Bilder der Aufführung „Thamos, König in Ägypten“ während der Mozartwoche 2019
Matthias Baus
Salzburger Mozartwoche

Mozart wird zum Pink-Floyd-Spektakel

Im digitalen Zeitalter steigen die Möglichkeiten universaler Erlebnisvermittlung. Auch wenn man Klassisches in neue Kanäle speisen kann, ist das Erreichen der „Next Generation“ von Kunstfans keine Selbstverständlichkeit. In Salzburg versucht nun die neu ausgerichtete Mozartwoche den Spagat zu neuen Publikumsschichten. Und bläst als Startpunkt der Festspielsaison Mozarts „Thamos“-Musik zum Pink-Floyd-artigen Spektakel auf.

Wer das Programm der diesjährigen Mozartwoche betrachtet, findet als Liebhaber der Hochkultur Vertrautes und die großen Namen: Cecilia Bartoli, Daniel Barenboim, Mitsuko Uchida, Krassimira Stojanowa (Stoyanova), das Hagen Quartett, Andras Schiff und viele mehr. Ebenso die großen Orchester wie die Wiener Philharmoniker, das Mahler Chamber Orchestra und das Chamber Orchestra of Europe.

Dennoch ist einiges anders im ersten Jahr, in dem Tenor Rolando Villazon die künstlerische Leitung dieses Festivals übernommen hat und mit seinem Team ein Programm auf die Beine stellt, das (ab dem kommenden Jahr noch mehr) wie eine Art vierte Salzburger Festspielschiene dasteht.

Villazon macht Mozartwoche

„Mozart lebt!“: Unter dieses Motto stellt Intendant Rolando Villazon die diesjährige Mozartwoche. Fünf Jahre soll nur Musik von Mozart erklingen. Am Donnerstag steht „Thamos“ auf dem Programm.

Im nächsten Jahr soll, wurde am Donnerstag angekündigt, etwa Bob Wilson gemeinsam mit Mark Minkovski und den Musiciens du Louvre Mozarts Bearbeitung des „Messias“ von Händel auf die Beine stellen. Mit Spannung erwartete man die im Vorfeld beinahe schon preisgegebene Großproduktion „T.H.A.M.O.S.“ der spanischen Compagnie La Fura dels Baus, die Mozarts Chöre und Musik zum heroischen „Thamos“-Drama zu einem bildgewaltigen Spektakel in der Felsenreitschule aufbläst.

„Luft nach oben“

„Luft nach oben“ ortete Karl Harb in einer Nachtkritik auf den opulenten Start der Mozartwoche in der Nacht auf Freitag in den „Salzburger Nachrichten“. Ein Pasticcio, zumal Mozart ja nur die Zwischenmusik für ein mehr als hölzernes Aufklärungsstück geschrieben hatte, habe man in dieser Produktion zum „überdimensionalen Bilderbogen aufgeblasen“, frei nach dem Motto „Hauptsache, die Spektakelmaschine läuft“.

Bilder der Aufführung „Thamos, König in Ägypten“ während der Mozartwoche 2019
Matthias Baus
„Thamos“-ina Burana: Für Gesprächsstoff gleich zu Beginn der neuen Mozartwoche ist dank La Fura dels Baus gesorgt

„Keine Sorge“, sagte Villazon am Donnerstag: „Die Mozartwochen der kommenden Jahre werden weiterhin (wie schon seit der Gründung 1956, Anm.) die Konzertschiene als Herzstück der Mozart-Vermittlung haben.“ Doch für die mediale Aufmerksamkeit, und das zeigt schon heuer die Vorberichterstattung, braucht es Events, die über einen Elitenzuschnitt hinausweisen. So hat man neue Spielorte für die Mozartwoche erschlossen, etwa das Oval im Europark, wo am Freitag die Schattentheater-Performance „Mozart’s Amazing Shadows“ Welturaufführung erlebt. Auch wer den Namen Lisa Eckart im Programm dieser neuen Mozartwoche findet, darf gewiss sein, dass hier Grenzüberschreitungen bewusst kalkuliert sind.

Neuer Zugang, kreativer Schub

Für Johannes Honsig-Erlenburg als Präsident der Stiftung Mozarteum ist die Ausweitung des Wirkungskreises der Mozartwoche ein wichtiger Ansatz für die Zukunft. „Neu ist sicher der kreative Ansatz von Rolando Villazon, dessen Brennen und Leidenschaft sich aufs ganze Team auswirkt“, so Honsig-Erlenburg. Eine neue Programmierung, neue Inhalte und Spielorte sind für ihn ein Akzent, mit dem man Publikumsschichten erreicht, die über das klassisch eingeschworene Musikexpertentum hinausgehen.

TV-Hinweis

„T.H.A.M.O.S.“ wird am Sonntag, 27. Jänner, um 18.00 Uhr auf der Klassikplattform fidelio und am Sonntag, 3. Februar, um 20.15 Uhr in ORF III ausgestrahlt.

„Natürlich wird es Diskussionen geben über den Zugang von Carlus Padrissa und seinen Fura dels Baus im Umgang mit Mozart“, gesteht er. Die Aufmerksamkeit tut dem Festival, wie man auf Macher- wie Rezipientenseite sieht, gut. Und kommendes Jahr werde, so Honsig-Erlenburg, mit „Bob Wilson ein Kontrapunkt zum heurigen Programm gesetzt“, wenn langsamere, poetische Bilder ins Spiel kämen.

Rolando Villazon, künstlerischer Leiter der Mozartwoche, und Mozarteum-Stiftungspräsident Johannes Honsig-Erlenburg
APA/Neumayr/leo
Der Präsident und sein umtriebiger Kreativgeist: Johannes Honsig-Erlenburg mit Rolando Villazon

Was schon am Programm dieses Jahres – gerade auch beim Mozart-Schattentheater im Oval – auffällt, ist das bewusste Ansprechen auch der Jungen. „Wer Mozart propagiert, der muss schon aus der Geschichte Mozarts heraus gerade die Jugend ansprechen“, so Honsig-Erlenburg. Dass Salzburg hier möglicherweise mit größerem Engagement als andere Städte vorgeht, hat für den passionierten Pianisten auch historische Gründe: Salzburg blicke auf eine lange Tradition der Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche zurück. Und, so nennt er einen Effekt: „Spreche ich die Kinder an, komme ich automatisch auch mit neuen Zielgruppen in Kontakt.“

Szene aus dem Catapult Mozart-Schattentheater
Mozartwoche FB/CatapultEntertainment
Mozart und die Schatten: Catapult wird im Salzburger Oval ein neues Mozart-Bild prägen, bei dem auch eine Maus eine tragende Rolle spielen soll

Eine Frage der Wirkung

Das neue Echo, das die Mozartwoche in diesen Tagen erzeugt, lässt die Vermutung zu, dass Salzburg tatsächlich so etwas wie eine vierte Festspielschiene bekommt. Zumal dann, wenn man jährlich tatsächlich noch eine neue Großproduktion auf die Bühne der Felsenreitschule bringt. Heuer hat sich „T.H.A.M.O.S.“ schon vor der Premiere als kräftiges Zugpferd in der Öffentlichkeitswirkung erwiesen – auch wenn man nicht behaupten kann, dass La Fura dels Baus gänzlich neue Player im Feld der Crossover-Performance sind.