politikers, der in Davos eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede halten will. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird zusammen mit FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl teilnehmen.

Sondereinsatzkommando mit Schusswaffe auf dem Dach des Hotel Davos
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Ob Trump kommt oder nicht – die Sicherheitsvorkehrungen in Davos sind die gleichen wie auch die Jahre zuvor

„Das World Economic Forum bietet eine gute Gelegenheit, um Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft zu treffen. Schwerpunkt der Gespräche ist für mich das Thema Digitalisierung“, sagte Kurz im Vorfeld nach Angaben seines Sprechers. Kurz trifft in Davos die Bosse von Internetkonzernen, etwa Apple, Alibaba, Uber, Facebook und Novartis, die von den österreichischen Digitalsteuerplänen betroffen wären, die Österreich den IT-Riesen nach dem vorläufigen Scheitern einer europäischen Lösung auferlegen will.

Gemeinsam treffen Kurz und Kneissl den chinesischen Vizepräsidenten Wang Qishan und die äthiopische Menschenrechtsaktivistin Yetnebersh Nigussie. Kneissl trifft außerdem IWF-Chefin Christine Lagarde und BP-Chef Bob Dudley sowie den Handelsminister von Oman. Außerdem werden Kurz und Kneissl an Podiumsdiskussionen teilnehmen.

Diplomat: Politik wird Forum „völlig“ bestimmen

Dass Politgrößen wie Trump, May und Macron nicht anwesend sein werden, hat laut Schweizer Medien keinen Einfluss auf die Sicherheitsvorkehrungen in Davos, die bereits seit einigen Tagen auf Hochtouren laufen. Laut Polizei und Armee ist der Aufwand für den Einsatz am WEF nicht kleiner als im Vorjahr. „Es gibt weniger Medienanfragen, aber sonst ist wenig von Entlastung zu spüren“, so Oberst Walter Schlegel zur „Basler Zeitung“. „Es ist so, dass wir weniger Flüge haben, da Donald Trump samt Entourage nicht kommt.“ Wenn man es mit letztem Jahr vergleiche, sei der Aufwand aber nicht kleiner.

Unter dem Motto „Globalisierung 4.0: Auf der Suche nach einer globalen Architektur im Zeitalter der Vierten Industriellen Revolution“ diskutieren insgesamt mehr als 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über Lösungen für brennende Probleme der Gegenwart. Die Veranstalter um den Gründer Klaus Schwab verweisen zudem auf die mehr als 800 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den USA, darunter die Chefs weltweit führender Unternehmen.

Blick auf das Kongresszentrum in Davos
Reuters/Arnd Wiegmann
Im schneebedeckten Davos wird heuer wieder die weltwirtschaftliche Schwerpunktsetzung von der Finanzelite diskutiert

Es soll Diskussionsrunden zu Themen wie Digitalisierung, künstlicher Intelligenz, Europa und Afrika geben. Mit den globalen Handelskonflikten und dem weltweiten Aufstieg von Populisten werde diesmal aber die Politik „völlig“ die Diskussionen bestimmen, vermutete ein hochrangiger europäischer Diplomat gegenüber der dpa. Über den Brexit etwa und die Zukunft Großbritanniens nach dem geplanten EU-Austritt wird statt May nun der britische Handelsminister Liam Fox sprechen. Über die Wirtschaft Chinas wird Vizepräsident Wang eine Rede halten. Erstmals dabei ist die neue Chefvolkswirtin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Gita Gopinath.

„Hier werden die Weichen gestellt“

Ein anderer langjähriger Beobachter des WEF hofft unterdessen darauf, dass den Inhalten der Tagung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden könnte, da weniger Politprominenz anwesend sein wird. „Einzelne Reden von Politikern sind nicht das Hauptaugenmerk in Davos. Vielmehr steht der Dialog zwischen Wirtschaft, Finanzwelt und Politik oder zwischen einzelnen Staaten im Mittelpunkt“, sagte der Verwaltungsratschef der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG), Hans-Paul Bürkner, zur dpa.

„Hier werden die Weichen gestellt, wie die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit adressiert werden sollen.“ Und weiter: „Die Botschaft muss sein, dass nationale Alleingänge in einer globalisierten Welt keinen Erfolg bringen und nur eine grenzübergreifende Zusammenarbeit Chancen besitzt, die drängendsten Probleme in den Griff zu bekommen.“

Lagarde: Globale Rezession steht nicht bevor

Einen Tag vor Beginn des WEF stellte IWF-Chefin Lagarde am Montag in Davos ihren Ausblick auf die Weltwirtschaft vor. Zuletzt hatte der IWF vor Abschottung beim Handel, hohen Schulden und verlorengegangenem Vertrauen in die Wirtschaftsentwicklung gewarnt.

„Steht eine globale Rezession bevor? Nein. Aber das Risiko einer stärkeren Abnahme des Weltwirtschaftswachstums ist sicherlich gestiegen“, sagte die IWF-Chefin vor Journalisten. Sie forderte, Spitzenpolitiker müssten die Gefahren ansprechen und bereit sein, wenn sich das Wachstum ernsthaft verlangsame. Ziel müsse sein, dass Volkswirtschaften widerstandsfähiger würden und stärker zusammenarbeiteten. Wichtig sei zudem, Arbeitern zu helfen, die im Zuge der Digitalisierung fern von zu Hause seien. Außerdem müssten bessere Möglichkeiten für Frauen und junge Leute geschaffen werden, sagte Lagarde.

IWF-Direktorin Christine Lagarde
AP/Markus Schreiber
Lagarde warnte vor einer weiteren Abnahme des Wirtschaftswachstums

„Eine Eskalation von Handelskonflikten über die bisher bereits in der Prognose berücksichtigten hinaus bleibt eine der wesentlichen Risikoquellen für den Ausblick“, schreibt der IWF. Über die Handelsstreitigkeiten hinaus gebe es eine Reihe von Faktoren, die zu negativen Auswirkungen führen könnten, etwa ein ungeregeltes Ausscheiden Großbritanniens aus der EU sowie eine über die Erwartungen hinausgehende Wirtschaftsabschwächung in China.

IWF senkt Konjunkturprognosen weiter

Das WEF sieht die globale Konjunktur zudem schwerwiegenden Bedrohungen ausgesetzt. Der IWF senkte seine Wachstumsprognose für 2019 nochmals um 0,2 Punkte auf nun 3,5 Prozent. Während die Weltkonjunktur 2018 noch um schätzungsweise 3,7 Prozent gewachsen sei, betrage der Ausblick für heuer 3,5 Prozent und für nächstes Jahr 3,6 Prozent. Das sei eine weitere Herabsetzung seit der Prognose im Oktober, als der IWF die Erwartungen bereits zurückgeschraubt hatte. Damals seien vor allem die „negativen Effekte“ des Handelsstreits zwischen den USA und China dafür verantwortlich gewesen.

Insgesamt geht der IWF für die Euro-Zone in diesem Jahr von einem BIP-Wachstum von 1,6 Prozent aus. Damit senkte der Fonds seine Erwartungen für 2019 seit Oktober noch einmal um 0,3 Punkte. „Das globale Wachstum verlangsamt sich, es gibt viele dunkle Wolken da draußen“, sagte unterdessen WEF-Präsident Borge Brende der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe). Er sprach von „geopolitische Verwerfungen, die die Welt vergiften“. Es gebe zudem kaum Spielraum der Notenbanken gegenzusteuern.

Ferner könnten die Regierungen nicht mehr mit höheren Staatsausgaben reagieren. „Deutschland und Norwegen könnten sich vielleicht noch höhere Staatsausgaben leisten, aber fast alle anderen Länder sind doch überschuldet“, ergänzte der frühere norwegische Außenminister laut Vorabbericht. Ferner gebe es große Herausforderungen in China, wo sich die Konjunktur abkühlt. „Es besteht die vage Hoffnung, dass wir noch zwei bis drei Jahre mit Wirtschaftswachstum vor uns haben, vorausgesetzt, es gibt keine größeren geopolitischen Zwischenfälle oder einen Handelskrieg“, prognostizierte Brende für die Weltwirtschaft.