Junge Mutter hält ihr Kind in Armen
Getty Images/Igor Ustynskyy
Internationale Gehaltsstudie

Große Verluste für Österreichs Mütter

Dass Frauen in Österreich im Schnitt weniger verdienen als Männer, ist eine Tatsache. Eine internationale Studie zeigt nun, dass Mütter, die nach der Geburt eines Kindes in den Job zurückkehren, auch langfristig betrachtet mit erheblichen Einkommenseinbußen rechnen müssen. In Österreich ist dieser Nachteil im Vergleich zu skandinavischen und englischsprachigen Ländern besonders groß.

Über zehn Jahre betrachtet haben Frauen um 51 Prozent weniger Einkommen als vor der Geburt. Henrik Kleven von der US-Universität Princeton und ein Forschungsteam unter anderem an der Universität Zürich haben sich die Auswirkung der Geburt auf die Einkommen von Frauen und Männern in sechs Ländern angesehen. Untersucht wurden Dänemark, Schweden, Deutschland, Österreich, Großbritannien und die USA.

In einer Studie in Dänemark habe sich zunächst gezeigt, dass sich Elternschaft in den Einkommen langfristig mit 20 Prozent auswirkt. Untersuchungen in anderen Ländern zeigen, dass dieses Phänomen überall besteht, denn während sich vor einer Elternschaft die Einkommen beider Geschlechter gleich entwickeln, geht die Schere nach dem ersten Kind auseinander. Beim Ausmaß dieses Nachteils gibt es im Vergleich der Länder allerdings eklatante Unterschiede.

Auswirkungen zehn Jahre später noch sichtbar

Die Forscherinnen und Forscher drücken den langfristigen Einkommensnachteil nach der Geburt eines Kindes in Prozent relativ zum Einkommen im Jahr vor der Geburt des ersten Kindes aus, sagte Josef Zweimüller von der Universität Zürich gegenüber der APA. In den skandinavischen Ländern beträgt dieser langfristig etwa 20 bis 30 Prozent, in den englischsprachigen ungefähr 40 Prozent. In Österreich sind es 51 Prozent und in Deutschland 61 Prozent.

Grafik zeigt den Einkommensverlust für Mütter im europäischen Vergleich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Kleven/Princeton University

Frauen erleben nach der Geburt des ersten Kindes einen sofortigen, großen und vor allem nachhaltigen Rückgang des Einkommens. Männereinkommen sind davon im Wesentlichen nicht betroffen. Die Auswirkungen sind auch zehn Jahre später noch sichtbar. Während in der Öffentlichkeit häufig diskutiert wird, dass es langfristig für Frauen besser sei, schnell in den Job zurückkehren, sieht die Studie hier keinen Zusammenhang.

Teilzeit, nicht Babypause entscheidend

Der Studie zufolge hat es also keine Bedeutung, wie lange Frauen nach einer Geburt dem Arbeitsmarkt fernbleiben. Frauen, die kürzer in Karenz waren, würden im Schnitt also langfristig gleich viel verlieren wie jene, die sich länger um ein Kind zu Hause kümmerten und nicht gleich in den Job zurückkehren. Daran konnte zumindest in Österreich auch keine Reform des Karenzgeldes, die ebenfalls in der aktuellen Studie berücksichtigt wurden, etwas ändern.

Der größte Teil der Einbußen entstehe, weil die Mütter die Arbeitszeit reduzieren, so Zweimüller. Viele kehren in Teilzeit zurück, einige gar nicht mehr. Koautor Camille Landais von der London School of Economics kommt zu der Erkenntnis, dass weitere Faktoren dazukommen dürften. So verschlechtern sich die Aufstiegschancen für Frauen in Unternehmen nach einer Geburt. Woran genau das liegt, wird noch untersucht.

Vermutung: Gesellschaftliche Normen als Grund

Steuern, Transferleistungen und familienpolitische Maßnahmen wie Karenz und Kinderbetreuung haben unmittelbar Einfluss auf die Motivation von Müttern, arbeiten zu gehen, so die Studie weiter. In einer zweiten Arbeit, die jedoch noch nicht vollständig veröffentlicht ist, untersuchte Zweimüller außerdem, wie sich das Angebot von Kinderbetreuungsplätzen seit den 1980er Jahren auf das Einkommen von Frauen ausgewirkt hat. Generelle Annahme ist, dass dort, wo die Zahl von Kinderbetreuungsplätzen stärker ausgebaut wurde, Frauen weniger hohe Gehaltsverluste zu erleiden haben.

In Österreich scheint das jedoch anders auszusehen. Zweimüller fand nämlich keinen Zusammenhang. Derzeit zeigen die Forschungsergebnisse, dass Frauen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt ähnlich hohe Lohnverluste erleiden, auch wenn mehr Kinderkrippen und Kindergartenplätze angeboten werden. Ein Grund für die Unterschiede sei wohl in den gesellschaftlichen Normen zu finden, so Zweimüller. In Ländern mit großen Nachteilen aufgrund der Elternschaft gebe es auch eine konservative Rollenverteilung der Geschlechter.

SPÖ: „Höchste Zeit für Lohntransparenzgesetz“

Eine erste Reaktion zur Studie kam von den SPÖ-Frauen. Sie fordern mehr Gehältertransparenz. „Es ist höchste Zeit für ein Lohntransparenzgesetz“, so SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek. Schuld an den Einkommensverlusten sei die systematische Benachteiligung von Frauen.

An Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) richtete Heinisch-Hosek einen Appell: „Es gibt keine Ausreden mehr. Es braucht ein Lohntransparenzgesetz, die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten bei Lohnvorrückungen und einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Kinderbetreuungs- und –bildungsplatz“, so die SPÖ-Frauenvorsitzende. Kritik hagelte es außerdem erneut am neuen Arbeitszeitgesetz. Der Zwölfstundentag verschärfe die Situation und dränge Frauen zusätzlich in Teilzeit.

Als „Skandal“ bezeichnete Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), das Studienergebnis für Österreich. „Die Bundesregierung muss sofort die volle Anrechnung von Karenzzeiten gesetzlich beschließen, um diesen Missstand zu beseitigen“, so Teiber. „Es ist eine Chuzpe und eine Frechheit gegenüber Tausenden Müttern, dass ÖVP-Klubobmann (August, Anm.) Wöginger die von ihm angekündigte gesetzliche Karenzzeitanrechnung wieder abgesagt hat. Frauen haben es nicht verdient, fürs Kinderkriegen bestraft zu werden.“

NEOS: Familienbonus verstärkt derzeitigen Effekt

NEOS bezeichnete die Nachteile für Mütter als „inakzeptabel und volkswirtschaftliche Katastrophe“. NEOS-Frauensprecherin Claudia Gamon forderte deshalb eine Aufwertung der Väterkarenz – "immerhin sind Väter beim Kinderbekommen nicht ganz unbeteiligt und wollen oftmals auch mehr Verantwortung übernehmen“, so Gamon.

Es brauche endlich eine gleichwertige Aufteilung von Karenzzeiten auf Mütter und Väter, NEOS habe dazu bereits Vorschläge eingebracht. „Es braucht individuelle Karenzansprüche für Väter und Mütter von bis zu 18 Monaten inklusive Möglichkeiten zur Überlappung. Beide Partner sollen die Möglichkeit haben, sich für die für sie passende Kindergeldvariante zu entscheiden. Damit schaffen wir mehr Entscheidungsfreiheit, Flexibilität und begegnen der Angst vor dem Einkommensverlust“, so Gamon. Das sei progressive Frauen- und Familienpolitik. Maßnahmen wie der Familienbonus würden hingegen den derzeitigen Effekt weiter verstärken.