Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Juliane Bogner-Strauß
APA/Hans Punz
Familienbeihilfe

Bogner-Strauß zu EU-Verfahren gelassen

Die EU hat am Donnerstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen der Indexierung der Familienbeihilfe eingeleitet. Während sich ÖVP und FPÖ gelassen gezeigt haben, ist es seitens der Opposition zu scharfer Kritik gekommen. Unter anderem deshalb, weil auf Österreich nun „Strafzahlungen in Millionenhöhe“ zukommen könnten.

Laut Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) müsse das Verfahren in der „richtigen Relation“ gesehen werden. In einer Stellungnahme am Donnerstag hieß es, dass es sich dabei um nichts Unübliches handle. 2017 seien täglich rund zwei Verfahren (716) gegen EU-Mitgliedsstaaten eröffnet worden, und bis Jahresende seien über 1.500 Vertragsverletzungsverfahren noch offen gewesen, so Bogner-Strauß.

Es stehe der Kommission frei, die Indexierung der Familienbeihilfe zu überprüfen. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass die von uns gewählte Lösung mit europäischem Recht vereinbar ist“, so Bogner-Strauß weiter. Sofern die Kommission sich nicht von den österreichischen Argumenten überzeugen lasse, liege es schließlich am Europäischen Gerichtshof (EuGH), darüber zu entscheiden, sagte die Ministerin.

„Regelung widerspricht nicht EU-Recht“

Das Ministerium beruft sich in seiner Rechtsansicht auf den Wiener Sozialrechtler Wolfgang Mazal, der in einem Rechtsgutachten der Indexierungsmaßnahme Europarechtskonformität attestiert hatte. Das Ministerium wies zudem darauf hin, dass rumänische Kinder, deren Eltern in Österreich arbeiten, weiterhin mehr Geld bekommen würden als jene, deren Eltern in Rumänien tätig sind.

Harald Vilimsky (FPÖ/EU-Parlament)
APA/Herbert Pfarrhofer
Für Vilimsky widerspricht die österreichische Regelung nicht dem EU-Recht

Auch für den Leiter der FPÖ-Delegation im EU-Parlament, Harald Vilimsky, widerspricht die österreichische Regelung nicht EU-Recht. Die Familienbeihilfe werde nicht aufgrund einer Erwerbstätigkeit bezahlt, zudem werde gemäß Familienlastenausgleichsgesetz aufgrund des Wohnortes eines Kindes bei einem Elternteil ausbezahlt.

Verhalten der Regierung „unverantwortlich“

NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard kritisierte bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der EU-Kommission das europarechtswidrige Festhalten von ÖVP und FPÖ an der Indexierung und die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahren. Das sei „schlicht unverantwortlich“.

Bereits im Herbst hatte NEOS mit Blick auf die möglichen Folgen einer Indexierung bezüglich eines Rückzugs ausländischer Pflegekräfte aus Österreich beim Sozialministerium nachgefragt. Das Ergebnis: Ohne Slowakinnen und Rumäninnen würde das österreichische Pflegesystem wohl zusammenbrechen, denn mehr als vier Fünftel der 24-Stunden-Betreuerinnen kommen laut dem Ministerium aus diesen beiden, von Kürzungen betroffenen Staaten.

SPÖ: „Jedes Kind muss gleich viel wert sein“

Die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner, kritisierte die Bundesregierung. Regner erwartet dass die Indexierung der Familienbeihilfe vor dem EuGH landen wird. „Kurz und Strache bleiben bei der Familienbeihilfe weiter auf dem Holzweg. Jedes Kind muss in der Europäischen Union gleich viel wert sein. Statt EU-Bürger und Bürgerinnen zu diskriminieren, sollte die österreichische Regierung das Geld von den Steuerbetrügern eintreiben. Mit diesen 12,9 Milliarden Euro könnten wir gleich viermal die komplette Familienbeihilfe finanzieren“, sagte Regner.

Daniela Holzinger, Jetzt-Familiensprecherin, warnte indes vor „Strafzahlungen in Millionenhöhe“, die schließlich von den Steuerzahlern getragen werden müssten. Die Regierung habe es versäumt, während des EU-Ratsvorsitzes eine europäische Lösung zu erreichen.

Indexierung „zutiefst unfair“

EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen verurteilte die Anpassung der österreichische Familienbeihilfe. Die EU-Kommission habe am Donnerstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich in Form eines Aufforderungsschreiben entschieden, sagte Thyssen in Brüssel. „Indexierung ist zutiefst unfair“, so die Kommissarin.

Familienbeihilfe: EU-Verfahren gegen Österreich

Österreichs neue Regelung zur Kinderbeihilfe verstößt gegen EU-Recht, dieser Ansicht ist Sozialkommissarin Mariann Thyssen, die in Brüssel den Start eines Verfahrens wegen Vertragsverletzung angekündigt hat.

„Es gibt keine Arbeiter zweiter Klasse, und es gibt keine Kinder zweiter Klasse in der EU“, betonte Thyssen. Die Maßnahme, die Österreich gesetzt habe, verhindere nicht einen „Sozialtourismus“, sondern treffe diejenigen Menschen, die zum österreichischen Sozialsystem beitragen. Die EU-Kommission habe immer klar gemacht, dass es gleiche Leistungen für gleiche Beiträge am selben Platz geben müsse.

Jetzt habe die Analyse der EU-Kommission erneut bestätigt, dass die österreichische Gesetzgebung nicht im Einklang mit EU-Recht stehe. Thyssen stellte auch die Frage, was nach einer Indexierung der Familienbeihilfe noch komme, etwa die Einschränkung von Pensionszahlungen in der EU.

Beschwerde von sieben EU-Ländern

Die EU-Kommission hatte bereits im Oktober klargemacht, dass sie nicht zögern werde, in dieser Angelegenheit von ihren Möglichkeiten als Hüterin der Verträge Gebrauch zu machen, sobald das Gesetz endgültig verabschiedet und bekanntgemacht würde. Das Gesetz wurde bereits im Dezember im Amtsblatt veröffentlicht, die EU-Behörde wartete aber offenbar das Ende der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Halbjahr ab.

Grafik zur Indexierung der Familienbeihilfe
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BKA

Das derzeitige EU-Vorsitzland Rumänien hatte sich in dieser Angelegenheit bereits im Oktober an Thyssen gewandt. Im November sendeten sieben weitere von der Kürzung betroffene Länder – Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Polen, Bulgarien, Litauen, Slowenien – einen diesbezüglichen Brief an Thyssen, in dem sie um die Unterstützung der EU-Kommission baten. Ungarn wandte sich laut eigenen Aussagen auch direkt an Österreich, erhielt aber keine Reaktion. Daraufhin ersuchte die ungarische Regierung Thyssen vorige Woche nochmals, ein Vertragsverletzungsverfahren anzustreben.

125.000 Kinder von Kürzungen betroffen

Seit 1. Jänner wird die österreichische Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder entsprechend den dortigen Lebenshaltungskosten indexiert. 125.000 Kinder sind von einer Kürzung betroffen, die meisten von ihnen leben in Ungarn (38.700), der Slowakei (27.180), Polen (14.865) und Rumänien (14.213). In Zukunft gibt es somit für ein Kind von bis zu zwei Jahren, das etwa in Rumänien lebt, nur noch 56,20 Euro österreichische Familienbeihilfe monatlich statt bisher 114 Euro; für Drei- bis Neunjährige sind es nun 60,10 statt 121,90 Euro. Für Deutschland beträgt die Differenz drei Euro.

Die Regierung erwartet sich nach früheren Angaben Einsparungen von 114 Millionen Euro pro Jahr. 2017 wurden 253,2 Millionen Euro an Beihilfen ins Ausland bezahlt. Eine etwas höhere Leistung gibt es durch die Verordnung für Kinder in den Ländern Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island und Luxemburg. Auch in den Niederlanden, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Großbritannien wird eine höhere Familienbeihilfe gezahlt. Betroffen sind davon die Eltern von rund 400 Kindern, geht aus einer Auflistung des Familienministeriums aus dem Vorjahr hervor.