Ein Airbus-Mitarbeiter bei der Produktion eines Flugzeuges
APA/AFP/Oli Scarff
Brexit

Konzerne erhöhen Druck

In Großbritannien sehen Konzerne wegen der zahlreichen Unklarheiten rund um den Brexit Handlungsbedarf. So erhöhen nun der Autohersteller Ford, der Flugzeugkonzern Airbus und der Elektronikgigant Sony den Druck auf die britische Politik im Brexit-Chaos. Die Abwanderung steht im Raum bzw. ist teils bereits eingeleitet. So zieht es das britische Vorzeigeunternehmen Dyson gar nach Asien.

Im Falle eines „No Deal“-Brexits müssten die Konzerne von höheren Zöllen ausgehen. Lieferketten könnten zudem unterbrochen werden und Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, so Experten und Expertinnen. Sony verlegt daher bereits jetzt seinen europäischen Hauptsitz von London nach Amsterdam. Damit könne das Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb ohne Beeinträchtigung fortsetzen, wenn Großbritannien die Europäische Union verlasse, teilte eine Sony-Sprecherin Mitte der Woche mit. Die Abläufe im europäischen Geschäft des japanischen Elektronikherstellers blieben unverändert.

Finanzielle Erwägungen stehen offenbar auch bei Ford im Mittelpunkt. Ein ungeregeltes Ausscheiden Großbritanniens aus der EU würde bei dem Unternehmen einem Insider zufolge Kosten von bis zu einer Milliarde Dollar (880 Mio. Euro) verursachen. Internen Berechnungen zufolge werde mit mindestens 500 Millionen Dollar (440 Mio. Euro) gerechnet, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person am Donnerstag. Der Sender Sky News hatte zuvor von Kosten von 800 Millionen Dollar (704 Mio. Euro) berichtet.

Ford-Mitarbeiter
AP
Ein Ford-Mitarbeiter prüft in einem britischen Werk einen Motorblock

Ford: Ungeregelter Brexit wäre „katastrophal“

Eine knappe Mehrheit der Briten hatte im Juni 2016 in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Für viele in der Europäischen Union kam das damals überraschend. Großbritannien wird die EU voraussichtlich am 29. März verlassen. Das mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen war aber jüngst vom Parlament in London mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden. Das hat Sorgen vor einem britischen EU-Austritt ohne Abkommen angefacht.

Ford wollte sich bisher nicht zu den finanziellen Auswirkungen eines harten Brexits äußern. Finanzchef Bob Shanks sagte aber, es seien Vorbereitungen für diesen Fall getroffen worden. Zuvor hatte Shanks gesagt, er rechne nicht mit einem ungeregelten Brexit. Sollte es doch dazu kommen, wäre das aber „katastrophal“. In Großbritannien betreibt Ford zwei Motorenwerke und liefert dorthin eines von drei im Werk im deutschen Köln gefertigten Autos.

Airbus droht mit Fabriksschließungen

Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus droht Großbritannien ebenfalls im Falle eines ungeregelten EU-Austritts mit der Schließung von Fabriken. Es sei eine Schande, dass mehr als zwei Jahre nach dem Ergebnis des Referendums die Unternehmen immer noch nicht in der Lage seien, für die Zukunft richtig zu planen, sagte Airbus-Chef Tom Enders.

„Wenn es einen Brexit ohne Abkommen gibt, müssen wir bei Airbus möglicherweise sehr schädliche Entscheidungen für Großbritannien treffen“, sagte Enders am Donnerstag in einer Videonachricht. „Bitte hört nicht auf den Wahnsinn der Brexiter, die behaupten, dass wir, weil wir hier riesige Fabriken haben, uns nicht bewegen werden und immer hier sein werden.“ Es gebe auf der Welt Länder, die gerne Tragflächen für Airbus bauen würden, sagte Enders.

Airbus-Fertigungshalle
APA/AFP/Oli Scarff
Eine Airbus-Werkshalle in Großbritannien: In dem Land werden die Tragflächen für fast alle Airbus-Flugzeuge hergestellt

Bisherige Logistik könnte zusammenbrechen

In Großbritannien hat der größte Luft- und Rüstungskonzern Europas fast seinen gesamten Tragflächenbau gebündelt. Nur der neue Airbus A220 ist davon unabhängig. Daher müssen die Lieferketten zwischen den einzelnen Werken reibungslos funktionieren. Bei einem ungeregelten Brexit mit möglicherweise wochenlangen Staus in den Häfen muss Airbus um seine Logistik fürchten. Zulieferer müssen Teile für die Tragflächen nach Großbritannien bringen, die fertigen Tragflächen müssen anschließend zu den Werken in Frankreich, Deutschland, China und den USA.

„Mit dem Wissen von heute würde man so etwas sicher anders planen“, hört man im Airbus-Konzern. Airbus beschäftigt in Großbritannien früheren Angaben zufolge rund 14.000 Mitarbeiter an 25 Standorten. An seiner britischen Zuliefererkette hängen rund 110.000 Jobs. Wollte Airbus sein Geschäft in ein anderes Land verlagern, wäre das ein großer Aufwand.

James Dyson
APA/AFP/Christophe Archambault
Auch das Unternehmen von Brexit-Befürworter James Dyson kehrt Großbritannien den Rücken

Brexit-Befürworter Dyson geht nach Singapur

Ein Aushängeschild der britischen Wirtschaft, der Staubsaugerhersteller Dyson, kehrt Großbritannien ebenfalls den Rücken. Das Unternehmen verkündete die Verlegung seiner Firmenzentrale nach Singapur. Firmengründer James Dyson erntete für den Schritt umgehend einen Sturm der Kritik, gilt er doch als glühender Brexit-Befürworter. Offiziell wurde die Verlegung indes mit der zunehmenden Bedeutung des Asiengeschäfts begründet.

Dyson hatte sich vor dem EU-Austrittsreferendum im Juni 2016 als einer von wenigen Wirtschaftsbossen klar für den Brexit ausgesprochen. Er kritisierte vor allem die seiner Ansicht nach überbordenden EU-Regulierungen. Schon Ende 2017 rief er die Regierung in London auf, die EU ohne Vereinbarung mit Brüssel zu verlassen. Nach dem Brexit solle die Wirtschaft mit niedrigeren Unternehmenssteuern und laxeren Arbeitsgesetzen gestützt werden, meinte er damals in einem BBC-Interview.

Auch BBC erwägt Standbein in EU

Die BBC erwägt indes eine neue EU-Zentrale auf dem Kontinent zu eröffnen, um weiterhin EU-weit senden zu können, wie der „Guardian“ am Donnerstag berichtete. Wie der belgische Premierminister Louis Michel in Davos sagte, gebe es Gespräche mit BBC-Chef Tony Hall, die EU-Zentrale in Belgien anzusiedeln.

Laut Insidern gibt es allerdings auch Gespräche mit den Niederlanden und Irland, so der „Guardian“ weiter. Die BBC braucht laut der Zeitung eine EU-basierte Lizenz für ihre internationalen Kanäle, wenn sie nach dem Austritt weiter im Rest Europas senden will. Laut Michel steht Belgien derzeit bei einigen Firmen und Konzernen, die ihre Zentrale in Großbritannien haben, in der engeren Auswahl für eine Ansiedelung in der EU.

Britische Regierung wirbt um Investitionen

Vor dem Hintergrund der Konzernabwanderungen betonte die britische Regierung ihre Offenheit für Investoren. „Großbritannien ist offen für Geschäfte und bleibt ein attraktives Ziel für ausländische Direktinvestitionen“, sagte der für den internationalen Handel zuständige Minister Liam Fox am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Fox reagierte gelassen auf jüngste Ankündigungen. Stattdessen verwies der Minister auf Zahlen der Wirtschaftsberatung Deloitte, wonach Großbritannien seit dem Brexit-Votum 2016 mehr ausländische Investitionen angezogen habe als Deutschland und Frankreich zusammen. Auch in einer Zeit der „Unsicherheit rund um den Brexit“ bleibe das Königreich attraktiv für Investoren, sagte Fox. Er zeigte sich zudem optimistisch, schon in Kürze mehrere Abkommen mit Handelspartnern außerhalb der EU unterzeichnen zu können.

Arbeitslosigkeit gesunken

Der britische Arbeitsmarkt zeigte sich trotz des Brexit-Chaos in einer sehr guten Verfassung. Die Arbeitslosenquote fiel in den drei Monaten bis November von 4,1 auf 4,0 Prozent, wie das Statistikamt ONS am Dienstag in London mitteilte. Damit wurde ein 43-jähriger Tiefstand eingestellt. Niedriger war die Rate zuletzt im Jahr 1975. Analysten hatten mit einer konstanten Quote gerechnet. Zugleich fiel der Lohnzuwachs für die Beschäftigten – inklusive Bonuszahlungen – mit 3,4 Prozent so kräftig aus wie seit Mitte 2008 nicht mehr.