Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel halten das Abkommen
AP/Martin Meissner
Aachener Vertrag

„Antwort auf Populismus“

Deutschland und Frankreich haben am Dienstag in Aachen einen neuen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte, das Abkommen sei die Antwort auf erstarkenden Populismus und Nationalismus in Europa.

Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Außenminister beider Staaten unterschrieben den sogenannten Aachener Vertrag, in dem beide Staaten eine engere Zusammenarbeit in einer Reihe von Politikfeldern beschließen. Ziel ist etwa ein „gemeinsamer Wirtschaftsraum“ sowie eine enge Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs in der Sicherheitspolitik.

Künftig sollen grenzüberschreitende Projekte etwa in der Verkehrspolitik vorangetrieben werden. Grenzregionen sollen mehr Freiheiten erhalten, gemeinsam das Alltagsleben auf beiden Seiten der Grenze, aber etwa auch Gewerbegebiete zu organisieren. Eine konkrete Projektliste soll vom nächsten deutsch-französischen Ministerrat beschlossen werden.

Merkel: Entschlossene Antworten nötig

Man wolle einen Impuls für die Einheit Europas geben, sagte Merkel. In einer Zeit, in der Populismus und Nationalismus erstarkten und der Multilateralismus unter Druck gerate, seien entschlossene, klare und zukunftsgerichtete Antworten nötig. Mit Großbritannien verlasse erstmals ein Land die EU, und der Multilateralismus werde weltweit mehr und mehr infrage gestellt. Deshalb bedürfe es einer Antwort der EU und einer Neubestimmung der deutsch-französischen Kooperation. Frankreich und Deutschland müssten Taktgeber in den Bereichen sein, die Wohlstand und Sicherheit sichern, erklärte die Kanzlerin.

Unterzeichnung des Elysee-Vertrags im Jänner 1963
APA/AFP
1963 unterzeichneten Konrad Adenauer (l.) und Charles de Gaulle (M.) den Elysee-Vertrag

Macron verweist auf blutige Geschichte

Macron lobte Merkel ausdrücklich. Diese sei immer zu Frankreich und Europa gestanden. Kritik an dem neuen Freundschaftsvertrag wies er zurück. Er hatte dabei in Frankreich kursierende, oft falsche Informationen über den Pakt mit dem großen Nachbarn im Blick. So hatte die Rechtspopulistin Marine Le Pen vom Rassemblement National behauptet, der Vertrag werde dazu führen, dass die französische Grenzregion Elsass zum Teil unter deutscher Kontrolle stehe.

Macron ging am Dienstag nicht im Detail auf die Vorwürfe und Gerüchte ein, sagte aber: „Diejenigen, die den Wert der französisch-deutschen Versöhnung vergessen, machen sich zu Komplizen der Verbrechen der Vergangenheit.“ Macron warnte: „Diejenigen, die karikieren oder die Lüge verbreiten, schaden unserer Geschichte und unseren Völkern (…).“

Freundschaftsvertrag Deutschland – Frankreich

In Aachen haben am Dienstag Deutschland und Frankreich einen neuen Freundschaftsvertrag geschlossen. Der Vertrag sieht vor, dass die beiden Länder wirtschaftlich noch enger zusammenwachsen.

Nötige „Ruhe, um gedeihen zu können“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnet die deutsch-französische Freundschaft als Garanten für den Frieden in Europa. „Es gab in der deutsch-französischen Geschichte öfters – ja – Unbill. Krieg. Schlimmes“, sagte Juncker. Darunter hätten die Nachbarn sehr gelitten. „Die Aussicht, dass dies nie mehr passieren wird, gibt unserem Kontinent die Ruhe, die der Kontinent braucht, um gedeihen zu können“, sagte Juncker.

EU-Ratspräsident Donald Tusk begrüßte den Vertrag, betonte aber, die verstärkte Zusammenarbeit einzelner Länder dürfe nicht die gesamteuropäische Kooperation ersetzen. Europa benötige im Moment jede denkbare Unterstützung, da seine Gegner so zahlreich seien. Der aus 28 Artikeln bestehende Aachener Vertrag ergänzt den im Jahr 1963 geschlossenen Elysee-Vertrag, der die Grundlage der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt hat. Deshalb ist auch von einem „Elysee 2.0“-Vertrag die Rede.

Beide Spitzenpolitiker unter Druck

Merkel und Macron haben derzeit selbst mit Problemen zu kämpfen. Die langjährige deutsche Kanzlerin kündigte ihren Rücktritt vom Vorsitz der CDU an, im Mai stehen in vielen deutschen Bundesländern Kommunalwahlen an. Und in Frankreich brachten die Proteste der „Gelbwesten“ Macron zuletzt stark unter Druck.

Die „Gelbwesten“ werden unterdessen auch in Aachen eine Rolle spielen. Die Polizei rechnet bei dem Treffen mit bis zu 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei mehreren Demonstrationen, die gegen die Unterzeichnung des Vertrags protestieren wollen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel unterzeichnen den Vertrag
Reuters/Wolfgang Rattay
Macron und Merkel bei der Unterschrift

Kritik aus der Opposition

Der deutsche Außenminister Heiko Maas sieht in der Vertragsunterzeichnung ein wichtiges Zeichen: Vor zwei Wochen sagte er, es gehe darum, „für ein starkes, handlungsfähiges Europa, für eine friedliche Welt und eine regelbasierte Ordnung einzutreten“. Andere Parteien vermissen jedoch Substanzielles: „Der neue Elyseevertrag ist enttäuschend unambitioniert“, sagte etwa die deutsche Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner. AfD-Politiker Norbert Kleinwächter sagte hingegen, Macron habe es mit dem Vertrag auf deutsche Finanzhilfen abgesehen.

Auch in Frankreich wurde vor der Unterzeichnung Kritik laut. Le Pen sagte, der Vertrag sehe unter anderem eine deutsche „Vormundschaft“ über das Elsass vor.

2017 Erneuerung des Elyseevertrags gefordert

Der Vertrag von Aachen geht auf eine Anregung von Macron aus dem Jahr 2017 zurück. Damals brachte er eine Neuauflage des 1963 unterzeichneten Elyseevertrags ins Spiel. Der Vertrag wurde von De Gaulle und Adenauer im Jahr 1963 im Elyseepalast unterzeichnet und bekräftigte die Zusammenarbeit zwischen den ehemals verfeindeten Staaten. Er schreibt unter anderem gemeinsame Konsultationen bei wichtigen politischen und wirtschaftlichen Themen fest.